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Aktuell im FamRB

Unterschiedlicher Kindeswohlmaßstab in Hinsicht auf die Änderung des Geburtsnamens in familiengerichtlichen Verfahren das NÄG betreffend (Erbarth, FamRB 2020, 369)

In jüngerer Zeit hat der BGH für familiengerichtliche, auf Änderung des Geburtsnamens eines Kindes nach dem NamensänderungsG (NÄG) gerichtete Verfahren den jeweils anzulegenden Kindeswohlmaßstab präzisiert, dabei aber für die familiengerichtliche Praxis sowohl schwierig umzusetzende Differenzierungen vorgenommen als auch die Prüfung zweier unterschiedlicher Kindeswohlmaßstäbe in derselben Sache gefordert. Hierdurch hat der Senat den Kindeswohlmaßstab des § 1628 Satz 1 BGB contra legem qualitativ verändert. Erschwerend hinzukommen das Ineinandergreifen familienrechtlicher Vorschriften mit denjenigen des NÄG, das Zugrundelegen der Rechtsprechung des BGH durch das BVerwG sowie der Umstand, dass die Oberlandesgerichte in nicht geringer Anzahl gerade dieser Rechtsprechung des BGH zunehmend mit überzeugenden Argumenten die Gefolgschaft versagen. Der Beitrag arbeitet die bestehenden Divergenzen heraus und zeigt solche vermeidende, gesetzesnähere, die Praxis zugleich vereinfachende Lösungen auf.

I. Einleitung

II. Antrag eines Elternteils gem. § 1628 Satz 1 BGB auf Übertragung der Antragsbefugnis nach § 1, 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, § 3 Abs. 1 NÄG

1. Fallkonstellationen

2. Kindeswohlmaßstab bei § 1628 Satz 1 BGB

a) § 1697a BGB: Übertragung muss dem Kindeswohl am besten entsprechen

b) Kindeswohlmaßstab

aa) Kindeswohl

bb) Entscheidung muss dem Kindeswohl am besten entsprechen

3. Entscheidung des BGH vom 9.11.2016

a) Kindeswohlmaßstab und Prüfungsumfang; Folgen für die Praxis

b) Kindeswohlmaßstab: Einbenennung bzw. Namensänderung muss zum Wohl des Kindes erforderlich sein

aa) Entwicklung der Rechtsprechung

bb) Bedeutung des Maßstabs der Kindeswohlerforderlichkeit

cc) Ergebnis

4. Konsequenzen

a) Kindeswohlmaßstab

b) Kritische Bewertung der Entscheidung des BGH vom 9.11.2016

III. Antrag eines Pflegers oder Vormunds nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 NÄG auf Genehmigung der Antragstellung nach §§ 1, 3 Abs. 1 NÄG

1. Fallkonstellation

2. Kindeswohlmaßstab bei § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 NÄG

a) Norm entbehrt eines Kindeswohlmaßstabs

b) Anwendbarkeit des § 1697a BGB

3. Entscheidung des BGH vom 8.1.2020

4. Konsequenzen

a) Kindeswohlmaßstab und Prüfungsumfang bei Genehmigung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 NÄG

aa) Kindeswohlmaßstab

bb) Prüfungsumfang

b) Exkurs: Kindeswohlmaßstab bei § 3 Abs. 1 NÄG


I. Einleitung
§§ 1616–1618 BGB regeln in teils sehr detaillierter Weise nicht nur die Frage, welchen Geburtsnamen ein Kind erhält, sondern ebenfalls, unter welchen Voraussetzungen dieser sich zivilrechtlich ändert oder geändert werden kann. Die Regelungen versuchen einerseits eine gewisse Namenseinheit der Familie, andererseits aber auch Namenskontinuität zu erreichen und den verschiedenen Funktionen des Namens sowohl als Abstammungskennzeichen als auch als Zeichen familiärer Zugehörigkeit und als Personenidentifikation Rechnung zu tragen.[1] Ein kohärentes System lässt der nach mehreren Reformen vorhandene, aktuelle Normenkomplex nicht erkennen. Dies ist angesichts der unterschiedlichen Funktionen des Namensrechts und der teilweise disparaten Prinzipien nicht mehr verwunderlich. Eine Expertengruppe hat Vorschläge für eine Novellierung des Namensrechts unterbreitet.

Allerdings ist der nach § 1616 BGB erworbene Geburtsname des Kindes vergleichsweise änderungsresistent. Neben dem späteren Erwerb eines gemeinsamen Ehenamens der Eltern (§§ 1617, 1617a oder 1617b BGB) und der späteren Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge (§ 1617b BGB) ist eine Änderung nach § 1617c BGB vor allem in den seltenen Fällen der gemeinsamen Änderung des Ehenamens der Eltern möglich, soll doch der Geburtsname die Abstammung des Kindes von den Eltern offenlegen. Darüber hinaus kommt eine Änderung des Kindesnamens nur durch Einbenennung nach § 1618 BGB in Betracht. Der von der familienrechtlichen Änderung des Geburtsnamens eines Kindes streng zu trennenden öffentlich-rechtlichen Namensänderung nach dem NÄG kommt so große Bedeutung zu.

Hierbei sind die Familiengerichte in zwei unterschiedlichen Fallgruppen mit dem NÄG befasst: Einmal kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge gem. § 1628 Satz 1 BGB einem Elternteil die Befugnis übertragen werden, einen Antrag nach § 1, 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, § 3 Abs. 1 NÄG auf Änderung des Geburtsnamens zu stellen. Außerdem bedarf ein Vormund oder Pfleger nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 NÄG der familiengerichtlichen Genehmigung für einen Antrag nach § 1, 2 Abs. 1 Satz Halbs. 1, § 3 Abs. 1 NÄG. Aktuelle Entscheidungen des BGH vom 9.11.2016[5] sowie vom 8.1.2020[6] mit grundsätzlicher Bedeutung sind in beiden Fallgruppen ergangen.

II. Antrag eines Elternteils gem. § 1628 Satz 1 BGB auf Übertragung der Antragsbefugnis nach § 1, 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, § 3 Abs. 1 NÄG
1. Fallkonstellationen

Das Namensrecht des BGB bietet für die in der Praxis häufigen namensrechtlichen Probleme sog. Scheidungshalbwaisen sowie sog. Rückbenennungen bei fehlendem Einvernehmen der Eltern keine Lösung für eine Namensänderung. Die Fallgruppe der Scheidungshalbwaisen umfasst Kinder verheirateter Eltern mit gemeinsamem Familiennamen, die nach der Scheidung der Eltern beim nicht namensgebenden Elternteil aufwachsen, der seinerseits wieder zu seinem vorehelich geführten Namen zurückkehrt. Die Fallgruppe der Rückbenennungen betrifft Fälle, in denen das Kind durch Einbenennung nach § 1618 BGB den Namen eines Stiefelternteils erhalten hat, nun aber nach Auflösung der Stiefelternehe noch während seiner Minderjährigkeit zum Namen des rechtlichen Elternteils zurückkehren möchte. Scheidet nun ein Antrag nach § 1628 Satz 1 BGB bei Rückbenennungen in der denkbaren Fallkonstellation aus (erstmalige Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach vorausgegangener Einbenennung und Uneinigkeit über die Neubestimmung des Geburtsnamens des Kindes); schließlich können die Eltern den Namen nur gemeinsam neu bestimmen. Sie müssen sich hierzu einigen. Insofern gilt nichts anderes als bei der Bestimmung des Namens nach § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wird der Name nicht innerhalb der Frist von drei Monaten einvernehmlich bestimmt, bleibt es ...
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.09.2020 12:11

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