Otto Schmidt Verlag

AG Brühl v. 14.5.2022 - 32 F 333/05

Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil

Die elterliche Sorge ist einem Elternteil alleine zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Jugendliche - der bei weitem nicht die seinem Alter entsprechende Reife hat - bei seiner persönlichen Anhörung sich für eine Beibehaltung der gemeinsamen Sorge der Eltern ausgesprochen hat.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind geschiedene Eheleute. Der gemeinsame Sohn (L.) lebt bei seiner Mutter. Hierauf hatten sich die Parteien geeinigt. Außerdem sollte L. einen regelmäßigen Umgang mit dem Vater haben. L. ist seit Jahren in ärztlicher und auch psychotherapeutischer Behandlung. Wegen Hyperaktivität wurde und wird er auch medikamentös behandelt. Dies lehnte der Vater längere Zeit ab. Inzwischen lebte L. einige Zeit in einer Intensivgruppe der Rheinischen Wohngruppen in Euskirchen. Nachdem er sich der Gruppe wiederholt entzogen hatte, wurde diese Maßnahme wieder abgebrochen. Er lebt nun wieder bei seiner Mutter.

Die Antragstellerin begehrte die Übertragung der elterlichen Sorge für den Sohn auf sich allein, da sich der Antragsgegner nicht in der rechten Weise um den Sohn kümmere. Allenfalls werde er in störender Weise aktiv. Das Jugendamt hat in seiner Stellungnahme die Notwendigkeit einer Sorgeregelung bejaht, weil der Vater mit seiner Einstellung und Haltung gegenüber den Hilfen und Fachkräften die Erziehung gefährde. L. nehme kaum noch am Schulunterricht teil, sondern entweiche regelmäßig und werde dann von seinem Vater nicht nur aufgenommen, sondern auch in seiner ablehnenden Haltung gegenüber jedweder Hilfe bestätigt, auch wenn der Vater L. zum Übernachten in die Gruppe zurückbringe. Es sei deshalb auch erforderlich, den Umgang von Vater und Sohn zu unterbinden, zumindest in geregelte Bahnen zu lenken.

Der Antragsgegner hielt eine Änderung der Sorgeregelung nicht für erforderlich. Die Verfahrenspflegerin hat für den Jugendlichen berichtet, dass er ein äußerst belastetes Kind sei mit einem hohen Bedarf an Unterstützung. Er sehne sich nach seinem Vater, fühle sich aber auch von ihm zurückgewiesen. Andererseits habe er zuletzt erklärt, seinen Vater nicht mehr sehen zu wollen. Die Eltern untereinander seien zu zerstritten, um das Sorgerecht in einer sinnvollen Weise noch gemeinsam ausüben zu können.

Das AG hat den Jugendlichen persönlich angehört und die elterliche Sorge der Mutter übertragen.

Die Gründe:
Der Kindesmutter ist die elterliche Sorge für den L. alleine zu übertragen, § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Die elterliche Sorge ist einem Elternteil alleine zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Die Mutter kooperiert nun schon seit langer Zeit im Interesse von L. mit den Einrichtungen und Personen, die in die Hilfen für L. eingebunden sind. Der Vater ist all die Jahre über bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber allen Hilfen für seinen Sohn geblieben. Zeitweise hat er sogar jegliche Verantwortung für seinen Sohn abgelehnt und sollte sogar die elterliche Sorge "abgeben". In letzter Zeit unterstützte er hingegen das Entweichen und Schulschwänzen des Sohnes. Diese zumindest ambivalente Haltung des Vaters ist in jedem Falle schädlich für den Jugendlichen, so dass zu dessen Wohl die elterliche Sorge auf die Mutter alleine zu übertragen ist.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Jugendliche - der bei weitem nicht die seinem Alter entsprechende Reife hat - bei seiner persönlichen Anhörung sich für eine Beibehaltung der gemeinsamen Sorge der Eltern ausgesprochen hat, nachdem er für seine Anhörung wieder erreichbar war. Bisher hat er die gemeinsame Sorge der Eltern in auffallend großem Maße nur dazu genutzt, die Eltern gegeneinander auszuspielen oder aber Entscheidungen des einen Elternteils mit Hilfe des anderen Elternteils zu unterlaufen.

L. hat zwar angegeben, dass er auf seinen Vater eher hören würde als auf seine Mutter. Das hat ihn aber weder bewogen, regelmäßiger die Schule zu besuchen noch daran gehindert, den Start in eine kriminelle Karriere zu wagen. L. braucht in der Schule und ganz allgemein im Leben sehr viel Hilfe, die ihm beide Eltern nicht bieten können. Die Mutter allein ist jedoch uneingeschränkt bereit, auch externe Hilfen für L. anzunehmen. Soweit der Vater geäußert hat, dass L. alle Hilfe erhalten solle, die er brauche, hat der Vater nach aller bisherigen Erfahrung jedoch nicht die objektiv notwendige Hilfe zugelassen, sondern nur für Hilfen - und auch diese zur halbherzig - die ihm persönlich nötig erschienen sind. Das ist aber eindeutig zu wenig. Er braucht inzwischen alle Hilfe, die sich für ihn noch mobilisieren lässt.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.08.2022 13:43
Quelle: Justiz NRW

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