Otto Schmidt Verlag

Aktuelle BGH-Rechtsprechung in Leitsätzen

Hier finden Sie die neuesten Entscheidungen aus der Rubrik "Aktuell" des anstehenden FamRB-Heftes, bevor sie von erfahrenen Praktikern für Sie in den folgenden Heften aufbereitet, mit Beraterhinweisen versehen und die Konsequenzen für Ihre Praxis aufgezeigt werden.


BGH, Beschl. v. 8.7.2020 – XII ZB 334/19
Wert des Beschwerdegegenstands für Beschwerde gegen zur Auskunftserteilung und Belegvorlage verpflichtenden Beschluss im Zugewinnausgleichsverfahren
Dass die zur Vollstreckungsfähigkeit der Entscheidung erforderliche Benennung der Auskunftszeitpunkte in der Beschlussformel oder in den Entscheidungsgründen im Gegensatz zu einer isolierten Feststellung des Trennungszeitpunkts nicht zu einer Erhöhung der Beschwer führt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des XII. Senats. (Rz. 8)


BGH, Beschl. v. 1.7.2020 – XII ZB 505/19
Wert des Beschwerdegegenstands für Beschwerde gegen zur Auskunftserteilung und Vorlage von Belegen verpflichtenden Beschluss
Die Beschwer des zur Auskunft Verpflichteten bemisst sich grundsätzlich nur nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, zumal die Verpflichtung zur Auskunftserteilung für den Grund des Hauptanspruchs keine Rechtskraft schafft. Das daneben auch bestehende Ziel des zur Auskunft Verpflichteten, den Hauptanspruch zu verhindern, geht dagegen über das Ziel des Rechtsmittels hinaus und ist daher bei der Wertfestsetzung nicht zu berücksichtigen. Unter Anwendung dieser Grundsätze führen die Ausführungen des Amtsgerichts über die Anwendbarkeit deutschen Rechts in den Entscheidungsgründen nicht zu einer Erhöhung der Beschwer. (Rz. 10 f.)


BGH, Beschl. v. 17.6.2020 – XII ZB 574/19
Beschwerdebefugnis der Angehörigen im Betreuungsverfahren
a) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht den Angehörigen nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG im Interesse des Betroffenen nur dann zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind (im Anschluss an BGH v. 16.1.2019 – XII ZB 489/18, FamRZ 2019, 618).
b) Allein aus der Nennung eines Angehörigen im Rubrum einer betreuungsgerichtlichen Entscheidung lässt sich nicht auf dessen (konkludente) Hinzuziehung zum erstinstanzlichen Verfahren schließen (im Anschluss an BGH v. 27.3.2019 – XII ZB 417/18, FamRZ 2019, 1091).


BGH, Beschl. v. 17.6.2020 – XII ZB 350/18
Höhe der Betreuervergütung; Beschwerdebefugnis des Vereinsbetreuers
Ein Vereinsbetreuer ist durch die Festsetzung der Betreuervergütung nicht beschwert und damit selbst nicht beschwerdeberechtigt. Entsprechend fehlt es auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren an einer materiellen Beschwer (Fortführung BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 299/15, FamRZ 2017, 758 = FamRB 2017, 348).
b) Die tatrichterliche Feststellung, dass ein 1987 in der damaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien als „Diplomierter Jurist“ abgeschlossenes Hochschulstudium keine besonderen, für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse vermittelt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (im Anschluss an BGH v. 29.1.2020 – XII ZB 530/19, FamRZ 2020, 787).
c) Die tatrichterliche Feststellung, dass eine Ausbildung zum Speditionskaufmann keine besonderen, für eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen „Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Wohnungsangelegenheiten, Geltendmachung von Ansprüchen auf Hilfe zum Lebensunterhalt, Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterhalt sowie Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten“ nutzbaren Kenntnisse vermittelt, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (im Anschluss an BGH v. 29.1.2020 – XII ZB 530/19, FamRZ 2020, 787).


