Otto Schmidt Verlag

Aktuelle BGH-Rechtsprechung in Leitsätzen

Hier finden Sie die neuesten Entscheidungen aus der Rubrik "Aktuell" des anstehenden FamRB-Heftes, bevor sie von erfahrenen Praktikern für Sie in den folgenden Heften aufbereitet, mit Beraterhinweisen versehen und die Konsequenzen für Ihre Praxis aufgezeigt werden.

 

BGH, Beschl. v. 30.6.2021 – XII ZB 133/21
Berücksichtigung auch des ablehnenden Betreuerwunschs des Betroffenen
Lehnt der Betroffene eine Person als Betreuer ab, so ist das Gericht hieran anders als bei einem positiven Betreuervorschlag des Betroffenen zwar nicht gebunden. Um eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Betroffenen und seinem Betreuer zu gewährleisten, hat das Gericht jedoch den Wunsch des Betroffenen bei seiner Auswahlentscheidung zu berücksichtigen (im Anschluss an BGH v. 21.11.2012 – XII ZB 384/12, FamRZ 2013, 286 und BGH v. 27.6.2018 – XII ZB 601/17, FamRZ 2018, 1602 = FamRB 2018, 447 [Locher]).


BGH, Beschl. v. 23.6.2021 – VII ZB 15/18
Unpfändbarkeit des Rechts des Schuldners auf Zustimmung zur Kapitalabfindung aus Pensionszusage
Die Möglichkeit, ein in einem Pensionsvertrag vorgesehenes, etwaiges künftiges Angebot des Arbeitgebers auf Vertragsänderung (hier: Kapitalabfindung statt monatliche Rentenzahlung) anzunehmen, ist als bloße rechtsgeschäftliche Handlungsmöglichkeit nicht pfändbar.


BGH, Beschl. v. 16.6.2021 – XII ZB 46/21
Gewöhnlicher Aufenthalt des Betroffenen (nicht) in einer stationären Einrichtungen gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform
Lebt der Betroffene in einer ambulant betreuten Einrichtung der Eingliederungshilfe (SGB IX), in der er verpflichtet ist, behandlungspflegerische Leistungen, die über einfache ärztlich verordnete behandlungspflegerische Maßnahmen hinausgehen, auf eigene Kosten durch externe Dienstleister zu decken, hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einer stationären Einrichtungen gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform (im Anschluss an BGH v. 4.11.2020 – XII ZB 436/19, MDR 2021, 326 und BGH v. 2.6.2021 – XII ZB 582/20).


BGH, Beschl. v. 16.6.2021 – XII ZB 228/21
Notwendigkeit erneuter persönlicher Anhörung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren
Von einer erneuten persönlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren sind in der Regel zusätzliche Erkenntnisse zu erwarten, wenn der Betroffene an seinem im amtsgerichtlichen Verfahren erklärten Einverständnis mit einer Betreuung im Beschwerdeverfahren nicht mehr festhält (im Anschluss an BGH v. 24.6.2015 – XII ZB 98/15, FamRZ 2015, 1603).


BGH, Beschl. v. 9.6.2021 – XII ZB 97/21
Öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Unterbringung unterschiedliche Verfahrensgegenstände
a) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist (im Anschluss an BGH v. 5.1.2011 – XII ZB 240/10, FamRZ 2011, 367; BGH v. 18.5.2011 – XII ZB 671/10, FamRZ 2011, 1143 und BGH v. 8.6.2011 – XII ZB 43/11, FamRZ 2011, 1289).
b) Bei der zivilrechtlichen Unterbringung gemäß § 1906 BGB und der öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach den Landesgesetzen – hier nach §§ 10 ff. PsychKG NRW – handelt es sich um unterschiedliche Verfahrensgegenstände. Wenn das Landgericht die Beschwerdezurückweisung auf eine öffentlich-rechtliche Unterbringung stützt, obwohl das Amtsgericht eine zivilrechtliche Unterbringung genehmigt hat, tauscht es die Verfahrensgegenstände in unzulässiger Weise aus.


BGH, Beschl. v. 9.6.2021 – XII ZB 545/20
Anforderungen an die Bestellung eines Betreuers
a) Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur bestellt werden, soweit die Betreuung erforderlich ist. Dieser Grundsatz verlangt für die Bestellung eines Betreuers die konkrete tatrichterliche Feststellung, dass sie – auch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit – notwendig ist, weil der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen (im Anschluss an BGH v. 10.6.2020 – XII ZB 25/20, FamRZ 2020, 1588 Rz. 9 m.w.N.).
b) Für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge muss eine konkrete Gefahr des Vermögens des Betroffenen durch sein aktives Tun festgestellt werden, indem er etwa vermögenserhaltende und -schützende Maßnahmen des Betreuers konterkariert oder andere vermögensschädigende Maßnahmen trifft (im Anschluss an BGH v. 15.8.2018 – XII ZB 10/18, FamRZ 2018, 1770).


BGH, Beschl. v. 2.6.2021 – XII ZB 540/20
Überschreitung der erstinstanzlich festgesetzten Überprüfungsfrist im Beschwerdeverfahren
Wird die vom erstinstanzlichen Gericht für eine Betreuung festgesetzte Überprüfungsfrist im Laufe des Beschwerdeverfahrens überschritten, darf das Beschwerdegericht eine gegen die Betreuungsanordnung gerichtete Beschwerde nur dann zurückweisen, wenn es sich im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht die Überzeugung davon verschafft hat, dass die Maßnahme auch im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch erforderlich ist (im Anschluss an BGH v. 21.8.2019 – XII ZB 135/19, FamRZ 2019, 2027).


BGH, Beschl. v. 19.5.2021 – XII ZB 518/20
Keine Erforderlichkeit einer (Kontroll-)Betreuerbestellung bei Umsetzung der Vorstellungen der Betroffenen aus gesunden Zeiten durch Vorsorgebevollmächtigten
Eine Betreuung hat nicht den Zweck, das Vermögen des Betroffenen zugunsten eines gesetzlichen Erben zu erhalten oder zu vermehren (im Anschluss an BGH v. 22.7.2009 – XII ZR 77/06, BGHZ 182, 116 = FamRZ 2009, 1656 = FamRB 2009, 310 [Locher]).
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.08.2021 12:18
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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