Otto Schmidt Verlag

OLG Frankfurt a.M. v. 24.6.2021 - 6 UF 7/21

Keine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge bei tiefgreifendem Elternkonflikt

Für die Prüfung, ob die Übertragung der gemeinsamen Sorge gem. § 1626 a Abs. 2 BGB dem Kindeswohl nicht widerspricht, gelten die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge entwickelten Grundsätze. Bei der Entscheidung sind alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände im Rahmen einer einzelfallbezogenen und umfassenden Betrachtung gegeneinander abzuwägen.

Der Sachverhalt:
Der Beteiligte zu 3. (im Folgenden Kindesvater) und die Beteiligte zu 4. (im Folgenden Kindesmutter) sind die nicht verheirateten Eltern des betroffenen acht Jahre alten Kindes Y. Der Kindesvater hat die Vaterschaft anerkannt, eine gemeinsame Sorgeerklärung wurde nicht abgegeben. Die Beziehung der Kindeseltern war von ständigen Streitigkeiten, ausgelöst durch Eifersucht und Alkohol- sowie seit 2018 Drogenkonsum des Kindesvaters, geprägt.

Anfang November 2018 veranlasste der Kindesvater die Kindesmutter in seinen Pkw einzusteigen, fuhr mit ihr in ein Waldgebiet, hielt ihr dort eine halbautomatische Pistole an den Kopf und forderte sie auf, ihm den vermeintlichen Nebenbuhler zu benennen. Als die Kindesmutter beteuerte, keine andere Beziehung zu haben, fuhr er wieder mit ihr zurück in die gemeinsame Wohnung. Am 14.11.2018 kam er unter Alkohol- und Drogeneinfluss stehend gegen 1.00 Uhr nach Hause, zog die schlafende Kindesmutter an den Haaren und forderte sie auf einzugestehen, dass sie ihn betrüge. Im weiteren Verlauf des Streits schlug er der Kindesmutter mit dem Knauf der halbautomatischen Pistole auf den Hinterkopf, hielt ihr danach die Pistole an den Kopf und bedrohte sie mit dem Tod.

Wegen dieses Geschehens kam der Kindesvater im September 2019 in Untersuchungshaft und wurde u. a. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Ihm wurde gleichzeitig auferlegt, zeitnah eine ambulante Gesprächstherapie in Bezug auf seinen früheren Alkohol- und Drogenkonsum und seine Eifersuchtsproblematik durchzuführen und die Weisung erteilt, jeglichen Kontakt - persönlich, telefonisch oder über soziale Medien - zu der Kindesmutter zu unterlassen, soweit es nicht um den Umgang mit der gemeinsamen Tochter gehe.

Seit der Straftat leben die Kindeseltern getrennt. Die Kindesmutter zog mit dem Kind zunächst in ein Frauenhaus und lebt mit diesem seit Februar 2019 in einer eigenen Wohnung. In der Zeit von Mai 2019 bis Juni 2020 fanden mit Ausnahme der Zeit der Untersuchungshaft begleitete Umgänge zwischen dem Kindesvater und dem Kind statt. Im Laufe der Zeit wurden nur noch die Übergaben begleitet und es erfolgten dann auch Übernachtungen beim Kindesvater. Die Familienhelferin sieht im Hinblick auf fehlenden Respekt und Wertschätzung keine adäquate Kommunikationsbasis zwischen den Kindeseltern für die Ausübung eines gemeinsamen Sorgerechts.

Der Kindesvater hat beantragt, die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind auf beide Eltern gemeinsam zu übertragen. Es gebe keine konkreten Meinungsverschiedenheiten und die Eltern seien kooperationsfähig und -bereit. Der Vorfall vom November 2018 liege zwei Jahre zurück und er habe sich bei der Kindesmutter entschuldigt. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Auch seine Beschwerde vor dem OLG blieb erfolglos.

Die Gründe:
Das AG hat den Antrag des Vaters auf Übertragung der elterlichen Sorge zur gemeinsamen Ausübung zu Recht abgelehnt.

Für die Prüfung, ob die Übertragung der gemeinsamen Sorge gem. § 1626 a Abs. 2 BGB dem Kindeswohl nicht widerspricht, gelten die zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge entwickelten Grundsätze. Bei der Entscheidung sind alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände im Rahmen einer einzelfallbezogenen und umfassenden Betrachtung gegeneinander abzuwägen. Infolgedessen steht für den Senat fest, dass die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge dem Wohl des betroffenen Kindes Y widerspricht.

Das Verhältnis der Eltern ist durch die von dem Kindesvater zum Nachteil der Kindesmutter begangene Straftat mit der Folge des Verlusts der gewohnten Umgebung für Mutter und Kind und nachvollziehbarer Angst der Kindesmutter vor Übergriffen des Kindesvaters geprägt, die auch dem Kind nicht verborgen geblieben ist. Die Tat hat einen nachhaltigen und tiefgreifenden Elternkonflikt hervorgerufen, der von den Eltern bisher in keiner Weise aufgearbeitet ist und der auch in absehbarer Zeit keiner Lösung zugeführt werden kann.

Schon vor der Tat im November 2018 war das Verhältnis der Eltern von durch die Eifersucht des Kindesvaters ausgelösten Konflikten geprägt, die schließlich in der schweren Straftat mündeten. Infolge der Straftat fehlt es an einer tragfähigen sozialen Beziehung zwischen den Kindeseltern. Der Kindesvater hat sich zwar bei der Kindesmutter entschuldigt und ihr die Zahlung eines Schmerzensgelds angeboten. Sein Verhalten nach der Trennung war bisher aber nicht geeignet, die für die Ausübung der gemeinsamen Sorge erforderliche Vertrauensbasis wiederherzustellen. Das AG hat zutreffend festgestellt, dass der Kindesvater die ihm im Bewährungsbeschluss auferlegte Gesprächstherapie zur Bearbeitung seiner Eifersuchtsproblematik noch nicht absolviert hat.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.09.2021 16:38
Quelle: LaReDa Hessen

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