Otto Schmidt Verlag

OLG Brandenburg v. 2.6.2021 - 15 UF 8/21

Zum Ermessensspielraum der Sollvorschrift § 18 Abs. 2 VersAusglG

Da § 18 Abs. 2 VersAusglG als Sollvorschrift ausgestaltet ist, ist dem Tatrichter allerdings ein Ermessensspielraum eingeräumt, der den Ausgleich trotz Geringfügigkeit dann erlaubt, wenn dies aufgrund besonderer Umstände zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes geboten ist. Führt das Gericht den Ausgleich geringwertiger Anrechte in Ausübung dieses Ermessens durch, sind die dafür tragenden Erwägungen in den Entscheidungsgründen darzulegen.

Der Sachverhalt:
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin hatten 1990 geheiratet. Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 18.7.2020 zugestellt worden. Während der Ehezeit (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und auf eine private Altersversorgung erworben, der Antragsteller darüber hinaus zwei Anrechte auf eine betriebliche Altersversorgung bei der Beschwerdeführerin.

Mit Beschluss vom 25.11.2020 hat das Familiengericht die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es die Anrechte der Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Anrechte des Antragstellers auf eine betriebliche Altersversorgung im Wege der internen Teilung ausgeglichen hat. Von einem Ausgleich der beiderseitigen Anrechte der Ehegatten auf eine private Altersversorgung hat es gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG abgesehen.

Gegen den Ausgleich der bei ihr bestehenden Anrechte des Antragstellers wandte sich die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde. Weil der Ausgleichswert nicht die Bagatellgrenze überschreite, sei gem. § 18 Abs. 2, 3 VersAusglG von einem Ausgleich abzusehen. Das OLG hat den Beschluss des AG abgeändert und festgestellt, dass ein Ausgleich der Anrechte des Antragstellers bei der Beschwerdeführerin nicht stattfindet.

Die Gründe:
Ein Ausgleich in der Ehezeit erworbenen Anrechte des Antragstellers gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG unterbleibt.

Nach dieser Vorschrift soll von einem Ausgleich eines einzelnen Anrechts dann abgesehen werden, wenn der Ausgleichswert gering ist. Da die maßgebliche Bezugsgröße für die von der Beschwerde betroffenen Anrechte jeweils ein Kapitalbetrag und nicht ein Rentenbetrag ist, ist gem. § 18 Abs. 3 VersAusglG von einem geringen Ausgleichswert auszugehen, wenn dieser den Betrag von 120 % der zum Ehezeitende geltenden monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB IV nicht übersteigt.

Für das Jahr 2020, dem Jahr des Ehezeitendes, betrug diese Bezugsgröße 3.185 €; 120 % davon sind 3.822 €. Die Ausgleichswerte der einzelnen Anrechte bei der Beschwerdeführerin mit Kapitalwerten von rund 1.474 € und 1.132 € (jeweils vor Abzug der Teilungskosten) überschreiten diesen Grenzwert jeweils nicht. Auch die Summe der Ausgleichswerte der beiden Anrechte von 2.606 € liegt deutlich unter der Bagatellgrenze.

Da § 18 Abs. 2 VersAusglG als Sollvorschrift ausgestaltet ist, ist dem Tatrichter allerdings ein Ermessensspielraum eingeräumt, der den Ausgleich trotz Geringfügigkeit dann erlaubt, wenn dies aufgrund besonderer Umstände zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes geboten ist. Führt das Gericht den Ausgleich geringwertiger Anrechte in Ausübung dieses Ermessens durch, sind die dafür tragenden Erwägungen in den Entscheidungsgründen darzulegen (BGH, MDR 2015, 281).

Die Begründung der angefochtenen Entscheidung lässt indes weder erkennen, dass die Regelung des § 18 VersAusglG bei der Entscheidung über den Ausgleich der von der Beschwerde betroffenen Anrechte angewendet worden ist, noch dass das Amtsgericht von der Ausübung seines Ermessens Gebrauch gemacht hat, sodass der Senat gehalten ist, eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Welche Kriterien bei der Ermessensausübung im Einzelnen zu berücksichtigen sind, lässt das Gesetz offen. Gesetzesziel ist vornehmlich die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands für den Versorgungsträger, der mit der Teilung eines Anrechts und der Aufnahme eines Anwärters in das Versorgungssystem verbunden sein kann.

Es sind aus diesem Grunde in erster Linie die Belange der Verwaltungseffizienz aufseiten des Versorgungsträgers gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen. Daneben soll § 18 VersAusglG auch die Entstehung sog. Splitterversorgungen vermeiden, in denen der geringe Vorteil für den im Ergebnis ausgleichsberechtigten Ehegatten in keinem Verhältnis zu dem ausgleichsbedingten Verwaltungsaufwand steht.

Mit der Regelung des Bagatellausgleichsverzichts in § 18 VersAusglG hat der Gesetzgeber beabsichtigt, die Versorgungsträger und auch die Ehegatten vor unwirtschaftlichen Ergebnissen eines Hin-und-her-Ausgleichs geringfügiger Anrechte zu schützen. So kann der Aufwand für die Aufnahme und die Verwaltung eines neuen Versicherungsnehmers infolge des Abzuges der dafür anfallenden Teilungskosten zu einer unverhältnismäßig starken Reduzierung der ohnehin geringfügigen Anrechte führen. Andererseits muss der Ausschluss eines Bagatellausgleichs seine Grenze in einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes finden.

Gemessen hieran ist von einem Ausgleich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Anrechte des Antragstellers abzusehen. Die Antragsgegnerin hat noch kein Anrecht auf eine private Rentenversicherung bei der Beschwerdeführerin, sodass infolge einer internen Teilung der beiden Anrechte für sie zwei gesonderte Konten anzulegen und zu verwalten wären; es würden Splitterversorgungen entstehen, deren Verwaltung in keinem Verhältnis zur künftigen Leistung steht. Überdies würden die ohnehin geringen Anrechte zu Lasten der Beteiligten um die Kosten der Teilung in Höhe von insgesamt 500 € gekürzt. Gründe, die dennoch die strikte Einhaltung des Halbteilungsgrundsatzes erfordern würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.08.2021 11:34
Quelle: Landesrecht Brandenburg

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