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Aktuell im FamRB

Ordnungshaft bei hartnäckigem Umgangsboykott - warum nicht? - Zugleich Besprechung von Saarländisches OLG v. 11.12.2019 – 6 WF 156/19, FamRZ 2020, 701 (Cirullies, FamRB 2020, 241)

Geradezu ohnmächtig fühlen sich Gericht und Verfahrensbeteiligte, wenn der betreuende Elternteil dem Umgangsberechtigten das Besuchsrecht durch Maßnahmen und Ausflüchte verschiedenster Art torpediert – oft über viele Monate und gegen die Interessen des betroffenen Kindes. Diese Frage gewinnt in Zeiten des „Corona-Virus“ zusätzliche Aktualität, da viele betreuende Elternteile die Pandemie-Einschränkungen als Ausrede zum Umgangsboykott nutzen. Nun hat das Saarländische OLG – wie schon zuvor das Thüringische OLG und das Schleswig-Holsteinische OLG – in einem Fall beharrlicher Obstruktion mehrtägige Ordnungshaft zur Durchsetzung des Umgangstitels verhängt. Sollte das Beispiel Schule machen?

I. Ausgangsfall

II. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen

III. Einleitung des Ordnungsmittelverfahrens

IV. Vermutetes Verschulden

V. Vorrang der Ordnungsmittel

1. Entschließungsermessen des Gerichts

a) Ermessenskriterien

b) Verhältnismäßigkeit

2. Auswahlermessen des Gerichts

3. Abstufung Ordnungsgeld – Ordnungshaft

4. Ordnungshaft und Kindeswohl

5. Dauer der Ordnungshaft

VI. Vollstreckung der Ordnungshaft

1. Zuständigkeit

2. Sonderfall: Ersatzordnungshaft

3. Inhaftierung des Schuldners

4. Vollstreckungskosten

VII. Fazit


I. Ausgangsfall

Der hier besprochene Fall betrifft eine besondere Konstellation: Es ist ausnahmsweise der (arbeitslose) Vater, der das gemeinsame 8 Jahre alte Kind betreut und der (promovierten) Kindesmutter den im Wege eines gerichtlich gebilligten Vergleichs titulierten Umgang über längere Zeit beharrlich verweigert. Er trägt insbesondere vor, die Vereinbarung entspreche nicht dem Wohl des Kindes, das im Übrigen die Besuche bei der Mutter ablehne. Der Senat weist die Einwände zurück und begründet dies mit der Erforderlichkeit eines Abänderungsverfahrens sowie der Pflicht des Vaters, das Kind intensiv zu Umgangskontakten zu motivieren. Die Ahndung durch Ordnungshaft sei hier verhältnismäßig, da der Verpflichtete einkommens- und vermögenslos ist und ein bereits früher festgesetztes Ordnungsgeld nicht entrichtet hat. Auch sei eine der Vollstreckung der Haft entgegenstehende Beeinträchtigung des Kindeswohls nicht zu erkennen, weil das Kind während des Haftvollzuges bei seiner Mutter untergebracht werden könne. Der Senat reduziert jedoch die vom Familiengericht mit einem Monat bemessene Ordnungshaft auf fünf Tage, auch weil der Vater unter dem Druck des Vollstreckungsverfahrens dann doch Besuchskontakte ermöglicht hat.

Welche Voraussetzungen müssen für eine solche freiheitsentziehende Maßnahme erfüllt sein? Und wie ist die Haftanordnung in der Praxis zu vollziehen?

II. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen
Der Senat stellt eher beiläufig fest, dass dem Vater der – ordnungsgemäß protokollierte, hinreichend bestimmte und im Beschlusswege richterlich gebilligte – Vergleich vom 18.6.2018 ordnungsgemäß zugestellt worden sei, und zwar mitsamt dem durch Rechtsmittelverzicht rechtskräftig gewordenen Billigungsbeschluss und der gem. § 89 Abs. 2 FamFG notwendigen Folgenankündigung.

Damit hat das Familiengericht sein Verfahren im Zusammenhang mit dem gerichtlich gebilligten Vergleich geradezu vorbildlich geführt, und zwar in einer Weise, die der BGH erst ein Jahr später höchstrichterlich vorgegeben hat. Zu betonen ist danach vor allem, dass die Billigung nach § 156 Abs. 2 FamFG durch Beschluss zu erfolgen hat, der mit der Beschwerde angreifbar ist, und zwar sogar durch einen Elternteil, der der Umgangsregelung zugestimmt hat. Nicht der Vergleich, sondern erst der Billigungsbeschluss mit der obligatorischen Kindeswohlprüfung beendet das Umgangsverfahren. Ein bloßer Vermerk des Gerichts im Protokoll genügt demnach nicht.

Beraterhinweis
Ungenauigkeiten bei Abschluss einer Umgangsvereinbarung wie auch bei der gerichtlichen Billigung und Zustellung des Titels bringen nicht selten Vollstreckungsprobleme mit sich. Daher empfiehlt sich für die Gerichtsverhandlung eine „Checkliste“, in der alle Formerfordernisse aufgeführt sind: hinreichend bestimmte Regelung, Zustimmung aller Beteiligten, formwirksame Protokollierung und Genehmigung, Billigungsbeschluss sowie Belehrung nach § 89 Abs. 2 FamFG.

Gemäß § 87 Abs. 2 FamFG darf die Vollstreckung nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt oder gleichzeitig zugestellt ist. Dabei werden Beschlüsse gemäß § 41 FamFG von Amts wegen zugestellt. Im FamFG fehlt eine § 750 Abs. 1 Satz 2 ZPO entsprechende Regelung, wonach auch eine Zustellung im Parteibetrieb ausreicht. Obgleich § 87 Abs. 2 FamFG dem Wortlaut nach die Zustellung nur für die Vollstreckung aus Beschlüssen verlangt, sind die Regeln über die Amtszustellung nach zutreffender Ansicht auf einen Vergleich entsprechend anzuwenden. Eine Zustellung im Beteiligtenbetrieb wird insoweit zwar – wohl in Anlehnung an das im Zivilprozess übliche Verfahren – gelegentlich gefordert, ist jedoch schlicht unwirksam. Dementsprechend muss auch ein gerichtlich gebilligter Vergleich zu Beginn der Zwangsvollstreckung zugestellt sein, und zwar ebenfalls ...
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.06.2020 12:55
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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