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Die Anerkennung ausländischer Ehescheidungen nach §§ 107 ff. FamFG (Finger, FamRB 2020, 456)

Der Beitrag befasst sich mit der Anerkennung ausländischer Ehescheidungen in Deutschland und deren Voraussetzungen, wobei der Schwerpunkt der Darstellung auf den Anerkennungshindernissen, dem Verfahrensablauf im Detail und den Rechtswirkungen der Anerkennung liegt, insb. auf deren Folgen im Hinblick auf Unterhaltsansprüche und den Versorgungsausgleich.

I. Einleitung

1. Eheschließung

2. Ehescheidung pp., §§ 107 ff. FamFG; Rang- und Vorrangverhältnisse

II. §§ 107 ff. FamFG im Einzelnen

1. Sachlicher Anwendungsbereich

2. Räumlicher/persönlicher Anwendungsbereich

a) Eheleute

b) Lebenspartner

c) Entscheidung

d) Inländische Privatscheidungen

e) Ausländische Privatscheidungen

f) Abweisende Entscheidungen

g) Rechtskraft

III. Anerkennungshindernisse, im wesentlichen § 109 FamFG

1. Allgemeines

2. Gerichtsbarkeit

3. Internat. Zuständigkeit, § 109 Nr. 1 FamFG

4. Verletzung rechtl. Gehörs im Ausgangsverfahren, § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG

5. § 109 Abs. 1 Nr. 3 FamFG

6. § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG (dt. ordre public)

7. § 109 Abs. 1 Nr. 5 FamFG

IV. Verfahrensgang; Verfahrensablauf

V. Rechtswirkung der Anerkennung; weitere Folgen

VI. Fazit


I. Einleitung

1. Eheschließung

Heiraten die Beteiligten im Ausland, beurteilen wir die dabei notwendige Form nach Art. 11 EGBGB, Ortsform oder Geschäftsform. Sachlich/inhaltlich wird Art. 13 Abs. 1 EGBGB Grundlage, wobei für jeden Verlobten das Recht des Staates entscheidet, dem er angehört. Fehlt ein Merkmal, ist dt. Recht heranzuziehen, wenn ein Teil Deutscher ist oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, Abs. 2 Nr. 1, „beide alle zumutbaren Schritte unternommen haben, (den Mangel) zu beheben“, und „es mit der Eheschließungsfreiheit unvereinbar“ wäre, sie zu versagen, Nr. 3 mit weiteren Einzelheiten und Bezügen zu Art. 6 GG. Dabei müssen Nr. 1 bis 3 kumulativ erfüllt sein. Nur in engen Grenzen kann daneben Art. 6 EGBGB, ordre public, eingreifen, wobei den (sonst) notwendigen Inlandsbezug schon Nr. 1 herstellt. Die „wesentlichen Grundzüge“ des dt. Rechts, die zum Maßstab werden, ergeben sich weitgehend aus Nr. 2 und 3, zur Kinderehe Art. 13 Abs. 3 EGBGB mit ihren Unterschieden (Eheaufhebung oder Unwirksamkeit), je nachdem, ob einer der Verlobten das 18. oder das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, Übergangsvorschriften in Art. 229 § 44 EGBGB. Unterscheiden sich die so berufenen Rechte voneinander, setzt sich das schärfere/ärgere Recht mit seinen Anforderungen bzw. Wirkunge durch, nicht das Recht des verletzten Ehegatten. Für die Eheschließung im Inland gelten §§ 1310 ff. BGB, Art. 13 Abs. 1 Satz 1 EGBGB. Ist keiner von ihnen dt. Staatsangehöriger, kann die Trauung auch eine von der Regierung des Staates, dem einer der Verlobten angehört, ordnungsgemäß ermächtigte Person nach dem Recht dieses Staates in der vorgesehenen Form vornehmen, Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB. Fehler bei der Eheschließung können im anschließend geführten Verfahren über weitere Folgen geltend gemacht werden, also etwa – inzident – bei der Scheidung oder in einer Streitigkeit um ihr Bestehen oder Nichtbestehen, vgl. dazu § 121 Nr. 3 FamFG. Jedenfalls ist keine besondere „Anerkennung“ vorgesehen.

2. Ehescheidung pp., §§ 107 ff. FamFG; Rang- und Vorrangverhältnisse
Für Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für aufgelöst erklärt, geschieden wird oder für die die Feststellung ihres Bestehens oder Nichtbestehens erfolgt ist, gelten die besonderen Anerkennungsvoraussetzungen und die Verfahrensabläufe aus §§ 107 ff. FamFG. Vorrangig sind allerdings – mit der Folge der Unzulässigkeit eines Antrages nach den Regeln des FamFG – die Bestimmungen der VO Nr. 1247/2000 (Brüssel II) bzw. der VO Nr. 2201/2003 (Brüssel IIa), die unter den Mitgliedstaaten der EU außer Dänemark §§ 107 ff.FamFG verdrängen und auch nicht zur Wahl bereitstehen, wenn ein Ehegatte Art. 21 VO Nr. 2201/2003 (als Beispiel) für versperrt hält, etwa weil ein Anerkennungshindernis aus Art. 22 VO Nr. 2201/2003 im Wege stehen könnte. Dann muss er ein Feststellungsverfahren zur Anerkennung nach Art. 21 Abs. 3 VO Nr. 2201/2003 betreiben, für das im dt. Recht §§ 32, 10 f. IntFamRVG maßgeblich werden, Zuständigkeiten beim FamG am Wohnsitz des Ag. Sonst hat Deutschland mit einigen anderen Staaten Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen geschlossen, auch wenn sie an der europ. Gesetzgebung teilnehmen. Das dt.-iran. Niederlassungsabk. 1929 regelt ohnehin Verfahren und Verfahrensabläufe nicht, so dass insoweit kein Vorrang besteht, doch scheidet die Anerkennung einer dortigen Ehescheidung durchgängig aus anderen Gründen aus, Privatscheidung, dazu unter II. 2. e). §§ 107 ff. FamFG gelten für alle Anerkennungsverfahren, die nach dem 1.9.2009 eingeleitet worden sind, Art. 111 FGG-RG.

II. §§ 107 ff. FamFG im Einzelnen

1. Sachlicher Anwendungsbereich

§ 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG legt seinen sachlichen Anwendungsbereich selbst und abschließend fest. Erfasst sind alle Eheentscheidungen, die im Ausland ergangen sind, dazu gleich 2., zur Scheidung der Ehe und ihrer Nichtigkeit, im Aufhebungsverfahren mit oder ohne Auflösung des Ehebands und zur Feststellung, dass eine Ehe zwischen den Beteiligten besteht oder nicht besteht, vgl. § 121 Nr. 3 FamFG, früher § 632 ZPO a.F. Auch ein Decree of Dissolution of Marriage aus den USA, hier: Oklahoma, kann eine anerkennungsfähige Entscheidung über die Auflösung einer Ehe nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG sein, wenn ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.11.2020 10:35
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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