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Aktuell im FamRB

Neue Gesetzesregelungen zum Kinderschutz und in Gewaltschutzsachen - Teil 2 (Cirullies, FamRB 2021, 389)

Im Anschluss an Teil 1 des Beitrags (Cirullies, FamRB 2021, 346) befasst sich die zweite und abschließende Beitragsfolge mit den gesetzlichen Neuregelungen in der Kinder- und Jugendhilfe, beim Jugendschutz, des Familienverfahrensrechts, im Gewaltschutz, beim internationalen Kinderschutz und im Strafrecht, soweit sie den Familienrechtler interessieren.

Teil 1:

A. Kindschaftsrecht
I. Elterliche Sorge und Vormundschaft
1. Schutz vor geschlechtsangleichenden Operationen (§ 1631e BGB neu) – in Kraft: 22.5.2021
2. Dauerverbleibensanordnung (§ 1632 Abs. 4 Satz 2 BGB neu) – in Kraft: 10.6.2021
3. Aufhebung der Verbleibensanordnung (§ 1696 Abs. 3 BGB neu) – in Kraft: 10.6.2021
4. Kindeswohlprinzip (§ 1697a Abs. 2 BGB neu) – in Kraft: 10.6.2021
5. Reform der Vormundschaft – in Kraft: 1.1.2023

Teil 2:

II. Kinder- und Jugendhilfe
1. Reform des SGB VIII
a) Vorlage des Hilfeplans
b) Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
c) Unterstützung bei Familienpflege
2. Kooperation im Kinderschutz (KKG)
3. Datenübermittlung bei Kindeswohlgefährdung (§ 17 Nr. 5 EGGVG n.F.)
III. Medienschutz für Kinder (Änderung des Jugendschutzgesetzes) – in Kraft: 1.5.2021
IV. Familienverfahrensrecht
1. Verfahrensbeistand (§§ 158–158c FamFG)
a) Überblick
b) Bestellung (§ 158 FamFG)
c) Fachliche und persönliche Eignung (§ 158a FamFG neu)
d) Aufgaben und Rechtsstellung (§ 158b FamFG neu)
2. Anhörung der Kinder (§ 159 FamFG) – in Kraft: 1.7.2021
3. Änderungen im Beschwerdeverfahren (§ 68 FamFG) – in Kraft: 1.7.2021
4. Überprüfung kindesschutzrechtlicher Maßnahmen (§ 166 Abs. 2 FamFG) – in Kraft: 10.6.2021
5. Qualifikation der Familienrichter (§ 23b GVG) – in Kraft: 1.1.2022
B. Gewaltschutzrecht
I. Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung (§ 1 GewSchG) – in Kraft: 1.7.2021
II. Schutz vor Nachstellung (Erweiterung des § 238 StGB n.F.) – in Kraft: 1.10.2021
III. Verfahrensrecht (Hinzuziehung eines Gerichtsvollziehers, § 96 Abs. 1 FamFG n.F.) – in Kraft: 1.1.2022
C. Internationaler Kinderschutz
I. Brüssel IIb-VO nebst Durchführungsgesetz – in Kraft: 1.8.2022
II. EU-Übergangsverordnung gegen Kindesmissbrauch im Internet – in Kraft: 2.8.2021
D. Strafrechtliche Neuerungen
I. Neugestaltung des Sexualstrafrechts – in Kraft: 1.7.2021
II. Erweiterung des § 238 StGB – in Kraft: 1.10.2021
III. § 4 GewSchG – in Kraft: 1.10.2021
IV. Strafprozessrecht – in Kraft: 1.7.2021
V. Änderung des Jugendgerichtsgesetzes
1. Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte (§ 37 JGG) – in Kraft: 1.1.2022
2. Institutionenübergreifende Zusammenarbeit (§ 37a JGG neu) – in Kraft: 10.6.2021
E. Fazit


