Otto Schmidt Verlag

OLG Hamm v. 1.2.2022 - 15 W 142/21

Ehehindernis nach § 1306 BGB wegen einer bereits bestehenden Ehe nach nigerianischem Stammesrecht

Von einem Ehehindernis nach § 1306 BGB ist bereits dann auszugehen, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass der beabsichtigten Eheschließung noch eine bestehende Ehe mit einer anderen Person entgegensteht. Auch eine nach nigerianischem Stammesrecht geschlossene Ehe zwischen einem deutschen Staatsangehörigen und einer nigerianischen Staatsangehörigen kann als wirksam anzusehen sein und daher ein Ehehindernis i.S.v. § 1306 BGB darstellen, falls dem nigerianischen Staatsangehörigen durch die Nichtanerkennung substanzielles Unrecht geschehen würde.

Der Sachverhalt:
Im November 2017 beabsichtigten die Beteiligten zu 1) und 2), die beide deutsche Staatsangehörige sind, ihre Eheschließung beim Standesamt E anzumelden. Im Rahmen der Belehrung durch die Standesbeamtin erklärte der Beteiligte zu 1), dass er vor Jahren in Nigeria geheiratet habe, er diese Heirat aufgrund rechtlicher Beratung durch einen Anwalt aber für ungültig halte.

Die Standesbeamtin hatte daraufhin die Anmeldung zur Eheschließung abgelehnt. Die Bemühungen des Standesamts, den Sachverhalt um die Heirat des Beteiligten zu 1) aufzuklären, scheiterten an dessen unzureichender Mitwirkung. Der Beteiligte zu 1) erklärte ggü. dem Standesamt zunächst, er habe im Jahre 2004 vor einem Bezirksstandesamt in Lagos geheiratet, verfüge aber über keinerlei Unterlagen. Ggü. der Standesbeamtin erklärte er zunächst auch, er habe an die Frau bzw. deren Familie Geld überwiesen, damit die Scheidung erfolgen könne. Auch dazu habe er keine Unterlagen. Im weiteren Verlauf behauptete der Beteiligte zu 1) dann, er habe die nigerianische Staatsangehörige, von der er nur den Vornamen B in Erinnerung habe, im Rahmen einer Stammeshochzeit geheiratet. Als einziges Dokument hat er einen Einlieferungsschein über einen am 1.7.2004 von einer Frau B aus Nigeria an ihn versandten Brief vorlegen können.

Die Bemühungen des Standesamtes über die Deutsche Botschaft eine Klärung herbeizuführen, scheiterten an den fehlenden bzw. zu vagen Angaben des Beteiligten zu 1) zu Ort und Zeit der Eheschließung und zum vorehelichen Familiennamen der Frau B.

Nach einer Zweifelsvorlage gemäß § 49 Abs. 2 PStG wies das AG das Standesamt an, die Anmeldung zur Eheschließung zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) abzulehnen. Das OLG hat - wie zuvor AG und Beschwerdegericht - die dagegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Dem Beteiligten zu 1) ist es nicht gelungen, die begründeten Zweifel am Bestehen einer Doppelehe auszuräumen.

Nach § 1306 BGB darf eine Ehe nicht geschlossen werden, wenn zwischen einer der Personen, die die Ehe miteinander eingehen wollen, und einer dritten Person eine Ehe besteht. Von einem Ehehindernis nach § 1306 BGB ist bereits dann auszugehen, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass der beabsichtigten Eheschließung das Ehehindernis einer noch bestehenden Ehe mit einer anderen Frau entgegensteht.

Der Beteiligte zu 1) hat im vorliegenden Verfahren selbst angegeben, dass er im Jahr 2004 in Nigeria eine nigerianische Staatsangehörige geheiratet hat. Dabei hat er zunächst von einer Heirat vor einem Bezirksstandesamt in Lagos gesprochen. Erst im Laufe des Verfahrens hat er seinen Vortrag dahingehend abgeändert, dass es sich nur um eine sog. traditionelle Heirat gehandelt haben soll, der nach seiner Auffassung keine Rechtswirkungen zukommen sollen. Diese letzte Angabe steht aber im Widerspruch zu seinen Ausführungen im standesamtlichen Verfahren, dass er sich bei der Familie seiner nigerianischen Ehefrau um eine Scheidung bemüht und Geld überwiesen habe. Auch die Tatsache, dass seine Ehefrau bei der Einlieferung einer Postsendung in Nigeria am 1.7.2004 ihren Namen mit B angegeben hat, spricht deutlich dafür, dass der Beteiligte zu 1) mit der nigerianischen Staatsangehörigen B eine formelle Ehe (statutory marriage) eingegangen ist. Die dadurch begründeten Zweifel hat der Beteiligte zu 1) nicht ansatzweise ausgeräumt. Die vom Senat angeforderte Bescheinigung über das Nichtvorliegen einer formellen Ehe hat der Beteiligte zu 1) weder innerhalb der gesetzten Fristen noch bis zum Tag der Entscheidung vorgelegt.

Angesichts der widersprüchlichen und sehr lückenhaften Angaben des Beteiligten zu 1) bestehen für den Senat auch keine Ansatzpunkte für amtswegige Ermittlungen, durch die das Nichtbestehen einer Ehe nachgewiesen werden könnte. Der Beteiligte zu 1) kann weder den genauen Ort noch das genaue Datum seiner Hochzeit angeben. Der Beteiligte zu 1) kann darüber hinaus nicht einmal angeben, welchen Namen seine Ehefrau vor der Eheschließung geführt hat.

Abschließend wird der Beteiligte zu 1) darauf hingewiesen, dass selbst eine nur traditionell zwischen ihm und der nigerianischen Staatsangehörigen B geschlossene Ehe (customary marriage) ein Ehehindernis darstellen kann. Auch eine solche Ehe kann als wirksam anzusehen sein, wenn einem der beiden Ehepartner durch die Nichtanerkennung substantielles Unrecht zugefügt würde. Feststellungen dazu, ob der nigerianischen Staatsangehörigen B durch die Nichtanerkennung der Ehe mit dem Beteiligten zu 1) substantielles Unrecht zugefügt wird oder nicht, kann der Senat aber nicht treffen. Der aktuelle Name und die aktuelle Adresse sind unbekannt. Da dem Beteiligten zu 1) nur der Vorname seiner Ehefrau bekannt ist, versprechen Nachforschungen keinen Erfolg.

Nach alledem kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beteiligte zu 1) mit der beabsichtigten Eheschließung mit der Beteiligten zu 2) eine unzulässige Doppelehe eingehen würde.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Neue Anknüpfungsparadigmen im Internationalen Eheschließungsrecht - Ist das IPR irrelevant?
Leonhard Hübner, FamRZ 2022, 585

Rechtsprechung:
Anerkennung ausländischer Ehescheidung
KG vom 19.1.2022 - 1 W 345/21
Anm. von Peter Finger, FamRB 2022, 173

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.07.2022 13:13
Quelle: Justiz NRW online

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