Otto Schmidt Verlag

BGH v. 17.3.2021 - XII ZB 221/19

Unterhaltsabänderung besteht in unter Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung des Unterhalts an veränderte Verhältnisse

Auch wenn für die erstmalige Bewertung eines möglichen Rechtsmissbrauchs im Rahmen der Ausübungskontrolle eines Ehevertrags nach § 242 BGB der Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe maßgeblich ist, kann sich durch die weitere Entwicklung ergeben, dass ein späteres Berufen seitens des von dem Ehevertrag begünstigten Ehegatten auf eine entsprechende Regelung i.S.v. § 242 BGB nicht mehr rechtsmissbräuchlich ist. Dies kann grundsätzlich im Rahmen einer Unterhaltsabänderung nach § 238 FamFG berücksichtigt werden. Allerdings müssen die Voraussetzungen des § 238 FamFG erfüllt sein, um eine abweichende Bewertung der Ausübungskontrolle aus der abzuändernden Entscheidung zu erreichen. Es müssen mithin Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrundeliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines Urteils zum nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab April 2014. Sie heirateten im Jahr 1978. Aus der Ehe gingen zwei in den Jahren 1982 und 1983 geborene Kinder hervor. Die Beteiligten schlossen im Februar 1981 einen notariellen Ehevertrag, mit dem sie für den Fall der Trennung oder Scheidung wechselseitig auf jegliche Unterhaltsansprüche verzichteten und die Durchführung des Versorgungsausgleichs ausschlossen. Nach ihrer Trennung im Mai 2006 schlossen sie im Juni 2006 einen weiteren notariellen Ehevertrag. In diesem erklärten sie in den Vorbemerkungen, dass die von ihnen in der notariellen Urkunde von Februar 1981 getroffenen Vereinbarungen aufrechterhalten bleiben sollten und auch gegenwärtig ihrem ausdrücklichen Willen entsprächen. Ferner vereinbarten die Beteiligten Gütertrennung, regelten den Zugewinnausgleich und nahmen eine Vermögensaufteilung vor.

Die Ehe der Beteiligten wurde mit Urteil des Amtsgerichts Oranienburg im Dezember 2009, rechtskräftig seit April 2010, geschieden. Der Antragsteller (Ehemann) wurde in der Folgesache Ehegattenunterhalt verurteilt, an die Antragsgegnerin (Ehefrau) nach Rechtskraft der Scheidung zunächst mtl. 622 € Elementarunterhalt und 157 € Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Nach einer durch das AG über einen Zeitraum von vier Jahren vorgenommenen stufenweisen Herabsetzung war der Ehemann ab Januar 2014 noch verpflichtet, einen monatlichen Ehegattenunterhalt von 102 € Elementarunterhalt sowie 26 € Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Der Versorgungsausgleich ist auf die Beschwerden der Beteiligten durch das OLG mit Beschluss dahingehend rechtskräftig geregelt worden, dass ein Teilausgleich der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften in Höhe des ehebedingten Nachteils vorzunehmen sei.

Die im März 1956 geborene Ehefrau verfügt über keine Berufsausbildung. Sie war zum Zeitpunkt der Heirat als Verwaltungsangestellte im öffentlichen Dienst in Vollzeit erwerbstätig. Nach der Geburt des 1982 geborenen Sohnes kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis. Seit 1992 war sie halbschichtig wieder im öffentlichen Dienst erwerbstätig und stockte ihre Tätigkeit im Jahr 1999 auf eine Vollzeittätigkeit auf. Nach diversen Operationen stellte sie zum Oktober 2013 einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, dem entsprochen wurde. Die Ehefrau bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Bund im hier noch streitigen Zeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die sich nach der Durchführung des Versorgungsausgleichs für den Zeitraum seit September 2016 erhöht hat. Sie bezieht weiter eine Betriebsrente wegen voller Erwerbsminderung von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Der im Jahr 1955 geborene Ehemann bezieht Einkünfte als Angestellter und begehrt eine Herabsetzung seiner Verpflichtung zur Zahlung von Ehegattenunterhalt auf "Null" für die Zeit ab August 2014, da infolge des Rentenbezugs durch die Ehefrau eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten sei. Im Rahmen einer Abänderung seien aufgrund des neuen Unterhaltstatbestands auch die Wirksamkeit der Eheverträge und deren Anwendbarkeit auf den nachehelichen Unterhalt neu zu überprüfen.

Das AG wies den Abänderungsantrag des Ehemanns zurück. Auf den Widerantrag der Ehefrau, mit dem sie für die Zeit ab April 2014 aufgrund ihrer Erwerbsunfähigkeit erhöhte Unterhaltszahlungen begehrt, änderte es das Urteil des AG dahin ab, dass es den Ehemann verpflichtet hat, an die Ehefrau für den Zeitraum von April 2014 bis Juni 2015 einen mtl. Ehegattenunterhalt i.H.v. 524 € und für den Zeitraum von Juli 2015 bis August 2016 einen mtl. Ehegattenunterhalt i.H.v. 421 € jeweils als Elementarunterhalt nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wies es den Widerantrag zurück. Das KG änderte auf die Beschwerde des Antragstellers und unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin die Entscheidung des AG teilweise dahin ab, dass es den Ehemann zur Zahlung eines mtl. Unterhalts für den Zeitraum von April 2014 bis Juni 2014 i.H.v. 213 € zzgl. 26 € Altersvorsorgeunterhalt, von Juli 2014 bis Juni 2015 von 217 € zzgl. 26 € Altersvorsorgeunterhalt für den Monat Juli 2014, von Juli 2015 bis Juni 2016 von 221 € und von Juli 2016 bis August 2016 von 230 € nebst Zinsen verpflichtet hat. Ferner stellte das KG fest, dass der Ehemann ab September 2016 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet.

