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Aktuell im FamRB

Finanzieller Ausgleich beim Wechselmodell (Maaß, FamRB 2021, 430)

Der Beitrag vergleicht den vom BGH beim paritätischen Wechselmodell vorgenommenen Ausgleich unter den Eltern über einen Unterhaltsanspruch des Kindes – insbesondere im Hinblick auf die praktische Möglichkeit, die finanziellen Lasten der Kindesversorgung gerecht unter den Eltern zu verteilen – mit dem Ausgleich einzelner Aufwendungen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass ein, für den Fall fehlender Leistungsfähigkeit allerdings erheblich modifizierter, Ausgleich einzelner Aufwendungen die gesetzlichen Vorgaben am besten umsetzt und die Unterhaltslast angemessen unter den Eltern verteilt. Eines gesetzgeberischen Eingriffs bedarf es nicht.

1. Gesetzliche Ausgangslage und Problemstellung
2. Kindesunterhalt im Wechselmodell

a) Vertretung des Kindes
b) Anrechnung von Naturalleistungen
c) Schwächen einer Unterhaltsrentenfestsetzung
d) Ergebnis zum Unterhaltsanspruch
3. Ausgleich von Naturalunterhalt unter den Eltern
a) Versorgung des Kindes im Haushalt der Eltern
b) Ausgleich unter den Eltern
c) Eingeschränkte Leistungsfähigkeit eines Elternteils
4. Ergebnis


1. Gesetzliche Ausgangslage und Problemstellung

Die gesetzlichen Vorschriften zum Kindesunterhalt knüpfen – mit Ausnahme der § 1606 Abs. 3 Satz 2 und § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB, die in dieser Form erst durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969 eingeführt worden sind – nicht an die Trennung der Eltern an. Die Vorschriften über den Unterhalt gelten vielmehr auch und insbesondere für die gemeinsame Betreuung in intakter Familie; auch nach Neuformulierung des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB im Jahr 1969 stellt die alleinige Betreuung durch einen Elternteil die gesetzliche Ausnahme, nicht aber den Regelfall dar. In intakter Familie gibt es allgemein keinen Barunterhaltsanspruch. Die Kindeseltern versorgen das Kind vielmehr mit Naturalien, die sie nach ihrem gemeinsamen erzieherischen Ermessen auswählen. Ob diese Versorgung in intakter Familie in Erfüllung eines Anspruchs gemäß der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB geschieht oder das Kind ein aus Art. 6 GG folgendes Recht eigener Art auf Versorgung hat, mag hier dahinstehen: Unterhalt in Form einer Unterhaltsrente (über die sie mangels voller Geschäftsfähigkeit auch gar nicht verfügen könnten) können minderjährige Kinder in intakter Familie unstreitig nicht verlangen. Grund für die fehlende Barunterhaltspflicht ist nach h.M. eine konkludente Unterhaltsbestimmung der Eltern, wonach in intakter Familie Unterhalt nur in Naturalien geleistet wird.

Trennen sich die Eltern, so entsteht die (alleinige) Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils, weil die vorherige Unterhaltsbestimmung ihre Wirkung verliert. Die dafür maßgebliche Vorschrift des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB geht dabei davon aus, dass nur ein Elternteil das Kind betreut und der andere Elternteil (allenfalls) zeitlich begrenzten Umgang ausübt, im Übrigen aber durch Erwerbstätigkeit die zur Versorgung erforderlichen finanziellen Mittel erwirtschaftet. Die Verteilung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in intakten Familien hat sich in den letzten drei Jahrzehnten indessen flächendeckend gewandelt. Regelmäßig sind beide Eltern erwerbstätig und teilen (mal mehr, mal weniger) auch die Kindesbetreuung untereinander auf. Wenig überraschend ist es deshalb, dass Eltern auch nach Trennung diese Aufteilung vielfach, zumeist beiderseits freiwillig, beibehalten und das Kind paritätisch, im Wechselmodell, betreuen. In diesem Fall stößt nicht nur die Bemessung des Unterhalts auf Probleme. Auch wer an wen zahlt, wer über den Unterhalt verfügt und wer das Kind im Verfahren vertritt, lässt sich der gesetzlichen Regelung nicht unmittelbar entnehmen. Damit wirft der Unterhalt im Wechselmodell eine Reihe von Fragen auf, die sich bei alleiniger Betreuung durch einen Elternteil nicht stellen:

Alleinige Betreuung

  • Einer betreut und versorgt, einer zahlt.
  • Betreuender Elternteil entscheidet über Verwendung des Unterhalts, § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB.
  • § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB gilt.
  • Betreuender Elternteil vertritt das Kind im Unterhaltsverfahren, § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB.
  • Kindergeldanrechnung nach § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Hälfte.

Wechselmodell

  • Beide betreuen und versorgen, beide müssen finanziell beitragen.
  • Beide Eltern müssten gemeinsam entscheiden.
  • § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB gilt nicht.
  • Kein Elternteil kann das Kind vertreten, § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB gilt nicht.
  • Kindergeldanrechnung fraglich.

2. Kindesunterhalt im Wechselmodell
Nach Auffassung des BGH besteht auch im Wechselmodell, das er streng paritätisch sieht (d.h. exakt 50 % Betreuungsanteil eines jeden Elternteils einfordert), ein auf Geld gerichteter Unterhaltsanspruch des Kindes. Über den Anspruch auf Kindesunterhalt soll eine an den beiderseitigen Einkommensverhältnissen und der daraus folgenden Leistungsfähigkeit orientierte Beteiligung der Eltern am Unterhalt gewährleistet werden. Der Anspruch beschränkt sich demnach auf „die durch die Leistungen des besser verdienenden Elternteils noch nicht gedeckte Unterhaltsspitze“.

a) Vertretung des Kindes
Der BGH geht dabei davon aus, dass im laufenden Wechselmodell die Vorschrift des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB keine Anwendung findet, weil keiner der Elternteile das Kind allein in Obhut hat. Vertreten kann das Kind daher grundsätzlich ein zu bestellender Ergänzungspfleger nach § 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1795 Abs. 1, § 1909 BGB. Darüber hinaus ...



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.09.2021 10:27
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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