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Schutz vor Diskriminierung bei intensiv-medizinischer Behandlung (sog. Triage-Gesetz)

Am 25.11.2022 hat der Bundesrat die vom Bundestag am 10.11.2022 beschlossenen (BR-Drucks. 577/22) Änderungen am Infektionsschutzgesetz durch das 2. Gesetz zur Änderung des IfSG (BT-Drucks. 20/3877, 20/3953) gebilligt, die Menschen mit Behinderung im Fall knapper intensiv-medizinischer Kapazitäten vor Benachteiligung bewahren sollen.

Das Gesetz geht auf eine Entscheidung des BVerfG aus dem letzten Jahr zurück (BVerfG v. 16.12.2021 – 1 BvR 1541/20, FamRB 2022, 45). Dieses hatte vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie entschieden, dass sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG für den Staat ein Auftrag ergibt, Menschen wirksam vor einer Benachteiligung wegen ihrer Behinderung durch Dritte zu schützen. Besteht das Risiko, dass Menschen bei der Zuteilung knapper, überlebenswichtiger intensivmedizinischer Ressourcen wegen einer Behinderung benachteiligt werden, verdichtet sich der Schutzauftrag zu einer konkreten Schutzpflicht. Entscheidend ist, dass eine gesetzliche Regelung hinreichend wirksamen Schutz vor einer Benachteiligung wegen der Behinderung bewirkt.

Nach dem Gesetzesbeschluss ist künftig bei der ärztlichen Entscheidung ausschließlich die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit der betroffenen Patientinnen und Patienten relevant. Niemand darf benachteiligt werden, insbesondere nicht wegen einer Behinderung, des Grades der Gebrechlichkeit, des Alters, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. Das Gesetz bestimmt ausdrücklich, dass bereits zugeteilte überlebenswichtige intensivmedizinische Behandlungskapazitäten nicht mehr zur Disposition stehen, solange eine solche Behandlung noch indiziert ist und dem Patientenwillen entspricht. Darüber hinaus enthält es Regelungen zum Verfahren, in dem die Zuteilungsentscheidung zu treffen ist. Zuständig hierfür sind zwei mehrjährig intensivmedizinisch erfahrene und praktizierende Fachärztinnen und Fachärzte, die die Patientinnen oder Patienten unabhängig voneinander begutachtet haben.

Bevor eine Zuteilungsentscheidung notwendig wird, sind alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Engpass zu verhindern. Die Neuregelung ist ausschließlich für den Fall gedacht, dass dies nicht gelingt. Sie scheidet aus, wenn betroffene Patientinnen oder Patienten regional oder überregional verlegt und intensivmedizinisch behandelt werden können. Durch organisatorische Maßnahmen kann das Risiko, Zuteilungsentscheidungen treffen zu müssen, reduziert werden - wie zum Beispiel durch Verschiebung planbarer, nicht zeitkritischer Operationen oder durch Verteilung betroffener Patientinnen oder Patienten in andere Krankenhäuser. Zudem sind Krankenhäuser dazu verpflichtet, eine Zuteilungsentscheidung unverzüglich der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde anzuzeigen.

Damit ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen und nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten kann es am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.11.2022 12:27
Quelle: Bundesrat online v. 25.11.2022

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