Otto Schmidt Verlag

FG Münster v. 7.10.2021 - 10 K 3172/19 E

Gleichgeschlechtliches Ehepaar kann Kosten für eine Leihmutter nicht als außergewöhnliche Belastungen geltend machen

Aufwendungen eines aus zwei Männern bestehenden Ehepaares für eine in den USA durchgeführte Leihmutterschaft führen nicht zu außergewöhnlichen Belastungen.

Der Sachverhalt:
Die Kläger, zwei miteinander verheiratete Männer, nahmen die Dienste einer in den USA lebenden Leihmutter in Anspruch. Diese wurde dort in einer Leihmutterklinik künstlich befruchtet, wobei die Eizelle von einer anderen Frau und die Samenzellen von einem der Kläger stammten. Das hieraus entstandene Kind lebt seit seiner Geburt bei den Klägern in Deutschland.

Die Kläger machten die im Zusammenhang mit der Leihmutterschaft angefallenen Aufwendungen (Agentur-, Reise-, Beratungs- und Untersuchungskosten sowie Kosten für Nahrungsergänzungsmittel zur Steigerung der Fertilität) i.H.v. rd. 13.000 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab, weil eine Leihmutterschaft nach dem Embryonenschutzgesetz (ESchG) in Deutschland verboten sei.

Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, dass ihre ungewollte Kinderlosigkeit, die sich aus der biologischen Sachgesetzlichkeit der männlich gleichgeschlechtlichen Beziehung ergebe, von der WHO als Krankheit anerkannt sei. Aus der hierdurch entstandenen schweren Belastung habe sich bei einem der Kläger eine psychische Erkrankung ergeben. Die Regelungen im Bundesstaat Kalifornien folgten höchsten ethischen Ansprüchen, was ihnen sehr wichtig gewesen sei. Es sei nicht gerechtfertigt, die Anerkennung der Aufwendungen unter Verweis auf das ESchG zu versagen, da dessen Vorschriften in der Wissenschaft umstritten und veraltet seien. Es sei weder nachgewiesen, dass das Kindeswohl gefährdet sei, noch dass Leihmütter per se ausgebeutet würden. Das ESchG sei insoweit nicht verfassungsgemäß.

Das FG wies die Klage ab. Die beim BFH anhängige Revision der Kläger wird dort unter dem Az. VI R 29/21 geführt.

Die Gründe:
Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung, welche aufgrund der Empfängnisunfähigkeit einer Frau oder der Zeugungsunfähigkeit eines Mannes getätigt werden, sind als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Erforderlich ist hierbei, dass die künstliche Befruchtung in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht sowie mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird.

Von der Rechtsprechung anerkannt worden sind derartige Aufwendungen unabhängig davon, ob die künstlich befruchtete Frau in einer gemischt- oder gleichgeschlechtlichen oder in gar keiner Beziehung lebt. Vor diesem Hintergrund ist nicht von vornherein auszuschließen, dass sich die Rechtsprechung weiterhin dahin entwickelt, dass auch zwei Ehemänner Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung geltend machen können, wenn bei einem der Partner Symptome einer psychischen Erkrankung eingetreten sind. Vorliegend scheitert die Abziehbarkeit allerdings daran, dass die Behandlung nicht nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts vorgenommen worden ist. Nach dem ESchG sind eine künstliche Befruchtung mit der Eizelle einer anderen Frau und ein Leihmutterschaftsverhältnis nicht erlaubt.

Die Regelungen des ESchG sind auch verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber hätte die Fragen der Eizellenspende und der Leihmutterschaft zwar möglicherweise auch anders regeln können, hat sich aber innerhalb seines Gestaltungsspielraums bewegt. Er hat mit den Regelungen den Zweck verfolgt, die sich möglicherweise aus einer "gespaltenen Mutterschaft" bzw. einer Ersatzmutterschaft ergebenden potenziellen Konfliktsituationen für die seelische Entwicklung des Kindes zu vermeiden. Hierbei handelt es sich trotz bestehender Kritik in der Wissenschaft um jedenfalls vertretbare Erwägungen.

Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die psychischen Folgen für Leihmütter und Wunscheltern bislang wenig untersucht sind. Ein etwaiger Eingriff in das Recht der Kläger auf "reproduktive Autonomie", das teilweise aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dem Schutz der Familie oder der allgemeinen Handlungsfreiheit hergeleitet wird, ist daher verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt nicht vor, weil das Verbot der Leihmutterschaft nicht nur gleichgeschlechtliche Partnerschaften von Männern, sondern auch heterosexuelle Beziehungen betrifft.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.01.2022 16:37
Quelle: FG Münster PM vom 16.1.2022

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