Otto Schmidt Verlag

OLG Bremen 20.7.2022 - 4 U 24/21

Voraussetzungen des privilegierten Erwerbs i.S.v. § 1374 Abs. 2 BGB

Entscheidend für die Beurteilung, ob ein privilegierter Erwerb i.S.v. § 1374 Abs. 2 BGB vorliegt, ist letztlich, dass die persönliche Beziehung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber bei Vertragsschluss im Vordergrund steht. Hiervon kann nicht bei einem reinen Immobilienkaufvertrag zwischen Mutter und Tochter ausgegangen werden, in welchem Leistung und Gegenleistung in einem Äquivalenzverhältnis stehen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte den Beklagten mit der Vertretung in dem Scheidungs- und Güterrechtsverfahren gegen ihren damaligen Ehemann vor dem AG beauftragt. Durch Beschluss vom 3.4.2018 wurde die Klägerin zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 155.933 € zzgl. Zinsen verpflichtet. Gegen diesen Beschluss legte der Beklagte am 14.5.2018, dem letzten Tag der Beschwerdefrist, Beschwerde beim (insoweit unzuständigen) OLG. ein. Zuständig für die Einlegung der Beschwerde wäre gem. § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG das AG. gewesen. Der Beschluss wurde somit rechtskräftig und der Ehemann der Klägerin vollstreckte hieraus.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Beschwerdeverfahren, hätte der Beklagte die Beschwerde fristgemäß beim zuständigen Gericht eingelegt, zu ihren Gunsten ausgegangen wäre. Deshalb sei der Beklagte nunmehr zum Ersatz der wegen der verspätet erhobenen Beschwerde entstandenen Schäden verpflichtet. Das von ihr durch notariellen Kaufvertrag vom 28.1.1998 von ihrer Mutter erworbene Wohngrundstück hätte im Rahmen des Zugewinnausgleichsverfahrens in ihrem Anfangsvermögen und nicht in ihrem Endvermögen berücksichtigt werden müssen, da der Erwerb nach § 1374 Abs. 2 BGB privilegiert sei.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe das Grundstück zum Zweck der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter erworben. Dies zeige schon der am 23.8.1984 zwischen der Klägerin, ihren Geschwistern und der Mutter geschlossene Erbvertrag, der die Erbeinsetzung hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks als Hofgrundstück regele. Der im Grundbuch eingetragene Höfevermerk sei nur deshalb gelöscht worden, weil die Mutter der Klägerin habe verhindern wollen, dass die Schwester der Klägerin, die als Landwirtin die formalen Voraussetzungen zur Übernahme eines landwirtschaftlichen Grundstücks erfüllt hätte, den Hof bekomme. Dem früheren Ehegatten der Klägerin hätte deshalb nur ein Zahlungsanspruch von 39.787 € zugesprochen werden dürfen. Die Differenz von 116.146 € sei der entstandene Schaden, den sie geltend machte.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Anwaltsvertrag gem. § 280 Abs.1 BGB i.V.m. §§ 611, 675 BGB, weil ihr durch die anwaltliche Pflichtverletzung kein Schaden entstanden war.

Zwar hat der Beklagte objektiv eine Pflicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrag i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB verletzt, indem er es versäumt hatte, die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Z. vom 3.4.2018 rechtzeitig bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird (§ 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG), hier also dem insoweit zuständigen AG Z.. Das Verschulden des Beklagten konnte gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet werden. Exkulpiert hatte sich der Beklagte nicht. Dennoch konnte nicht festgestellt werden, dass der Klägerin aus dieser anwaltlichen Pflichtverletzung des Beklagten der geltend gemachte Schaden entstanden ist.

Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der in Folge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Frage, ob die Klägerin bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung im Vorprozess obsiegt hätte, ist dabei aus der Sicht des mit dem Regressanspruch befassten Gerichts zu beurteilen. Zutreffend ist das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass das Grundstück der Klägerin, das sie 1998 von ihrer Mutter erworben hatte, nicht nach § 1374 Abs. 2 BGB in ihrem Anfangsvermögen zu berücksichtigen war, da die Klägerin schon nicht hinreichend dargelegt hat, dass sie das streitgegenständliche Grundstück zum Zweck der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter erworben hatte.

Entscheidend für die Beurteilung, ob ein privilegierter Erwerb i.S.v. § 1374 Abs. 2 BGB vorliegt, ist letztlich, dass die persönliche Beziehung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber bei Vertragsschluss im Vordergrund steht. Denn der Sinn und Zweck der Vorschrift besteht darin, solche Vermögensbestandteile der Ausgleichspflicht zu entziehen, die in keinem Zusammenhang mit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft stehen, oder die einem Ehegatten von Dritten aufgrund persönlicher Beziehungen oder ähnlicher Umstände zufließen, an denen der andere Ehegatte keinen Anteil hat.

Die Vorwegnahme eines künftigen Erbgangs liegt in der Regel dann vor, wenn einem Abkömmling ein Grundstück, ein landwirtschaftliches Anwesen oder ein Unternehmen unter Lebenden übergeben wurde. Auf einen solchen Erwerbsvorgang deuten die Einräumung eines Leibgedinges, die Pflicht zu Ausgleichszahlungen an erbberechtigte Geschwister, die Übernahme von Beerdigungskosten und die Verpflichtung zur Grabpflege hin, selbst wenn von einem gewissen Übergewicht der kapitalisierten Gegenleistung auszugehen ist.

Zutreffend ist das LG zu dem Ergebnis gekommen, dass der als Kaufvertrag bezeichnete notarielle Kaufvertrag vom 28.1.1998 auch nach den genannten Grundsätzen nicht als Vertrag mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht i.S.d. § 1374 Abs. 2 BGB ausgelegt werden kann. Es fehlte an den dafür erforderlichen Anhaltspunkten. Vielmehr lagen ausreichend Indizien dafür vor, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Kaufvertrag um einen bewusst als solchen geschlossenen Austauschvertrag handelte, in welchem Leistung und Gegenleistung in einem Äquivalenzverhältnis stehen. An keiner Stelle befand sich ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass dieser mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht der Klägerin nach ihrer Mutter geschlossen worden war. Der Vertrag enthielt vielmehr Standardformulierungen eines gängigen Grundstückskaufvertrages (z.B. Regelungen für den Fall des Zahlungsverzuges, eine Unterwerfung der Klägerin unter die sofortige Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen, eine Eigentumsvormerkung).

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.11.2022 16:58
Quelle: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen

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