Otto Schmidt Verlag

Aktuelle BGH-Rechtsprechung in Leitsätzen

Hier finden Sie die neuesten Entscheidungen aus der Rubrik "Aktuell" des anstehenden FamRB-Heftes, bevor sie von erfahrenen Praktikern für Sie in den folgenden Heften aufbereitet, mit Beraterhinweisen versehen und die Konsequenzen für Ihre Praxis aufgezeigt werden.


BGH, Beschl. v. 20.1.2021 – XII ZB 202/20
Verfahrensfehlerhafte Anhörung im Betreuungsverfahren ohne Beteiligung des Verfahrenspflegers
Erfolgt die Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (im Anschluss an BGH v. 17.4.2019 – XII ZB 570/18, FamRZ 2019, 1272).


BGH, Urt. v. 19.1.2021 – VI ZR 210/18
Schadensersatzanspruch des Kindes bei Aufsichtspflichtverletzung der sorgeberechtigten Eltern
a) Bei einer Aufsichtspflichtverletzung der Eltern kann sich ein Anspruch des Kindes gegen diese aus § 1664 Abs. 1 BGB ergeben. Daneben kann eine Körperverletzung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB auch durch Verletzung einer (familienrechtlich begründeten) Obhutspflicht begangen werden.
b) Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen zu verhindern.


BGH, Beschl. v. 13.1.2021 – XII ZB 329/20
Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrunds
a) Begehrt ein Verfahrensbeteiligter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Behauptung, ein fristgebundener Schriftsatz sei auf dem Postweg verloren gegangen, ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Antragsteller aufgrund einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post glaubhaft macht, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich seines Verfahrensbevollmächtigten eingetreten ist (im Anschluss an BGH v. 2.12.2020 – XII ZB 324/20, juris Rz. 7 m.w.N. und BGH v. 13.12.2017 – XII ZB 356/17, FamRZ 2018, 447 = FamRB 2018, 186 sowie an BGH v. 22.9.2020 – II ZB 2/20).
b) Die bloße – anwaltlich versicherte – Behauptung, der Schriftsatz sei an einem bestimmten Tag „bei der Post aufgegeben worden“, ist zur Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds bereits im Ansatz nicht geeignet; das muss einem Rechtsanwalt auch ohne gerichtlichen Hinweis bekannt sein (im Anschluss an BGH v. 22.9.2020 – II ZB 2/20 und BGH v. 16.11.2020 – II ZB 2/20).


BGH, Beschl. v. 13.1.2021 – XII ZB 386/20
Zustellung im Betreuungsverfahren
a) Auch im Betreuungsverfahren hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Verfahrensbevollmächtigten und nicht an den Betroffenen selbst zu erfolgen. Eine gleichwohl an den anwaltlich vertretenen Betroffenen vorgenommene Zustellung ist wirkungslos und setzt Fristen nicht in Lauf (im Anschluss an BGH v. 29.4.2010 – V ZB 202/09 und BGH v. 11.5.2016 – XII ZB 582/15, FamRZ 2016, 1259).
b) Haben sich für einen Beteiligten mehrere Verfahrensbevollmächtigte mit umfassender Zustellungsvollmacht bestellt, so ist für den Beginn des Laufs von verfahrensrechtlichen Fristen die zeitlich erste Zustellung an einen von ihnen ausschlaggebend (im Anschluss an BGH v. 12.3.2019 – VI ZR 277/18, NJW 2019, 2397).


BGH, Urt. v. 16.12.2020 – XII ZR 28/20
Interne Teilung gepfändeter und zur Einziehung überwiesener Versorgungsanrechte im Versorgungsausgleich
a) Gepfändete und zur Einziehung überwiesene Versorgungsanrechte können im Versorgungsausgleich durch interne Teilung ausgeglichen werden (Fortführung von BGH v. 7.8.2013 – XII ZB 673/12, FamRZ 2013, 1715 = FamRB 2013, 350).
b) Die Übertragung des Anrechts erfolgt regelmäßig mit den sich aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergebenden Beschränkungen; eine diesbezügliche Maßgabenanordnung des Familiengerichts hat deklaratorische Bedeutung.


BGH, Beschl. v. 16.12.2020 – XII ZB 410/20
Vergütung des anwaltlichen Verfahrenspflegers
a) Der in einer Betreuungssache zum Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwalt kann gemäß § 1835 Abs. 3 BGB eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (im Anschluss an BGH v. 23.7.2014 – XII ZB 111/14, FamRZ 2014, 1629 = FamRB 2014, 410).
b) Dem Aufwendungsersatzanspruch des anwaltlichen Verfahrenspflegers eines mittellosen Betreuten sind im Rahmen der Abrechnung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Wertgebühren nach § 49 RVG zugrunde zu legen (Fortführung von BGH v. 4.12.2013 – XII ZB 57/13, FamRZ 2014, 472 = FamRB 2014, 182).


BGH, Beschl. v. 16.12.2020 – XII ZB 290/20
Rechtsmittelbeschwer bei vollständiger Abweisung eines Stufenantrags
Sind Anträge ausdrücklich im Stufenverhältnis erhoben, das im Fall der Abweisung der gesamten Anträge auch in der Beschwerdeinstanz bestehen bleibt, muss das Gericht zunächst nur über die unverändert weiterverfolgten Anträge auf Auskunft und Belegvorlage entscheiden. Eine Abweisung dieser Anträge mit der Begründung, ein Rückzahlungsanspruch sei von vornherein und unabhängig vom Ergebnis der Auskunft und Belegvorlage nicht gegeben, betrifft nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels, sondern dessen Begründetheit. (Rz. 11)


BGH, Beschl. v. 16.12.2020 – XII ZB 315/20
Absehen des Beschwerdegerichts von erneuter persönlicher Anhörung des Betroffenen im Betreuungsverfahren
Durch die Einlegung der Beschwerde und insbesondere dadurch, dass die Betroffene nur noch den Hilfsantrag zur Entscheidung stellt, mit dem sie die Bestellung der ehemaligen Bevollmächtigten zu ihrer Betreuerin erstrebt, hat sich die zu beurteilende Sachlage in der Beschwerdeinstanz signifikant verändert. Denn nun bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene ihren in der Vorsorgevollmacht geäußerten Betreuerwunsch möglicherweise doch aufrechterhalten möchte. Unter diesen Umständen hat das Beschwerdegericht durch eine erneute persönliche Anhörung der Betroffenen deren wirklichen Willen zur Person des Betreuers weiter aufzuklären. (Rz. 11)


BGH, Urt. v. 15.12.2020 – VI ZR 224/20
Ausschluss der Gefährdungshaftung des mitsorgeberechtigten Vaters als Hundehalter
Durch § 1664 Abs. 1 BGB wird ein verschuldensunabhängiger Anspruch nach § 833 Satz 1 BGB ausgeschlossen (hier: Sturz des Kindes über Hundeleine bei Spaziergang im Rahmen der Umgangsausübung).
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.02.2021 10:59
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite