Otto Schmidt Verlag

BFH v. 27.7.2020 - II B 39/20 (AdV)

Freibeträge bei der Schenkungsteuer: Urenkel sind keine Enkel

Urenkeln steht jedenfalls dann lediglich der Freibetrag i.H.v. 100.000 € nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu, wenn Eltern und Großeltern noch nicht vorverstorben sind.

Der Sachverhalt:
Im Juli 2018 übertrug die Urgroßmutter der Antragsteller diesen jeweils einen Miteigentumsanteil an einem Mietwohngrundstück. Ihrer Tochter (Großmutter der Antragsteller) bestellte sie hieran einen Nießbrauch auf Lebenszeit. Das Finanzamt setzte gegenüber den Antragstellern jeweils Schenkungsteuer fest. Dabei berücksichtigte es einen Freibetrag i.H.v. 100.000 € nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (für Abkömmlinge der Kinder).

Die Einsprüche, mit denen die Antragsteller den Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG (für Kinder der Kinder) i.H.v. jeweils 200.000 € und die Festsetzung der Schenkungsteuer auf 0 € begehrten, wies das Finanzamt zurück. Dagegen erhoben die Antragsteller Klage, über die das FG noch nicht entschieden hat. Die Antragsteller stellten ferner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, den sowohl das Finanzamt als auch das FG abgelehnt haben.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Beschwerde der Antragsteller hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, dass für den Erwerb eines Urenkels jedenfalls dann lediglich ein Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG i.H.v. 100.000 € steuerfrei bleibt, wenn Angehörige der dazwischenliegenden Generationen noch am Leben sind.

Nach § 16 Abs. 1 ErbStG bleibt steuerfrei in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht der Erwerb der Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 i.H.v. 400.000 € (Nr. 2), der Erwerb der Kinder der Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 i.H.v. 200.000 € (Nr. 3) sowie der übrigen Personen der Steuerklasse I i.H.v. 100.000 € (Nr. 4). Nach § 15 Abs. 1 ErbStG gilt die Steuerklasse I u.a. für "die Kinder und Stiefkinder" (Nr. 2) sowie für "die Abkömmlinge der in Nummer 2 genannten Kinder und Stiefkinder" (Nr. 3).

Nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes meint der Begriff "Kinder" in § 16 Abs. 1 ErbStG eindeutig nicht Kindeskinder oder weitere Abkömmlinge, sondern Kinder. Das gilt im Falle des § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch für die doppelte Verwendung des Wortes "Kinder", so dass "Kinder der Kinder" ausschließlich die Enkel, nicht die Urenkel sind.

Das ErbStG differenziert die steuerliche Belastung zum einen über Steuerklassen, zum anderen über Freibeträge. Abkömmlinge in gerader Linie gehören zwar unterschiedslos zu der günstigsten Steuerklasse I, genießen aber gestaffelte Freibeträge. Kinder (und Stiefkinder) erhalten einen Freibetrag von 400.000 €. Dasselbe gilt für Kinder bereits verstorbener Kinder. Sonst bekommen Kinder der Kinder einen Freibetrag von 200.000 €, die übrigen Personen der Steuerklasse I einen Freibetrag von 100.000 €. Zu diesen übrigen Personen gehören folglich die entfernteren Abkömmlinge.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.10.2020 14:09
Quelle: BFH PM Nr. 43 vom 22.10.2020

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