Otto Schmidt Verlag

OLG Brandenburg v. 24.8.2022 - 9 UF 97/22

Zum besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Umgangsrechts

Eine Entscheidung, durch die das Umgangsrecht weder versagt noch in irgendeiner Weise eingeschränkt wird, die aber eine gerichtliche Hilfe zur tatsächlichen Ausgestaltung verweigert, lässt das Umgangsrecht nur scheinbar unberührt. Der grundsätzlich umgangsberechtigte Elternteil weiß dann nämlich nicht, in welcher Weise er das Recht tatsächlich wahrnehmen darf und in welchem zeitlichen Abstand er einen neuen Antrag auf gerichtliche Regelung zu stellen berechtigt ist.

Der Sachverhalt:
Der Antragsteller (Kindesvater) und die Antragsgegnerin (Kindesmutter) sind die getrennt lebenden, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des betroffenen Kindes. Mit dem hiesigen Verfahren begehrte der Kindesvater das Wechselmodell für seine Tochter. Die Kindesmutter lehnt dies bis heute ab. Vor Einleitung des vorliegenden Verfahrens hatte der Kindesvater regelmäßigen Umgang mit der Tochter (jedes zweite Wochenende von Freitag bis Montag, zudem in der Zwischenzeit an zwei weiteren Tagen mit Übernachtung). Der Umgang fand zunächst in einer eigens dafür angemieteten Wohnung des Kindesvaters in dem Mehrfamilienhaus, wo Kind und Mutter ebenfalls eine Wohnung bewohnen, statt.

Erstinstanzlich hatten die Eltern einen – familiengerichtlich gebilligten – Umgangsvergleich geschlossen, der weitgehend auf den vorgenannten Umgangszeiten beruhte. Die Vereinbarung ist auf den 15.2.2022 befristet worden. Zudem haben die Eltern erklärt, perspektivisch ein Wechselmodell anzustreben. Insoweit sollte – weil die Kindesmutter den Umgängen innerhalb des gleichen Wohnhauses kritisch gegenüber stand – durch den Kindesvater vor Einrichtung eines Wechselmodells eine geeignete anderweitige Wohnung angemietet werden.

Daraufhin hat der Kindesvater eine weitere Wohnung in räumlicher Nähe zu dem Mehrfamilienhaus angemietet. Die Kindesmutter hat insoweit angezweifelt, ob die neu angemietete Wohnung des Kindesvaters überhaupt zum Umgang geeignet ist bzw. dass dieser dort überhaupt stattfinden soll. Der Kindesvater hat beantragt, sein Kind im paritätischen Wechselmodell jeweils von Sonntag, 18 Uhr bis zum darauf folgenden Sonntag, 18 Uhr betreuen zu dürfen.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Es war der Ansicht, dass die elterliche Kommunikation dafür nicht ausreichend sei. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das OLG den Beschluss aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Durch die Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Regelung des Umgangsrechts tritt ein Zustand ein, der dem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) nicht gerecht wird, unter dem das Umgangsrecht des jeweiligen Elternteils steht.

Eine Entscheidung, durch die das Umgangsrecht weder versagt noch in irgendeiner Weise eingeschränkt wird, die aber eine gerichtliche Hilfe zur tatsächlichen Ausgestaltung verweigert, lässt das Umgangsrecht nur scheinbar unberührt. Der grundsätzlich umgangsberechtigte Elternteil weiß dann nämlich nicht, in welcher Weise er das Recht tatsächlich wahrnehmen darf und in welchem zeitlichen Abstand er einen neuen Antrag auf gerichtliche Regelung zu stellen berechtigt ist. Demgemäß hat das zur Umgangsregelung angerufene Familiengericht entweder Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret zu regeln oder, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist, die Umgangsbefugnis ebenso konkret einzuschränken oder auszuschließen; es darf sich im Regelfall nicht auf die Ablehnung einer gerichtlichen Regelung beschränken.

Will das Gericht den Umgang nicht ausschließen und besteht noch kein vollstreckungsfähiger Umgangstitel, besteht ein Konkretisierungsgebot des Gerichts zur umfassenden, vollstreckungsfähigen Regelung des Umgangs hinsichtlich Tag, Ort und Zeit des Umgangs. Die Nichtbeachtung dieses Gebotes stellt eine unzulässige Teilentscheidung dar. Im vorliegenden Fall ist für beide Elternteile ein Rechtsschutzbedürfnis für die Schaffung eines Umgangstitels gegeben. Im Übrigen spricht dafür auch, dass im ausgelaufenen Titel bestimmte Feiertags-/Geburtstagsregelungen enthalten sind, die sich speziell auf 2021 beziehen und daher nicht ohne weiteres auf das laufende bzw. die zukünftigen Jahr(e) übertragen werden können.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.09.2022 12:56
Quelle: Landesrecht Brandenburg

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