Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

Wer hilft mir im internationalen Familienrecht? - Teil 1 (Menne, FamRB 2021, 477)

Die Familiengerichte sind bei der Bearbeitung internationaler Familiensachen in vielfältiger Weise auf Informationen aus dem Ausland und die kollegiale Zusammenarbeit mit ausländischen Gerichten angewiesen. Mit den beiden großen Richternetzwerken steht den Familiengerichten ein innovatives Mittel zur Verfügung, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden.

Die deutschen Verbindungsrichter im Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen und im Internationalen Haager Richternetzwerk


I. Praxisprobleme im grenzüberschreitenden Familienrecht
II. Wie kann das deutsche Gericht die benötigten Informationen erlangen?

1. Anfrage des inländischen Gerichts bei ausländischen Stellen
2. Einschaltung einer Zentralen Behörde
3. Anfrage an ein Richternetzwerk


I. Praxisprobleme im grenzüberschreitenden Familienrecht
Konstellationen wie die folgenden drei Beispiele sind jedem Praktiker des internationalen Familienrechts – gleich, ob es sich dabei um eine Familienrichterin, einen Familienrichter oder eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt handelt – vertraut:

Beispiel 1:

Entgegenstehende Rechtshängigkeit in einem deutsch-ungarischen Scheidungsverfahren

An einem bayerischen Familiengericht ist das Scheidungsverfahren eines deutsch-ungarischen Ehepaares anhängig. Die im Gerichtsbezirk wohnende Ehefrau hat gegen ihren getrennt lebenden Ehemann Scheidungsantrag eingereicht. Der Antrag wird dem in Ungarn lebenden Ehemann ordnungsgemäß zugestellt. Kurze Zeit später wird der in Deutschland lebenden Ehefrau der in Ungarn anhängig gemachte Scheidungsantrag des Ehemannes zugestellt. Mehrere Bitten des inländischen Verfahrensbevollmächtigten der Ehefrau an das ungarische Gericht um Auskunft bleiben unbeantwortet.

Beispiel 2:

Dem entführenden Elternteil bei der Rückkehr in die USA drohende Verhaftung wegen contempt of court
In einem in zweiter Instanz vor dem schweizerischen Bundesgericht anhängigen Kindesentführungsfall, in dem die Mutter nach Zerbrechen der Beziehung mit dem etwa 1 3/4 Jahre alten, aus der Beziehung hervorgegangenem Sohn vom bisherigen Lebensmittelpunkt der Familie im US-Bundesstaat Pennsylvania in ihre frühere Heimat im Kanton Zürich zurückgekehrt ist, hat sich herausgestellt, dass das zuständige US-Gericht dem Vater zwischenzeitlich die sole physical custody für den Jungen übertragen hat und die Mutter aufgrund von Verstößen gegen gerichtliche Anordnungen im contempt of court steht, so dass sie bei einer Wiedereinreise in die USA mit ihrer Festnahme, der Vollstreckung von Ordnungshaft und der Wegnahme des Kindes rechnen muss. Das Bundesgericht hat deshalb Bedenken, eine Rückführung anzuordnen, wenn die Mutter bei der Einreise verhaftet werden sollte. Denn sie ist die Hauptbezugsperson des Kindes, das sie zeitweise noch stillt und eine abrupte Trennung von Mutter und Kind würde eine schwerwiegende Gefahr für das körperliche oder seelische Wohl des Kindes nach Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ darstellen und könnte damit einer Rückführung entgegenstehen.

Abwandlung:
Ein bayerisches OLG möchte sichergestellt wissen, dass der von den Eltern in einem dort in zweiter Instanz anhängigen deutsch-australischen Kindesentführungsfall abgeschlossene verfahrensbeendende Vergleich in Australien anerkannt wird und gewährleistet ist, dass die vereinbarten Regelungen wie u.a. Gewährung von Unterkunft und Unterhalt durch den in Australien verbliebenen Vater zugunsten der deutschen Mutter, die das zurückzuführende Kind nach Deutschland entführt hat, auch tatsächlich ...

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.11.2021 14:46
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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