A. Kindschaftsrecht

II. Kinder- und Jugendhilfe
Im zweiten Anlauf ist die Modernisierung des SGB VIII gelungen aufgrund des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG).  Dort geregelt – und im Folgenden kurz vorgestellt – sind in Art. 1 zahlreiche Änderungen des SGB VIII, in Art. 2 Neuerungen im Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) sowie in Art. 9 die Datenübermittlung bei Kindeswohlgefährdung (§ 17 Nr. 5 EGGVG). Weitere familienrechtlich bedeutsame Regelungen wie die Erweiterung des § 1632 Abs. 4 BGB sowie eine Klarstellung in § 166 Abs. 2 FamFG werden im jeweiligen Sachkontext dargestellt. In Kraft getreten sind die Bestimmungen überwiegend bereits am 10.6.2021. Dazu zählen die hier vorgestellten Regelungen zur Reform des SGB VIII, des KKG sowie zur Datenübermittlung. Lediglich einzelne Regelungen zu besonderen Leistungsangeboten, die organisatorischen Vorlauf benötigen, werden zu späteren Zeitpunkten wirksam, zuletzt zum 1.1.2028.

1. Reform des SGB VIII
Aus der Fülle der Neuerungen können hier nur einige für das kindschaftsrechtliche Verfahren bedeutsame Punkte herausgestellt werden:

a) Vorlage des Hilfeplans
Im Gesetzgebungsverfahren umstritten war die Verpflichtung zur Vorlage des Hilfeplans nach § 36 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Gemäß § 50 Abs. 2 SGB VIII n.F. hat das Jugendamt in Kinderschutzverfahren (insb. § 1631b, § 1632 Abs. 4, § 1666, § 1696 BGB) dem Familiengericht stets diesen Hilfeplan zu überreichen,  in anderen Kindschaftssachen nur auf Anforderung des Familiengerichts. Durch die Kenntnis von Hilfeplänen könne sich das Gericht einen umfassenderen Eindruck vom Verlauf vereinbarter Hilfen verschaffen und so unerlässliche Erkenntnisse für seine Prognoseentscheidung gewinnen.  Ferner hat das Jugendamt in einem Erörterungstermin nach § 155 Abs. 2 FamFG das Familiengericht über den Stand des Beratungsprozesses zu informieren.

Freilich können und dürfen diese Maßnahmen nicht die Pflicht des Jugendamts zur Abgabe einer qualifizierten Stellungnahme ersetzen.

b) Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
§ 8a SGB VIII wurde in einigen Punkten ergänzt. Aufgenommen wurde in Abs. 5 n.F. die Pflicht zum Abschluss von Vereinbarungen mit Tagespflegepersonen, wonach diese – wie die freien Träger (§ 8a Abs. 4 SGB VIII n.F.) – bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung eine Gefährdungseinschätzung vornehmen, eine insoweit erfahrene Fachkraft beratend hinzuziehen und das Jugendamt im Fall der Erforderlichkeit informieren müssen.

c) Unterstützung bei Familienpflege
Gemäß § 37 SGB VIII n.F. erhalten Eltern bei Hilfen außerhalb der eigenen Familie in verstärktem Maße einen Rechtsanspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Verbesserung der Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen und auf Förderung der Beziehung zu ihrem Kind. Ferner wird die Verpflichtung des Jugendamtes konkretisiert, die Zusammenarbeit zwischen den Erziehungspersonen und den Eltern zu fördern, zu unterstützen und zu begleiten. Dies gilt unabhängig davon, wer die Personensorge innehat. Ziel ist es, die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie so weit zu verbessern, dass die Eltern ihre Erziehungsaufgaben wieder möglichst bald und möglichst vollumfänglich wahrnehmen können.  Zudem ist in solchen Konstellationen bei Aufstellung des üblichen Hilfeplans prozesshaft die Perspektive der Hilfe zu klären (§ 37c Abs. 1 SGB VIII n.F.). Die Frage nach der Perspektive der Hilfe als zeitlich befristete Erziehungshilfe oder auf Dauer angelegte Lebensform wird damit systematisch in der Hilfeplanung verankert.  All diese Maßnahmen sind von Bedeutung für den Erlass und die Überprüfung einer Dauerverbleibensanordnung.

2. Kooperation im Kinderschutz (KKG)
Die Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe mit wichtigen Akteuren im Kinderschutz ist ausgebaut und verbessert worden aufgrund einer Änderung des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG).

In § 4 KKG n.F. ist die Informationspflicht intensiviert worden. So sollen nunmehr gem. Abs. 3 Satz 3 die Vertreter der in Abs. 1 Nr. 1 genannten Heilberufe unverzüglich das Jugendamt informieren, wenn nach deren Einschätzung ...

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.08.2021 10:10
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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