Otto Schmidt Verlag

OLG Frankfurt a.M. v. 2.2.2022 - 17 U 119/20

Einordnung der im Produktmerkblatt „Baukindergeld - Zuschuss (424)“ enthaltenen Förderbedingungen als AGB

Die im Produktmerkblatt des KfW-Programm "Bauen, Wohnen, Energie", "Baukindergeld - Zuschuss (424)" festgehaltenen Förderbedingungen sind ungeachtet einer verwaltungsintern bestehenden ermessenslenkenden Wirkung den Vertragsinhalt gestaltende Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn auf die Förderbedingungen in den AGB und dem Merkblatt auf deren Wirkung hingewiesen wird. In Folge ihres einseitig leistungsbestimmenden Charakters unterliegen sie keiner Inhaltskontrolle.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Das jüngste ist im November 2017 geboren. Nach Erwerb einer Wohnimmobilie hat der Kläger am 15.10.2018 online einen Zuschuss aus dem KfW-Programm „Baukindergeld - Zuschuss (424)“ beantragt. Er gab dabei in der Eingabemaske des KfW-Online-Portals als Verwendungszweck des Zuschusses den „Kauf eines gebrauchten Eigenheims“ an und bestätigte aktiv durch einen Mausklick, dass er vor der Antragstellung in das Wohneigentum eingezogen sei. Ferner stimmte er den AGB und den Bedingungen des Produktmerkblatts mittels Opt-in-Funktion zu. Am selben Tag bestätigte die Beklagte den Eingang des Antrags. Sie werde dem Kläger einen Zuschuss i.H.v. 24.000 €, zahlbar in 10 Raten von 2.400 € pro Jahr auszahlen, „wenn der Kläger die Einhaltung der Förderbedingungen nachweise“.

Nachdem die Beklagte die hochgeladenen Nachweise geprüft hatte, lehnte sie am 11.3.2019 die Auszahlung des Zuschusses mit der Begründung ab, es fehlten für eine abschließende Prüfung noch Informationen; namentlich sei die Einhaltung der Produktbedingungen gemäß Produktmerkblatt noch nicht nachgewiesen. Der Kläger habe bis zum 30.6.2019 noch einmal die Möglichkeit, im KfW-Zuschussportal die Auszahlung zu beantragen. Mit E-Mail vom 24.4.2021 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers führte die Beklagte aus, die Förderbedingungen seien in Person des Klägers nicht erfüllt, da der Antrag vor dem Einzug in das Wohneigentum gestellt worden sei. Eine erneute Antragstellung sei für den Kläger nicht möglich, da er vor mehr als drei Monaten in die Immobilie eingezogen sei.

Das LG hat die Beklagte zur Zahlung des Zuschusses für das Jahr 2019 sowie zur zukünftigen Zahlung ab dem Jahr 2020 jeweils i.H.v. 2.400 € verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf (künftige) Auszahlung des „Baukindergeld - Zuschusses (424)“.

Die Beklagte hatte das Zustandekommen des Vertrages unter die aufschiebende Bedingung gem. § 158 Abs.1 BGB gestellt, dass alle Fördervoraussetzungen durch den Antragssteller eingehalten werden. Diese sind vorliegend nicht durchgängig eingehalten, da der Kläger entgegen § 2 Abs. 2 S. 1 der AGB i.V.m. dem Produktmerkblatt „den Zuschuss nicht nach Einzug in das selbst genutzte Wohneigentum gestellt hat. Soweit das LG die Einhaltung des Antragszeitpunkts (nach Einzug) nicht als Bedingung, sondern als bloße das Verfahren ordnende Vorgabe ansieht, trifft dies nicht zu. Eine aufschiebende Bedingung gem. § 158 Abs. 1 BGB liegt nach allgemeiner Definition dann vor, wenn der Eintritt eines Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängt. Bei der Bestimmung der Frage, ob eine Bedingung vorliegt, ist zu prüfen, ob die endgültige Wirksamkeit des ganzen Geschäfts nach dem Parteiwillen, der objektiv anhand von Treu und Glauben und den Erwartungen nach der Verkehrssitte zu ermitteln ist, geregelt werden soll.

Infolgedessen handelt es sich bei der Festschreibung des Antragszeitpunkts um eine aufschiebende Bedingung. Die Beklagte hat zur Statuierung des Erfordernisses, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung bereits in die Wohnimmobilie eingezogen sein muss, Gründe der Effektivität des Ausreichungsprozesses, insbesondere die Vermeidung überflüssiger Antragsbearbeitung angeführt. Diese vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen Gründe gehen über eine bloß ordnende Funktion des Erfordernisses der Einhaltung eines Antragszeitpunkts hinaus.

Die Beklagte kann sich auch wirksam darauf berufen, dass die Antragsstellung spätestens drei Monate nach dem Einzug in das selbst genutzte Wohneigentum zu erfolgen hat. Die Bedingung ist nicht unwirksam gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die im Produktmerkblatt festgehaltene Regelung stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Sie geht über eine lediglich verwaltungsintern wirkende Förderrichtlinie im hiesigen Kontext hinaus.

Die streitgegenständliche Förderbedingung unterfällt hingegen nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB. Aus dem Anwendungsbereich scheiden Abreden aus, die Voraussetzungen, Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflichten unmittelbar regeln, also leistungsbestimmenden Charakter haben. Davon abzugrenzen sind Bestimmungen, die eine bereits bestehende Leistungspflicht des Verwenders einschränken, modifizieren oder aufheben. Diese unterliegen der Inhaltskontrolle.

Nach Maßgabe dieser Kriterien hat die streitgegenständliche Förderbedingung leistungsbestimmenden Charakter. Bereits die Entstehung der einseitig verpflichtenden Hauptpflicht der Beklagten zur Auszahlung des Zuschusses hängt ungeachtet der eingangs aufgezeigten Bewertung als Angebot oder Annahme unter einer aufschiebenden Bedingung davon ab, dass die Voraussetzungen für den Abschluss des privatrechtlichen Fördervertrags durch den Antragsteller durchgängig erfüllt werden.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.03.2022 14:25
Quelle: LaReDa Hessen

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