Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

Bestellung eines Ergänzungspflegers für Kinder im Strafverfahren gegen die beschuldigten Eltern – Neue Vorgaben des BGH (Cirullies/Cirullies, FamRB 2021, 76)

In laufenden Ermittlungs- oder Strafverfahren bedarf es nicht selten der Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Wahrnehmung bestimmter Verfahrensrechte eines minderjährigen Kindes. Das hier erforderliche Zusammenspiel von Strafprozessregeln und Familienverfahrensrecht bereitet in der Praxis Probleme, vor allem wenn es – wie etwa in den Fällen sexualisierter Gewalt gegen Kinder – um die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts in dem Strafverfahren gegen die eigenen Eltern geht. Die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO und der Verfahrensablauf waren bislang umstritten. Nun hat der BGH (BGH v. 22.4.2020 – XII ZB 477/19, FamRZ 2020, 1197 = FamRB 2020, 316) insoweit manche Zweifelsfrage geklärt und das Verfahren zur Einrichtung einer solchen Pflegschaft in bemerkenswerter Weise vereinfacht.

I. Rechtliche Voraussetzungen
II. Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts (§ 52 Abs. 2 StPO)

1. Gesetzliche Regelung
2. Entscheidungen des BGH und des BVerfG
a) Aussagebereitschaft des Kindes
b) Verstandesreife des Kindes
III. Nebenklageanschluss des Kindes
1. Gesetzliche Regelung
2. Entscheidung des OLG Bamberg
IV. Erweiterter Aufgabenkreis der Pflegschaft
1. Abgrenzung
2. Stellung eines Strafantrags
3. Entbindung von ärztlicher Schweigepflicht
V. Verfahren zur Bestellung des Ergänzungspflegers
1. Einleitung des Verfahrens
2. Zuständigkeit und Auswahl
3. Persönliche Anhörung der Beteiligten
4. Entscheidung
5. Rechtsmittel
a) Beschwerde gegen Anordnung der Pflegschaft
b) Beschwerde gegen Ablehnung der Pflegschaft
6. Beendigung der Pflegschaft
7. Vergütung
VI. Fazit


I. Rechtliche Voraussetzungen

Grundsätzlich vertreten die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern das Kind gemeinschaftlich, § 1629 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB. Wenn sie jedoch an der Besorgung bestimmter Angelegenheiten tatsächlich oder rechtlich verhindert sind, erhält das unter elterlicher Sorge stehende Kind insoweit einen Ergänzungspfleger gem. § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB.

  • Eine solche rechtliche Verhinderung bestimmt insbesondere § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO. Danach kann ein gesetzlicher Vertreter über die Ausübung des dem Vertretenen zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden, wenn er selbst oder der andere gesamtvertretungsberechtigte Elternteil Beschuldigter ist. 
  • Ähnlich können gemäß 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB die Eltern das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1795 BGB ein Vormund von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Insoweit käme hier allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB oder dessen Abs. 2 i.V.m. § 181 BGB in Betracht mit der Folge, dass auch das Vertretungsrecht des anderen Elternteils ausgeschlossen wäre.  Allerdings wird eine solche Analogie in Fällen vorliegender Art grundsätzlich abgelehnt. 
  • In anderen (und auch den meisten) Fällen kann das Familiengericht dem beschuldigten Elternteil nach § 1629 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1796 Abs. 2 BGB die Vertretung entziehen, wenn seine Interessen zu denen des Kindes in erheblichem Gegensatz stehen. Dann fällt dem nicht beschuldigten anderen Elternteil die alleinige Sorgerechtsbefugnis nach § 1680 Abs. 1 und 3 BGB zu, sofern ihm nicht wegen eines erheblichen Interessengegensatzes ebenfalls nach § 1796 Abs. 2 BGB die Vertretungsmacht zu entziehen ist.

Damit wird also unterschieden, ob die Vertretungsmacht der Sorgeberechtigten bereits von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist oder ob erst besondere gerichtliche Entziehungsakte zu der Verhinderung i.S.d. § 1909 BGB führen.

Beraterhinweis
Die geplante Neufassung des Vormundschaftsrechts  wird an alledem inhaltlich nichts ändern, jedoch neue Paragraphen und Verweisungen mit sich bringen. Die bisher zusammenhängend geregelte Problematik der §§ 1795 und 1796 BGB wird aufgespalten.  So soll § 1795 BGB sachlich unverändert nun in das Betreuungsrecht als § 1824 BGB-E gelangen, auf den u.a. im Recht der elterlichen Sorge (§ 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB-E) und im Vormundschaftsrecht (§ 1789 Abs. 2 Satz 2 BGB-E) verwiesen wird. § 1796 BGB hingegen findet sich im Vormundschaftsrecht als ...



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.02.2021 10:47
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite