Otto Schmidt Verlag

BGH v. 29.9.2021 - IV ZB 17/20

Keine Aufnahme des Berufungsgrundes im Erbschein

Im Erbschein ist der Berufungsgrund grundsätzlich auch dann nicht anzugeben, wenn dies beantragt ist. Nur ausnahmsweise kann er anzugeben sein, etwa wenn dies bei mehrfachem Berufungsgrund (§§ 1951, 2088 BGB) zur Bezeichnung des Umfanges des Erbrechts notwendig ist.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind die Söhne der Erblasserin. Mit notariellem gemeinschaftlichen Testament hatten sich die Erblasserin und ihr Ehemann, der 1984 verstarb, bereits im Jahr 1982 gegenseitig als Alleinerben sowie die Beteiligten als Erben zu gleichen Teilen nach dem Überlebenden eingesetzt. Sie hatten außerdem angeordnet, dass der Überlebende über das ererbte und sein eigenes Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen könne.

Die Erblasserin errichtete 2015 ein weiteres notarielles Testament. Danach sollte es grundsätzlich bei der hälftigen Erbeinsetzung der Beteiligten gemäß dem Testament von 1982 verbleiben, wobei detaillierte Regelungen zur Erbauseinandersetzung, insbesondere im Hinblick auf das vom Beteiligten zu 2) bewohnte Hausgrundstück, erfolgten. Nach dem Tod der Erblasserin wurden 2018 beide Testamente eröffnet. Der Beteiligte zu 1) beantragte gestützt auf das Testament von 1982 die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt, dass er und der Beteiligte zu 2) aufgrund gewillkürter Erbfolge Erben zu je 1/2 seien. Er behauptet, die Erblasserin sei 2015 nicht testierfähig gewesen.

Das AG - Nachlassgericht - erachtete die für die Erteilung des Erbscheins zugunsten der Beteiligten als Erben zu je 1/2 erforderlichen Tatsachen für festgestellt, ohne in seinem Beschluss festzustellen, auf welchem Testament die Erbfolge beruht. Dagegen erhob der Beteiligte zu 1) Beschwerde mit dem Antrag zu beschließen, dass der Erbschein aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments von 1982 erteilt werde. Daraufhin ergänzte das AG den Beschluss dahingehend, dass im Erbschein der Eintritt der Erbfolge "aufgrund testamentarischer Verfügung" festzustellen sei. Das OLG wies die Beschwerde zurück. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er seinen Erbscheinsantrag in der Fassung der Beschwerde weiterverfolgt, hatte vor dem BGH ebenfalls keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend angenommen, dass aus einem Erbschein nicht hervorgeht, auf welcher letztwilligen Verfügung er beruht; der Beteiligte zu 1) kann daher einen Erbschein mit dem Inhalt, den er mit der Rechtsbeschwerde erstrebt, nicht erlangen. Im Erbschein ist der Berufungsgrund auch dann grundsätzlich nicht anzugeben, wenn dies beantragt wird.

Gem. § 2353 BGB ist dem Erben auf seinen Antrag hin ein Zeugnis über sein Erbrecht, d.h. darüber, dass der im Erbschein so Bezeichnete Erbe ist, und (ggf.) über die Größe des Erbteils zu erteilen; außerdem sind Anordnungen zu nennen, die den Erben beschränken, vgl. § 2365 BGB. Eine Angabe des Berufungsgrundes sieht der Gesetzeswortlaut dagegen nicht vor. Er ist daher grundsätzlich nicht in den Erbschein aufzunehmen. Nur ausnahmsweise kann er anzugeben sein, etwa wenn dies bei mehrfachem Berufungsgrund (§§ 1951, 2088 BGB) zur Bezeichnung des Umfanges des Erbrechts notwendig ist.

Dieser beschränkte Inhalt entspricht dem Zweck des Erbscheins, den Erben durch die Richtigkeitsvermutung (§ 2365 BGB) zu legitimieren und den guten Glauben an seine Rechtsstellung zu schützen (§ 2366 BGB). Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 BGB und damit auch dessen öffentlicher Glaube nach § 2366 BGB gilt positiv nur für das bezeugte Erbrecht sowie negativ dafür, dass andere als die angegebenen Beschränkungen nicht bestehen. Der gesetzliche Inhalt des Erbscheins ist strikt dahin begrenzt, dass er das Erbrecht des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen hat. Den Beteiligten steht kein Recht zu, eine Ergänzung des Erbscheins zu fordern, die über den gesetzlichen Rahmen des Erbscheins hinausgeht und an dessen Rechtswirkungen nicht Teil hat. Ein dennoch angegebener Berufungsgrund nimmt nicht an der Vermutungswirkung der §§ 2365 ff. BGB teil. Auch eine Bindung an den Erbscheinsantrag erfordert daher keine Angabe des darin genannten Berufungsgrunds im Erbschein. § 352 FamFG regelt den Inhalt des Antrags, nicht den Inhalt des Erbscheins.

Es kann offenbleiben, ob das OLG zu Recht davon ausgegangen ist, dass ein Antragsteller seinen Erbscheinsantrag nicht mit Bindungswirkung für das Nachlassgericht auf eines von mehreren Testamenten, aus denen sich die Erbfolge ergeben könnte, beschränken kann. Es hat bereits deshalb im Ergebnis zu Recht die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten als Erben zu je 1/2 ausweist, für festgestellt erachtet, weil die Beteiligten aufgrund des Testaments von 1982 Erben geworden sind. Ein anderer Berufungsgrund kommt nicht in Betracht, ohne dass es auf die Wirksamkeit des Testaments von 2015 ankäme. Die Erblasserin und ihr Ehemann haben in ihrem gemeinschaftlichen Testament die Beteiligten als Erben des Überlebenden zu gleichen Teilen eingesetzt. Diese Verfügung hat die Erblasserin nicht aufgehoben oder durch eine andere ersetzt. Im Testament von 2015 heißt es vielmehr, dass es bei der hälftigen Erbeinsetzung grundsätzlich verbleiben solle und die Erblasserin diese ausdrücklich wiederhole. Nach dem klaren Wortlaut der Testamente beruht daher die Erbenstellung der Beteiligten, die in dem zu erlassenden Erbschein bezeugt werden wird, weiterhin auf der früheren Verfügung. Die sonstigen Anordnungen in dem späteren Testament sind dagegen nicht Gegenstand des Erbscheins.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung: §§ 157, 242, 1944, 1953 BGB: Testamentsauslegung bei Einsetzung von Ehefrau und Tochter als Vor- und Nacherben – Ausschlagung (FamRZ 2021, 1246) ---> Abrufbar auch im Rahmen eines kostenlosen Datenbanktests ím Aktionsmodul Familienrecht.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.11.2021 11:45
Quelle: BGH online

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