Otto Schmidt Verlag

OLG Bamberg v. 14.3.2022, 2 UF 29/22

Auskunftsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils trotz Kontaktverbots

Ein berechtigtes Interesse zur Erlangung von Auskünften über die persönlichen Verhältnisse des Kindes i.S.d. § 1686 BGB besteht in der Regel dann, wenn ein Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die  Entwicklung und die persönlichen Belange des Kindes zu unterrichten. Es ist aber bereits zweifelhaft, ob ein solches berechtigtes Interesse tatsächlich gegeben ist, wenn das Auskunftsbegehren in den Hintergrund getreten scheint und der Antragsteller mit seinem Begehren vielmehr die Aufhebung bestehender Kontaktverbote und die Rückkehr zur Familie geltend macht.

Der Sachverhalt:
Antragsteller und Antragsgegnerin sind die Eltern dreier Kinder. Die Beiden leben seit 2016 getrennt und sind rechtskräftig geschieden. Die elterliche Sorge für die drei gemeinsamen Kinder wurde der Antragsgegnerin jeweils mit Zustimmung des jetzigen Antragstellers übertragen.

Der Antragsteller hatte seine älteste und mittlerweile volljährige Tochter zwischen 2010 und 2014 mehrfach sexuell missbraucht. Er wurde deswegen und wegen Verbreitung, Erwerb sowie Besitz kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seit Dezember 2021 ist er wieder auf freiem Fuß. Ihm wurde durch die Strafvollstreckungskammer des LG u. a. die strafbewehrte Weisung erteilt, zu seinen Töchtern und seiner geschiedenen Ehefrau keinen Kontakt aufzunehmen.

Bereits im Juni 2021 hatte der Antragsteller den Antrag gestellt, ein aktuelles Bild von seinen Kindern zu erhalten sowie Zeugnisse der letzten fünf Jahre. Zur Begründung führte er aus, er habe ein Schreiben der Rechtsanwältin seiner Frau bekommen bezüglich Kontaktverbot, Stalking und strafrechtliche Maßnahmen bei Kontaktaufnahme zur Familie. Solche wolle er vermeiden und er wolle alles wieder gut machen. Die Rückkehr zu seiner Familie habe er beim Landesjugendamt beantragt. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stehe noch aus, da nicht auszuschließen sei, dass er zu den Tatzeiten unter einer Intoxikationspsychose gestanden habe.

Das AG hat den Antrag nach Anhörung aller Beteiligten abgewiesen. Auch die Beschwerde des Antragstellers vor dem OLG blieb erfolglos.

Die Gründe:
Das AG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass die beantragte Auskunftserteilung dem Wohl der betroffenen Kinder widerspricht.

Ein berechtigtes Interesse zur Erlangung von Auskünften über die persönlichen Verhältnisse des Kindes i.S.d. § 1686 BGB besteht in der Regel dann, wenn ein Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die  Entwicklung und die persönlichen Belange des Kindes zu unterrichten. Es ist aber bereits zweifelhaft, ob ein solches berechtigtes Interesse tatsächlich gegeben ist, wenn das Auskunftsbegehren in den Hintergrund getreten scheint und der Antragsteller mit seinem Begehren vielmehr die Aufhebung bestehender Kontaktverbote und die Rückkehr zur Familie geltend macht.

Das Vorliegen eines berechtigten Interesses zum Erhalt der beantragten Auskünfte kann hier letztlich dahinstehen, da die beantragte Auskunftserteilung dem Wohl der betroffenen Kinder widerspricht. Das in § 1697a BGB niedergelegte Kindeswohlprinzip umfasst eine Vielzahl von Einzelaspekten, wozu auch der Kindeswille zählt. Dieser erlangt unter dem Aspekt der Selbstbestimmung bei Kindern im Alter von Jugendlichen besondere Bedeutung, was vorliegend auf beide noch minderjährigen Kinder im Alter von 17 bzw. 14 Jahren zutrifft. Beide Kinder haben sich in ihrer persönlichen Anhörung gegen die Erteilung der beantragten Auskünfte ausgesprochen.

Eine Auskunftserteilung widerspricht in der Regel dem Kindeswohl, wenn die zwischenzeitlich jugendlichen Kinder einer Auskunft nachhaltig widersprechen und der Antragsteller sich schwerwiegender Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Kindern bzw. Schutzbefohlenen (hier: mehrfacher sexueller Missbrauch und Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften) schuldig gemacht hat, zumal wenn Opfer seiner Taten auch eigene Kinder waren.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.03.2022 12:03
Quelle: Bayern.Recht

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