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Miteigentum und Wohnwertvorteil - die Büchse der Pandora des Ehegattenunterhalts (Mast/Kogel, FamRB 2021, 299)
In der gerichtlichen Praxis wird nach einjähriger Trennung der Wohnwertvorteil durchweg mit dem üblichen Mietwert und dann brutto = netto angesetzt. Mittlerweile regen sich in der Literatur die kritischen Stimmen, die die latenten Steuern bei einer fiktiven Vermietung berücksichtigen wollen. Der Beitrag befasst sich mit dieser Judikatur und diesen Bedenken und stellt einen eigenen Lösungsweg vor.
I. Einleitung
1. Grundsatz: Wohnwertvorteil im Trennungsjahr
2. Grundsatz: Wohnwertvorteil nach Ablauf des Trennungsjahrs
3. Grundsatz: Berücksichtigung von Zins- und Tilgungsleistungen
II. Die Gegenmeinung in der Literatur
1. Die Ansicht von Viefhues und Hauß: Versteuerung des Wohnwertvorteils
2. Allgemeine Auswirkungen auf die Unterhaltsberechnung
3. Berechnungsunterschiede mit Fallbeispielen
III. Kritik an den bisherigen Lösungsvorschlägen
a) Berechnungschaos
b) Gleiche Bewertung
c) Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz
d) Verzögerung der Vermögensauseinandersetzung
e) Der Gesichtspunkt der Obliegenheitsverletzung
IV. Eigener Lösungsvorschlag
1. Außerachtlassung des Mietwerts bei der Unterhaltsberechnung
2. Auswirkungen mit Beispielsfällen
3. Nach- und Vorteile des diesseitigen Vorschlags
V. Fazit
I. Einleitung
Nach Auffassung des BGH rechtfertigt sich die Zurechnung eines objektiven Wohnwerts deswegen, weil es dem Nutzungsberechtigten freistehe, die Wohnung zu vermieten, anstatt sie selbst zu nutzen. Regelmäßig wird dann entweder durch das Gericht der Wohnwert geschätzt, alternativ: Es wird ein Gutachten mit oft recht hohen Kosten eingeholt. In der Rechtsprechung wird der Mietwert brutto = netto als Einkommen des Beteiligten, der das Objekt nutzt, in die Unterhaltsberechnung eingesetzt.
Der Wohnwertvorteil beim Ehegattenunterhalt scheint in der Rechtsprechung weitgehend geklärt. Drei Grundsätze sind derzeit anzuwenden:
1. Grundsatz: Wohnwertvorteil im Trennungsjahr
Ursprünglich ging die Rechtsprechung davon aus, dass bis zur Rechtskraft der Scheidung lediglich ein angemessener Wohnwert anzusetzen sei. Dieser Wohnvorteil bemisst sich nach der Person (oder der Personengruppe), die in der Wohnung verblieben ist. Hierbei sind vor allem die Größe und Ausstattung der Wohnung sowie die persönlichen und finanziellen Verhältnisse der Nutzer zu berücksichtigen. Dieser Wohnwert ist geringer als der objektive Mietwert. Oftmals wird er in der Rechtsprechung mit einem Betrag zwischen 500 € und 800 € angesetzt. Je nach Gerichtssprengel und nach Wohnwerten, die dort gelten, können Zu- oder Abschläge angenommen werden. Es macht eben einen Unterschied, ob man z.B. in München oder auf dem „platten Land“ in der Uckermark eine Immobilie besitzt.
2. Grundsatz: Wohnwertvorteil nach Ablauf des Trennungsjahrs
Nunmehr wird bereits nach Ablauf eines Jahres davon ausgegangen, dass der Nutzer sich den objektiven Mietwert als Wohnvorteil entgegenhalten lassen muss. Spätestens mit Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens sei dies der Fall. Regelmäßig wird sinngemäß als Argument aufgeführt: Wenn es dem Nutzer nicht passe, könne er ja das Objekt räumen und einer Vermietung zuführen. Eine Ausnahme wird gemacht, sofern es nicht möglich oder zumutbar ist, die Wohnung aufzugeben oder das Objekt zu veräußern. In diesem Fall kann weiterhin die ersparte Miete angesetzt werden, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre.
3. Grundsatz: Berücksichtigung von Zins- und Tilgungsleistungen
Bislang stellte die Frage der Zins- und Tilgungsleistungen einen Hemmschuh für die Nutzung dar. Ursprünglich wurde in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass zwar die Zinsen in vollem Umfang abzugsfähig seien; die Tilgung sei jedoch lediglich im Rahmen der zusätzlichen Altersvorsorge bis zu 4 % berücksichtigungsfähig. Diese Rechtsprechung hat der BGH zunächst für den Elternunterhalt aufgegeben, um sie dann auf andere Unterhaltsfälle auszudehnen. Seit einer Entscheidung aus dem Jahre 2018 dürfte davon auszugehen sein, dass auch beim Ehegattenunterhalt die vollen Zins- und Tilgungsleistungen dem Wohnwert gegenübergestellt und abgezogen werden können. Das Argument lautet: Wenn keine Zins- und Tilgungsleistungen erfolgten, gäbe es ja auch keinen Wohnwert. Sofern darüber hinaus noch Tilgungen vorgenommen werden, können diese nach der jetzigen Rechtsprechung im Rahmen der 4 %-Regelung Beachtung finden.
II. Die Gegenmeinung in der Literatur
1. Die Ansicht von Viefhues und Hauß: Versteuerung des Wohnwertvorteils
Viefhues ist nun der Ansicht, dass die rechtliche Grundlage der Anrechnung eine vorwerfbare Verletzung einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit sei. Immobilienvermögen müsse so ertragreich wie möglich angelegt oder bestmöglich genutzt werden, um sich ...