BGH, Beschl. v. 10.6.2020 – XII ZB 451/19
Ermittlungspflichten des Standesamts zum Vorliegen einer Variante der Geschlechtsentwicklung i.S.d. § 45b PStG
a) Die von § 45b PStG vorausgesetzte Variante der Geschlechtsentwicklung ist nur dann gegeben, wenn die Bestimmung des Geschlechts als weiblich oder männlich anhand angeborener körperlicher Merkmale nicht eindeutig möglich ist. Auf Personen mit körperlich eindeutig weiblichem oder eindeutig männlichem Geschlecht ist die Bestimmung daher nicht anzuwenden (im Anschluss an BGH v. 22.4.2020 – XII ZB 383/19, NZFam 2020, 519 = FamRB 2020, 329, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
b) Die von § 45b Abs. 3 Satz 1 PStG zum Nachweis des Vorliegens einer Variante der Geschlechtsentwicklung vorgesehene Bescheinigung muss von einem approbierten, also mit staatlicher Zulassung tätigen Arzt ausgestellt sein, ohne dass dieser einer bestimmten Fachrichtung angehören oder über bestimmte berufliche Erfahrungen verfügen müsste, und hat im Übrigen keine besonderen inhaltlichen Anforderungen zu erfüllen.
c) Bei Vorliegen einer diesen Vorgaben genügenden ärztlichen Bescheinigung ist dem Standesbeamten nicht jede weitere Prüfung versagt; er hat vielmehr eigene Ermittlungen i.S.d. § 9 Abs. 1 PStG anzustellen, wenn die Bescheinigung wegen besonderer Umstände oder anderweitiger Erkenntnisse des Standesbeamten nicht die vom Gesetzgeber typisierend angenommene, für die erforderliche Sachverhaltsermittlung ausreichende Nachweiswirkung entfaltet.


BGH, Beschl. v. 10.6.2020 – XII ZB 25/20
Betreuerbestellung für alle Angelegenheiten
Die Bestellung eines Betreuers für alle Angelegenheiten setzt voraus, dass der Betroffene aufgrund seiner Erkrankung oder Behinderung keine seiner Angelegenheiten selbst besorgen kann. Zudem muss in all diesen Angelegenheiten, die die gegenwärtige Lebenssituation des Betroffenen bestimmen, ein Handlungsbedarf bestehen. Beides muss durch konkret festgestellte Tatsachen näher belegt werden (im Anschluss an BGH v. 13.5.2020 – XII ZB 61/20).


BGH, Beschl. v. 10.6.2020 – XII ZB 355/19
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nicht-Hinzuziehung eines Angehörigen im Betreuungsverfahren
a) Die allgemeine Hinzuziehung eines Dritten zu einem Betreuungsverfahren als Bestandsverfahren ist nicht zulässig (Fortführung von BGH v. 25.4.2018 – XII ZB 282/17, FamRZ 2018, 1251).
b) Nach Beendigung des (Einzel-)Verfahrens, auf das sich der Hinzuziehungsantrag eines Angehörigen des Betroffenen bezieht, ist eine Beteiligung gegenstandslos. Das durch den Antrag auf Hinzuziehung eingeleitete Zwischenverfahren hat sich dann erledigt.
c) Für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nicht-Hinzuziehung fehlt dem Angehörigen die Antragsbefugnis.


BGH, Beschl. v. 27.5.2020 – XII ZB 54/18
Anerkennung einer ausländischen Erwachsenenadoption
a) Über die Anerkennungsfähigkeit einer Volljährigenadoption, die durch ein ausländisches Gericht oder eine ausländische Behörde ausgesprochen worden ist, wird im Verfahren nach § 108 Abs. 2 Satz 1 FamFG entschieden; auf dieses Verfahren finden die speziellen Vorschriften zum Adoptionsverfahren nach den §§ 186 ff. FamFG keine Anwendung.
b) Die Entscheidung des Amtsgerichts, eine ausländische Erwachsenenadoption anzuerkennen, ist aus diesem Grunde nicht gemäß § 197 Abs. 3 FamFG unanfechtbar, sondern unterliegt nach den allgemeinen Regeln der Beschwerde gemäß § 58 FamFG.
c) Jedenfalls dann, wenn die Kinder des Annehmenden im ausländischen Adoptionsverfahren weder beteiligt noch angehört wurden, sind sie im Anerkennungsverfahren als Beteiligte gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG hinzuzuziehen und zur Beschwerde gegen die positive Anerkennungsentscheidung berechtigt.
d) Der Umstand, dass die Kinder des Annehmenden im ausländischen Adoptionsverfahren nicht beteiligt oder angehört worden sind, führt nicht dazu, dass der ausländischen Adoptionsentscheidung nach § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG die Anerkennung zu versagen wäre. Denn die Kinder des Annehmenden sind in einem inländischen Adoptionsverfahren ungeachtet ihrer unmittelbaren Rechtsbetroffenheit nicht Beteiligte, sondern ihre Verfahrensrechte sind kraft spezialgesetzlicher Regelung (§§ 188, 193 FamFG) auf ein Anhörungsrecht beschränkt.
e) Zum materiellen und verfahrensrechtlichen ordre public (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG) bei der Anerkennung ausländischer Volljährigenadoptionen.

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.08.2020 11:21
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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