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Elternbesuchsrecht im Kinderschutzhaus auch zu Coronazeiten - Zugleich Besprechung von VG Hamburg v. 16.4.2020 - 11 E 1630/20 (Bergmann/Auerswald, FamRB 2020, 293)

In der Hochphase der Corona-Pandemie im April 2020 hatte die Hamburger Corona-Verordnung in § 15 Abs. 1 Alt. 2 HambSARS-CoV-2-EindämmungsVO a.F. ein Kontaktverbot auch für die Eltern von in Kinderschutzeinrichtungen untergebrachten Kindern vorgesehen. Hiergegen wendete sich die Mutter von zwei in Obhut genommenen Kleinkindern erfolgreich mit einem Eilantrag an das VG Hamburg. Exemplarisch kann hieran die wichtige Funktion der Verwaltungsgerichte als notwendiges Korrektiv in Krisenzeiten dargestellt werden. Die erfolgreiche Arbeit der Gerichte spiegelt sich auch in den mittlerweile überarbeiteten Fassungen der Corona-Verordnungen der Bundesländer wider. Auch in Hamburg gibt es kein ausnahmsloses Besuchsverbot für den sorge- oder umgangsberechtigten Elternteil mehr.

I. Einleitung

II. Die Entscheidung des VG Hamburg

III. Analyse und Kritik der einzelnen Argumente

IV. Folgerungen und Ausblick


I. Einleitung

Das VG Hamburg hat am 16.4.2020 entschieden, dass eine Mutter ihre zwei und vier Jahre alten Töchter im Kinderschutzhaus besuchen darf. Zuvor hatte die Einrichtung jegliche Besuche von Eltern untersagt und sich dabei auf die Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg i.d.F. v. 9.4.2020 berufen. Man wolle nicht nur die Bewohner*innen, sondern auch die Mitarbeiter*innen des Kinderschutzhauses vor möglichen Ansteckungsgefahren schützen. Die Mutter der Kinder wollte ihr Besuchsrecht jedoch weiterhin wahrnehmen und hat sich mit einem Eilantrag an das VG Hamburg gewandt, das diesem am 16.4.2020 stattgegeben hat. Die erfolgreiche Arbeit der Verwaltungsgerichte trägt lokal nun Früchte: Mittlerweile wurde zumindest die Hamburger Corona-Verordnung angepasst. Ein Kontaktverbot ohne Ausnahmeregelung besteht insbesondere für Personen, zwischen denen ein familienrechtliches Sorge- oder Umgangsverhältnis besteht, nach § 1 Abs. 2 Satz 2 HambSARS-CoV-2-EindämmungsVO n.F. nicht mehr.

II. Die Entscheidung des VG Hamburg
Die Hamburger Corona-Verordnung hat in der Fassung vom 9.4.2020 das Betreten von besonderen Formen von Kinderschutzeinrichtungen in § 15 Abs. 1 Alt. 2 verboten. Eine Ausnahme von diesem Verbot sah die Verordnung in der alten Fassung nicht vor. Im März teilte die Kinderschutzeinrichtung, in der zu diesem Zeitpunkt die Töchter der Antragstellerin untergebracht waren, dieser unter Berufung auf die damals geltende Fassung der Hamburger Corona-Verordnung mit, sie könne ihre Töchter bis auf Weiteres nicht besuchen. Zuvor war der Antragstellerin 2019 in einem gesonderten Verfahren das Sorgerecht in Form des Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihre beiden Töchter vorläufig teilweise entzogen worden. Hiergegen wendete sie sich mit einem Eilantrag an das VG Hamburg, um im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO feststellen zu lassen, dass § 15 Abs. 1 Alt. 2 HambSARS-CoV-2-EindämmungsVO a.F. ihr nicht verbiete, ihre im Kinderschutzhaus untergebrachten Kinder zu besuchen.

Das VG Hamburg gab dem Eilantrag statt und stellte fest, dass ein ausnahmsloses Kontaktverbot durch die Corona-Verordnung Eltern in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletze. Eltern haben das Recht auf Umgang mit ihren Kindern und auch darauf, sich persönlich vom Wohlergehen ihrer Kinder in Kinderschutzeinrichtungen zu überzeugen. Zudem sahen die Richter*innen einen vollständigen Kontaktabbruch als nicht verhältnismäßig an. Zumindest müsse eine Differenzierung nach Alter der Kinder, früherer Häufigkeit der Umgangskontakte und Qualität der Umgangskontakte oder sonstigen Aspekten ermöglicht werden. Das VG bemängelte insbesondere, dass die Hamburger Corona-Verordnung i.d.F. vom 9.4.2020 für Kinder in öffentlichen Unterbringungen keine Ausnahmeregelungen für Einzelfälle zuließ, wohingegen für Besuchskontakte in Krankenhäusern bereits Ausnahmeregelungen nach § 14 Abs. 3 HbSARS-CoV-2-EindämmungsVO a.F. bestanden.

III. Analyse und Kritik der einzelnen Argumente
Die Richter*innen des VG Hamburg sahen die Elterngrundrechte der Antragstellerin aus Art. 6 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

Durch Art. 6 Abs. 2 und 3 GG wird der Freiheitsraum der elterlichen Betätigung im Verhältnis zum Staat abgegrenzt: „Die Normen garantieren den Vorrang der Eltern, ihre Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder, bestellen aber zugleich die staatliche Gemeinschaft zum Wächter. Das so umgrenzte Elternrecht ist ein Grundrecht im klassischen Sinn, das den Eltern ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe gewährt, soweit diese nicht durch ...
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.07.2020 11:10
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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