Otto Schmidt Verlag

BGH v. 27.7.2021 - XII ZB 588/20

Zur Frage einer zulassungsfreien Rechtsbeschwerde gegen einen OLG-Beschluss in einer Familienstreitsache

Gegen den in einer Familienstreitsache ergangenen Beschluss des OLG, mit dem der Antrag eines Beteiligten auf Terminierung wegen einer behaupteten Unwirksamkeit eines zuvor abgeschlossenen Vergleichs verworfen wurde, findet eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nicht statt.

Der Sachverhalt:
Der Antragsgegner wendet sich gegen die Verwerfung seines Antrags, nach Abschluss eines von ihm für unwirksam gehaltenen Vergleichs einen neuen Verhandlungstermin zu bestimmen.

Das AG verurteilte den Antragsgegner zur Zahlung von Zugewinnausgleich. Im Beschwerdeverfahren schlossen die Beteiligten vor dem OLG am 6.8.2019 einen Vergleich, den der Antragsgegner für unwirksam hält. Mit Schriftsatz seines früheren Verfahrensbevollmächtigten vom 27.4.2020 stellte der Antragsgegner deshalb Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellte das OLG mit Beschluss vom 28.7.2020 fest, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich beendet ist. Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 10.9.2020 beantragte der Antragsgegner, "einen neuen Verhandlungstermin für die Berichtigung des Vergleichs vom 6.8.2019 zu bestimmen". Diesen Antrag verwarf das OLG.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist vom OLG nicht gem. § 70 Abs. 1 FamFG zugelassen worden. Die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde gem. § 70 Abs. 3 FamFG liegen ebenfalls nicht vor.

Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch weder aus einer direkten noch einer entsprechenden Anwendung von § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG, §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Eine direkte Anwendung dieser Vorschriften scheitert bereits am eindeutigen Wortlaut des § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO. Zwar gilt in Ehe- und Familienstreitsachen nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG die Vorschrift des § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO entsprechend. Sie erfasst in Ehe- und Familienstreitsachen jedoch nur das Rechtsmittel gegen einen die Beschwerde verwerfenden Beschluss. Im vorliegenden Fall hat das OLG mit dem angefochtenen Beschluss jedoch nicht eine Beschwerde des Antragsgegners verworfen, sondern nur über seinen in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens nach Abschluss des dort geschlossenen Vergleichs entschieden.

Eine analoge Anwendung des § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, wie sie das OLG in der dem Beschluss beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung für möglich gehalten hat, kommt nicht in Betracht. Eine solche erfordert neben einer planwidrigen Regelungslücke die Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte. Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Es liegt bereits keine planwidrige Regelungslücke vor. Der Gesetzgeber hat die Statthaftigkeit der mit dem FamFG neu eingeführten Rechtsbeschwerde bewusst von der Zulassung durch das Beschwerdegericht oder durch das OLG im ersten Rechtszug abhängig gemacht, damit das Rechtsbeschwerdegericht in erster Linie mit Verfahren befasst wird, denen aufgrund ihrer grundsätzlichen Bedeutung eine über den Einzelfall hinausreichende Wirkung zukommt. Von dem Zulassungserfordernis hat der Reformgesetzgeber nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 3 FamFG und § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG iVm § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO abgesehen.

Zudem fehlt es an der für eine Analogie notwendigen Vergleichbarkeit der Interessenlagen. Diese Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann erfüllt, wenn der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem gesetzlich geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.08.2021 14:10
Quelle: BGH online

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