Otto Schmidt Verlag

Aktuelle BGH-Rechtsprechung in Leitsätzen

Hier finden Sie die neuesten Entscheidungen aus der Rubrik "Aktuell" des anstehenden FamRB-Heftes, bevor sie von erfahrenen Praktikern für Sie in den folgenden Heften aufbereitet, mit Beraterhinweisen versehen und die Konsequenzen für Ihre Praxis aufgezeigt werden.


BGH, Urt. v. 20.5.2020 – IV ZR 193/19
Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Ergänzung bzw. Berichtigung des notariellen Nachlassverzeichnisses
Der Pflichtteilsberechtigte kann die Ergänzung bzw. Berichtigung eines notariellen Nachlassverzeichnisses auch dann verlangen, wenn dieses wegen unterbliebener Mitwirkung des Erben teilweise unvollständig ist (hier: verweigerte Zustimmung des Erben zu einem Kontendatenabruf des Notars bei einem ausländischen Kreditinstitut).


BGH, Beschl. v. 13.5.2020 – XII ZB 427/19
Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Namensführung bei der sog. schwachen Volljährigenadoption
a) Ein Annahmebeschluss unterliegt der Anfechtung, soweit damit zugleich ein Antrag zur Namensführung nach § 1757 Abs. 3 BGB abgelehnt wird.
b) Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage eingeholt, ob es mit dem von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unvereinbar ist, dass gemäß § 1767 Abs. 2 Satz 1, § 1757 BGB bei der sog. schwachen Volljährigenadoption für einen Angenommenen, der bis zur Annahme als Kind seinen Geburtsnamen als Familiennamen, nicht aber als Ehenamen geführt hat, auch bei Vorliegen besonderer Umstände nicht die Möglichkeit besteht, diesen Geburtsnamen als alleinigen Familiennamen fortzuführen.


BGH, Beschl. v. 13.5.2020 – XII ZB 541/19
Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe in Unterbringungssachen nur im Ausnahmefall
a) § 319 Abs. 4 FamFG schließt die Möglichkeit, die vor der Genehmigung einer Unterbringungsmaßnahme zwingend gebotene Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe vorzunehmen, zwar nicht völlig aus. Diese Möglichkeit ist jedoch auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt. Macht das Gericht von ihr Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (im Anschluss an BGH v. 22.3.2017 – XII ZB 358/16, FamRZ 2017, 996 und BGH v. 2.3.2016 – XII ZB 258/15, FamRZ 2016, 804).
b) Die Bestellung des Verfahrenspflegers erst mit der Endentscheidung verfehlt den gesetzlichen Zweck des § 317 FamFG, die Belange des Betroffenen in die Endentscheidung einfließen zu lassen.


BGH, Beschl. v. 6.5.2020 – XII ZB 534/19
Betreuervergütung im Fall zeitlicher Verzögerung zwischen vorläufigem Betreuungsende und Betreuerbestellung im Hauptsacheverfahren
Endet eine vorläufige Betreuung durch Zeitablauf und wird erst zu einem späteren Zeitpunkt im Hauptsacheverfahren ein Betreuer bestellt, ist für die Bemessung des Stundenansatzes grundsätzlich der Zeitpunkt der Bestellung des Betreuers in der Hauptsache maßgeblich. Das gilt auch dann, wenn der vorläufige Betreuer und der in der Hauptsache bestellte Betreuer personengleich sind.


BGH, Beschl. v. 6.5.2020 – XII ZB 6/20
Anforderungen an Inhalt und Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens im Betreuungsverfahren
a) Die nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Anhörung des Betroffenen ist grundsätzlich durchzuführen, nachdem ihm das nach § 280 Abs. 1 Satz 1 FamFG einzuholende Sachverständigengutachten rechtzeitig bekannt gegeben worden ist (im Anschluss an BGH v. 3.7.2019 – XII ZB 62/19, FamRZ 2019, 1648).
b) Zu den Anforderungen an den Inhalt eines Sachverständigengutachtens in einem Betreuungsverfahren (im Anschluss an BGH v. 4.3.2020 – XII ZB 485/19).


BGH, Beschl. v. 6.5.2020 – XII ZB 504/19
Wiederholte Anhörung des Betroffenen unter Teilnahme des nunmehr bestellten Verfahrenspflegers
Hat das Amtsgericht es in verfahrenswidriger Weise unterlassen, in einem Betreuungsverfahren für den Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, und hat es demgemäß den Betroffenen ohne Verfahrenspfleger angehört, so hat das Landgericht den Betroffenen erneut anzuhören und dem – nunmehr von ihm bestellten – Verfahrenspfleger Gelegenheit zu geben, an der Anhörung teilzunehmen (im Anschluss an BGH v. 14.2.2018 – XII ZB 465/17, FamRZ 2018, 705 = FamRB 2018, 192).


BGH, Beschl. v. 29.4.2020 – XII ZB 242/19
Erforderlichkeit der Betreuerbestellung trotz Vorsorgevollmacht
a) Zur Erforderlichkeit einer Betreuung bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht.
b) Legt in einem Betreuungsverfahren ein Verfahrensbeteiligter ein Privatgutachten vor, muss sich der Tatrichter damit auseinandersetzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinwirken, wenn sich aus den Privatgutachten ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergeben kann. Nur wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige auch im Rahmen seiner Anhörung die sich aus einem Privatgutachten ergebenden Einwendungen nicht auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung ein weiteres Gutachten einholen.
c) Bei der Beurteilung der Frage, ob der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint, darf der Tatrichter einzelne Umstände bzw. Vorfälle nicht isoliert betrachten; er hat vielmehr eine Gesamtschau all derjenigen Umstände vorzunehmen, die für und gegen eine Eignung sprechen (im Anschluss an BGH v. 19.7.2017 – XII ZB 141/16, FamRZ 2017, 1712).


BGH, Beschl. v. 20.4.2020 – VI ZB 49/19
Büroorganisation: Keine eigenmächtige Änderung im Fristenkalender eingetragener Fristen
Ein Rechtsanwalt bleibt auch bei solchen Fristen, die er nicht selbst zu berechnen hat, verpflichtet, durch allgemeine Anweisungen sicherzustellen, dass sein Büropersonal nicht eigenmächtig im Fristenkalender eingetragene Fristen ändert oder löscht. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine außergewöhnliche Verfahrensgestaltung Anlass zur Prüfung gibt, ob die bereits eingetragenen Fristen maßgeblich bleiben oder nicht (Anschluss BGH v. 12.11.2013 – II ZB 11/12, FamRZ 2014, 295 Rz. 16).


BGH, Beschl. v. 17.3.2020 – VI ZB 99/19
Ausgangskontrolle des elektronischen Postfachs beA bei fristgebundenen Schriftsätzen
a) Die Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze muss sich entweder – für alle Fälle – aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder – in einem Einzelfall – aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal, einen fristwahrenden Schriftsatz per Telefax zu übersenden, macht die weitere Ausgangskontrolle, auch die zusätzliche allabendliche Kontrolle fristgebundener Sachen, nicht entbehrlich (Anschluss an BGH v. 15.6.2011 – XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 und BGH v. 4.11.2014 – VIII ZB 38/14, NJW 2015, 254).
b) Für die Ausgangskontrolle des elektronischen Postfachs beA bei fristgebundenen Schriftsätzen genügt jedenfalls nicht die Feststellung, dass die Versendung irgendeines Schriftsatzes mit dem passenden Aktenzeichen an das Gericht erfolgt ist, sondern anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens ist auch zu prüfen, welcher Art der Schriftsatz war.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.06.2020 10:22
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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