Auf die Rechtsbeschwerde des Ehemanns, mit der er für die Zeit von April bis Juli 2014 die vollständige Abweisung des Widerantrags und bereits für die Zeit ab August 2014 den vollständigen Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung erreichen will, hob der BGH den Beschluss des KG auf, und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Zu Unrecht hat sich das KG mit Blick auf die abzuändernde Entscheidung des AG an einer erneuten Ausübungskontrolle hinsichtlich des Ehevertrags von Februar 1981 gem. § 242 BGB gehindert gesehen.

Nach § 238 Abs. 1 FamFG kann jeder Teil die Abänderung einer in der Hauptsache ergangenen Endentscheidung des Gerichts beantragen, die eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthält. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrundeliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt. Gem. § 238 Abs. 2 FamFG kann der Antrag nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war. Ist das Abänderungsverfahren eröffnet, so ermöglicht es weder eine freie, von der bisherigen Höhe unabhängige Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits in der Erstentscheidung eine Bewertung erfahren haben. Darüber hinaus bleiben im Abänderungsverfahren auch solche im Ausgangsverfahren schon entscheidungserheblichen Umstände unberücksichtigt, die seinerzeit von den Beteiligten nicht vorgetragen oder vom Gericht übersehen wurden.

Denn auch eine Korrektur von Fehlern der rechtskräftigen Entscheidung ist im Abänderungsverfahren nicht zulässig. Einer Fehlerkorrektur steht vielmehr die Rechtskraft der Vorentscheidung entgegen, deren Durchbrechung nur insoweit gerechtfertigt ist, als sich die maßgeblichen Verhältnisse nachträglich verändert haben. Die Abänderungsentscheidung besteht dementsprechend in einer unter Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung des Unterhalts an veränderte Verhältnisse (§ 238 Abs. 4 FamFG). Für das Ausmaß der Abänderung kommt es darauf an, welche Umstände für die Bemessung der Unterhaltsrente seinerzeit maßgebend waren und welches Gewicht ihnen dabei zugekommen ist. Auf dieser durch Auslegung zu ermittelnden Grundlage hat der Richter im Abänderungsverfahren unter Berücksichtigung der neuen Verhältnisse festzustellen, welche Veränderungen in diesen Umständen eingetreten sind und welche Auswirkungen sich daraus für die Höhe des Unterhalts ergeben.

Soweit sich das KG indes auch an die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB des Ehevertrags von Februar 1981 gebunden gesehen hat, hat es verkannt, dass diese einer Neubewertung im Rahmen der Abänderung nach § 238 FamFG zugänglich ist. Mit der Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbrauchskontrolle (§ 242 BGB) sollen allein ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Auch wenn für die erstmalige Bewertung eines möglichen Rechtsmissbrauchs im Rahmen der Ausübungskontrolle eines Ehevertrags nach § 242 BGB der Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe maßgeblich ist, kann sich durch die weitere Entwicklung ergeben, dass ein späteres Berufen seitens des von dem Ehevertrag begünstigten Ehegatten auf eine entsprechende Regelung i.S.v. § 242 BGB nicht mehr rechtsmissbräuchlich ist. Gleiches gilt bei der Anwendung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage, wenn sich die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die Ehegatten von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrundeliegenden Lebensplanung grundlegend unterscheidet.

Gründe hierfür können beispielsweise - wie im Falle des § 1578 b BGB - die Dauer der erbrachten Unterhaltszahlungen sein, dass der vom Vertrag benachteiligte Ehegatte auf den Unterhalt wegen anderweitiger Vermögenszuwendungen nicht mehr angewiesen ist und dass der verbleibende Unterhaltsbetrag als vergleichsweise gering erscheint. Ferner können auch andere Umstände in die Abwägung mit einbezogen werden, wie etwa eine neue Partnerschaft des Unterhaltsberechtigten oder auch die nicht zweckentsprechende Verwendung des Altersvorsorgeunterhalts. Ebenso kann Anlass für eine Neubewertung im Rahmen der Ausübungskontrolle sein, dass sich der Unterhaltsberechtigte - wie hier - nunmehr auf einen anderen Unterhaltstatbestand beruft. Allerdings müssen die Voraussetzungen des § 238 FamFG erfüllt sein, um die Ausübungskontrolle nach § 242 BGB bzw. eine entsprechende Vertragsanpassung nach § 313 BGB nunmehr anders zu beurteilen, als dies in der abzuändernden Entscheidung mit Bewilligung eines Unterhalts in Höhe der ehebedingten Nachteile geschehen ist. Das heißt, es müssen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrundeliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.06.2021 15:21
Quelle: BGH online

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