Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

Die Auswirkungen des Brexits auf das internationale Familienrecht (Erb-Klünemann, FamRB 2021, 168)

Seit dem 1.2.2020 ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland nicht mehr Mitgliedstaat der EU. Nach einer Übergangsphase hat zum 1.1.2021 der harte Brexit in der europäischen justiziellen Zusammenarbeit im Zivilrecht stattgefunden. Die Auswirkungen auf Familienrechtsfälle mit deutsch-britischem Bezug, bei denen schon immer einige Besonderheiten zu beachten waren, sind gerade jetzt praxisrelevant.

I. Grundlage
II. Ehesachen
1. Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
3. Anerkennung
III. Elterliche Verantwortung
1. Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
3. Anerkennung und Vollstreckbarkeit
4. Zwischenbehördliche Zusammenarbeit
IV. Rückführungsverfahren nach dem HKÜ
V. Unterhalt
1. Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
3. Anerkennung und Vollstreckung
4. Zwischenbehördliche Zusammenarbeit
VI. Güterrecht
1. Zuständigkeit
2. Anwendbares Recht
3. Anerkennung und Vollstreckung
VII. Gewaltschutz
VIII. Zustellung und Beweisausnahme
IX. Hilfestellung bei direkter justizieller Zusammenarbeit
X. Fazit


I. Grundlage
Am 29.3.2017 teilte das Vereinigte Königreich auf der Grundlage des dortigen Referendums vom 23.6.2016 dem Europäischen Rat förmlich mit, aus der Europäischen Union austreten zu wollen. Dies führte nach Art. 50 Abs. 3 EUV dazu, dass EU-Recht auf das Vereinigte Königreich ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens bzw. zwei Jahre nach der Mitteilung keine Anwendung mehr findet, es sei denn, dass eine Fristverlängerung vereinbart ist. Der Europäische Rat beschloss am 22.3.2019 im Einvernehmen mit dem Vereinigten Königreich die Verlängerung der Frist nach Art. 50 Abs. 3 EUV bis zum 22.5.2019, falls das Vereinigte Königreich das Austrittsabkommen mit der EU bis zum 29.3.2019 billigt, sonst bis zum 12.4.2019. Es stimmte dann weiteren Fristverlängerungen zu, nämlich zunächst bis zur Ratifizierung eines Austrittsabkommens, spätestens bis zum 31.10.2019 , dann bis zum 31.1.2020. Am 1.2.2020 trat das Austrittsabkommen  zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in Kraft. Das Vereinigte Königreich ist damit seit dem 1.2.2020 sog. Drittstaat. Das Austrittsabkommen sieht einen Übergangszeitraum bis zum 31.12.2020 vor, während dessen das für das Familienrecht geltende EU-Recht weiterhin Anwendung findet, Art. 67-69 Austrittsabkommen. § 1 Brexit-Übergangsgesetz als deutsches nationales Gesetz regelt ergänzend, dass das Vereinigte Königreich während des Übergangszeitraums gemäß Austrittsabkommen im deutschen Bundesrecht als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt. Das zum 1.1.2021 vorläufig in Kraft getretene Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich v. 24.12.2020 enthält keine Vereinbarungen zur justiziellen Zusammenarbeit mehr.

Da die Bestimmungen des Austrittsabkommen unbefristet gültig sind, besteht nun in den EU-Mitgliedstaaten wie im Vereinigten Königreich eine Rechtslage, bei der zeitlich genau zu differenzieren ist, wann EU-Rechtsakte nicht mehr gelten, und völkerrechtliche Vereinbarungen eingreifen und im Übrigen autonomes nationales Recht Anwendung findet. Insoweit gelten vier Grundregeln:

  • Auf Vorgänge, die vor dem 1.1.2021 abgeschlossen worden sind, bleibt das seinerzeit geltende unionsrechtliche Internationale Privatrecht anwendbar. Bestimmungen des Austrittsabkommen sind unbefristet gültig.
  • In Verfahren, die vor dem 1.1.2021 eingeleitet worden sind, gelten EU-Zuständigkeitsvorschriften weiter.
  • Die EU-Rechtslage betreffend Anerkennung und Vollstreckung gilt für Entscheidungen fort, die in Verfahren ergangen sind, die vor dem 1.1.2021 eingeleitet worden sind. Es kommt also nicht auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Anerkennung/Nichtanerkennung bzw. Vollstreckbarkeitserklärung an, sondern darauf, wann das Erkenntnisverfahren eingeleitet worden ist. „Einleitung“ ist im Interesse einheitlicher Regelungen autonom i.S.d. der Anrufung nach Art. 16 Brüssel IIa-VO, Art. 9 EuUntVO zu verstehen.  Nach EU-Recht richtet sich damit die Vollstreckung aus Titeln,
  • die erst ab dem 1.1.2021 errichtet worden sind, wenn das Verfahren vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist,
  • die vor dem 1.1.2021 errichtet worden sind und im anderen Staat noch nicht vollstreckt sind sowie
  • für die die Vollstreckbarkeit vor dem 1.1.2021 erklärt worden ist und die noch nicht vollstreckt sind.
  • Auf Rechtshilfeersuchen, die vor dem 1.1.2021 bei der zuständigen Stelle eingegangen sind, findet EU-Recht weiter Anwendung.

Im Folgenden wird für familienrechtliche Fragestellungen im Einzelnen dargestellt, welches Rechtsinstrument für deutsch-britische Fälle gilt.  Schwerpunkt des Artikels sind die Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland. Soweit es um die im Vereinigten Königreich geltende Rechtslage geht, ist auf die drei getrennten Rechtssysteme von ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.04.2021 10:56
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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