Otto Schmidt Verlag

BGH v. 28.10.2020 - XII ZB 512/19

Kinderzuschlag nach § 6 a BKGG unterhaltsrechtlich als Einkommen des Kindes zu behandeln

Der Kinderzuschlag nach § 6 a BKGG ist unterhaltsrechtlich in voller Höhe als Einkommen des Kindes zu behandeln. Eine Aufteilung in einen Barunterhalts- und einen Betreuungsunterhaltsteil findet nicht statt. Im Rahmen der Bemessung des Selbstbehalts des Kindesunterhaltspflichtigen sind die von diesem für seinen Familienverband getragenen Wohnkosten nur anteilig zu berücksichtigen.

Der Sachverhalt:
Das antragstellende Land macht als Träger der Unterhaltsvorschusskasse Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht gegen den Antragsgegner geltend. Der Antragsgegner ist der Vater des im November 2005 geborenen, aus erster Ehe hervorgegangenen Sohnes D. Der Antragsgegner hat im Jahre 2014 erneut geheiratet und mit seiner neuen, nicht erwerbstätigen Ehefrau zwei im Januar 2010 und im Februar 2015 geborene Kinder. Er ist als Lkw-Fahrer im Nahverkehr mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 45 Stunden erwerbstätig und erzielt ein jährliches Nettoeinkommen von rd. 23.000 €, in dem ein Verpflegungskostenzuschuss von rd. 1.700 € enthalten ist.

Von September 2018 bis einschließlich Februar 2019 erhielt der Antragsgegner für die beiden Kinder aus zweiter Ehe einen Kinderzuschlag (§ 6 a BKGG) von mtl. 150 € pro Kind; nach den Feststellungen des OLG beläuft sich der Kinderzuschlag seit März 2019 auf jeweils rd. 170 €. Als Monatsmiete für die Wohnung der vierköpfigen Familie hat der Antragsgegner rd. 560 € inklusive der Nebenkostenvorauszahlungen zu entrichten. Bis einschließlich November 2018 bezog er zusätzlich zu seinem Erwerbseinkommen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von mtl. rd. 40 €.

Der Antragsteller erbringt seit Juli 2018 für D. mtl. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz i.H.v. rd. 270 €. Mit Schreiben vom 10.7.2018 erfolgte gegenüber dem Antragsgegner die Rechtswahrungsanzeige mit der Aufforderung zur Auskunftserteilung. Der Antragsteller beantragte beim AG, den Antragsgegner ab Juli 2018 zur Zahlung von Kindesunterhalt für D. i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts abzgl. des vollen Kindergelds zu verpflichten. Der Antragsgegner erkannte den Anspruch i.H.v. rd. 50 € an.

Das AG verpflichtete den Antragsgegner mit Teilanerkenntnis- und Schluss-Beschluss zur Zahlung von mtl. rd. 200 € ab Juli 2018. Auf die Beschwerde des Antragsgegners setzte das OLG den Unterhalt teilweise herab, nämlich für Juli und August 2018 auf Zahlung von mtl. rd. 140 €, für September bis Dezember 2018 von mtl. rd. 190 € sowie für Januar und Februar 2019 von mtl. rd. 170 €. Für den Zeitraum ab März 2019 wies es die Beschwerde insgesamt zurück. Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Antragsgegner ist seinem Sohn D. jedenfalls im vom OLG zugesprochenen Umfang gem. § 1601 BGB zum Barunterhalt verpflichtet. Die Unterhaltsansprüche sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVG kraft Gesetzes auf den Antragsteller übergegangen.

Die Rechtsbeschwerde wendet sich insbesondere ohne Erfolg gegen die Erwägungen, die das OLG zu dem vom Antragsgegner für seine beiden Kinder aus zweiter Ehe bezogenen Kinderzuschlag angestellt hat. Die durch das OLG vorgenommene Behandlung des vom Antragsgegner für seine beiden Kinder aus zweiter Ehe bezogenen Kinderzuschlags als deren Einkommen, das im Rahmen der Unterhaltsermittlung für D. in vollem Umfang auf den für sie zu berücksichtigenden Kindesunterhaltsanspruch anzurechnen ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die unterhaltsrechtliche Einordnung des Kinderzuschlags ist streitig. Teilweise wird vertreten, es handele sich beim Kinderzuschlag um Einkommen der Eltern, auf die er hälftig zu verteilen sei, bzw. um Einkommen desjenigen Elternteils, an den der Kinderzuschlag gezahlt wird. Eine andere Meinung will den Kinderzuschlag unterhaltsrechtlich zwar als Einkommen des Kindes behandeln, aber jedenfalls dann, wenn die unterhaltspflichtigen Eltern getrennt leben, wie beim Kindergeld eine Aufteilung in einen Barunterhalts- und einen Betreuungsunterhaltsteil vornehmen, wobei im Falle des Nichterreichens des Mindestunterhalts eine Anrechnung unterbleiben soll. Nach überwiegender Auffassung ist der Kinderzuschlag hingegen unterhaltsrechtlich Einkommen des Kindes, das im gesamten Umfang seiner Zahlung einem Unterhaltsanspruch entgegensteht. Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend. Allerdings steht der Anspruch auf Kinderzuschlag nur demjenigen Kindergeldberechtigten zu, in dessen Haushalt das Kind lebt. Ein dem Kindergeld vergleichbarer Ausgleich zwischen den Eltern ist vom Gesetz nicht angeordnet, weil der Kinderzuschlag weder Kindergeld i.S.d. § 1612 b BGB ist noch eine der von § 1612 c BGB erfassten kindbezogenen, den Anspruch auf Kindergeld ausschließenden Leistungen.

Für die teilweise geforderte Aufteilung des Kinderzuschlags in einen Barunterhalts- und einen Betreuungsunterhaltsteil besteht keine rechtliche Grundlage. Beim Kindergeld beruht die nur hälftige Anrechnung auf den Barbedarf des minderjährigen Kindes, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB), auf der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung in § 1612 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, mit der keine Regelung für den Kinderzuschlag getroffen wird. Aber auch die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung dieser Norm auf den Kinderzuschlag liegen nicht vor. Zweifelhaft ist schon das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Jedenfalls aber ist die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit nicht gegeben. Im Übrigen sind im Rahmen der Bemessung des Selbstbehalts des Kindesunterhaltspflichtigen die von diesem für seinen Familienverband getragenen Wohnkosten nur anteilig zu berücksichtigen.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.12.2020 10:52
Quelle: BGH online

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