Otto Schmidt Verlag

BFH v. 19.2.2020 - III R 66/18

§ 66 Abs. 3 EStG ist als Regelung des Festsetzungsverfahrens anzusehen

Die Ausschlussfrist nach (§ 66 Abs. 3 EStG ist bereits bei der Festsetzung des Kindergeldes im Kindergeldbescheid zu berücksichtigen und nicht erst bei der nachfolgenden Auszahlung des festgesetzten Kindergeldes. Setzt die Familienkasse das Kindergeld dagegen über den Sechsmonatszeitraum hinaus fest, muss sie es auch vollständig auszahlen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Vater einer im Februar 1997 geborenen Tochter. In einem bereits 2015 gestellten Antrag hatte er angegeben, dass seine Tochter ab September 2015 eine Ausbildung zur Erzieherin aufnehmen wolle. Die Familienkasse setzte daraufhin zunächst Kindergeld fest, hob die Kindergeldfestsetzung aber im Juli 2015 mangels Vorlage eines Ausbildungsnachweises wieder auf.

Mit seinem dann erst im April 2018 bei der Familienkasse eingegangenen Antrag begehrte der Kläger erneut Kindergeld für den Zeitraum ab August 2015. Die Familienkasse setzte in einem Bescheid vom April 2018 laufendes Kindergeld ab dem Monat August 2015 fest. Die Nachzahlung von Kindergeld beschränkte sie jedoch auf den Zeitraum von Oktober 2017 bis April 2018.

Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt und erkannte einen Nachzahlungsanspruch auch für die Monate August 2015 bis September 2017 an. Die Revision der Familienkasse blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger das Kindergeld für die Monate August 2015 bis September 2017 auszuzahlen ist.

Nach einer durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz mit Wirkung ab 1.1.2018 in das Kindergeldrecht eingefügten Ausschlussfrist (§ 66 Abs. 3 EStG) wird das Kindergeld rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Regelung ist nur auf Anträge anzuwenden, die nach dem 31.12.2017 eingehen.

Die Vorschrift über die Ausschlussfrist ist bereits bei der Festsetzung des Kindergeldes zu berücksichtigen. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der Gesetzgeber die Ausschlussfrist im Zusammenhang mit anderen Bestimmungen geregelt hat, die ebenfalls die Festsetzung des Kindergeldes betreffen. Zudem wird der Zweck der Norm, den Anspruchsteller zu einer zeitnahen Stellung seines Kindergeldantrags zu bewegen und der Familienkasse dadurch die notwendige Aufklärung des Sachverhalts zu ermöglichen, auch erreicht, wenn bereits die rückwirkende Festsetzung des Kindergeldes auf den Sechsmonatszeitraum beschränkt wird.

Da die Familienkasse im vorliegenden Fall das Kindergeld über den Sechsmonatszeitraum hinaus rückwirkend festgesetzt hatte, war sie verpflichtet, das Kindergeld in diesem Umfang an den Kläger auszuzahlen. Da keine Auszahlungshindernisse vorlagen, hat das FG dementsprechend den Abrechnungsbescheid zu Recht an diese Festsetzung angepasst.

Durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.7.2019 wurde die bisherige Regelung über die Ausschlussfrist aufgehoben. Dafür wurde eine neue Regelung über eine Ausschlussfrist mit etwas verändertem Wortlaut in § 70 Abs. 1 EStG eingefügt.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.07.2020 08:18
Quelle: BFH PM Nr. 31 vom 30.7.2020

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