Otto Schmidt Verlag

Aktuelle BGH-Rechtsprechung in Leitsätzen

Hier finden Sie die neuesten Entscheidungen aus der Rubrik "Aktuell" des anstehenden FamRB-Hefts, bevor sie von erfahrenen Praktikern für Sie in den folgenden Heften aufbereitet, mit Beraterhinweisen versehen und die Konsequenzen für Ihre Praxis aufgezeigt werden.
 


BGH, Beschl. v. 22.11.2022 – XI ZB 13/22
Fristenkontrolle: Kein Rückgriff auf Organisationsverschulden auf erster Stufe bei Versagen der Ausgangskontrolle auf zweiter Stufe
Ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten auf der ersten Stufe der Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze (hier: fehlerhafte Streichung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender) steht einer Wiedereinsetzung ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung Vorsorge dafür getroffen wurde, dass auf der zweiten Stufe der Ausgangskontrolle bei normalem Verlauf der Dinge die Frist mit Sicherheit gewahrt worden wäre. Versagt diese Kontrolle, ist ein Rückgriff auf ein Anwaltsverschulden auf der ersten Stufe der Ausgangskontrolle ausgeschlossen.


BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22
Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der Einreichung als elektronisches Dokument bereits bei Ersatzeinreichung
Ist es dem Rechtsanwalt bereits im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung des Dokuments darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen; in diesem Fall genügt es nicht, wenn der Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft macht.


BGH, Beschl. v. 16.11.2022 – XII ZB 212/22
Keine Verpflichtung des Vorsorgebevollmächtigten zur Erbringung tatsächlicher Pflegeleistungen oder zur persönlichen Hilfe im Alltag
Soweit in einer Vorsorgevollmacht keine anderweitigen Regelungen enthalten sind, berechtigt die Vorsorgevollmacht den Bevollmächtigten nur zur rechtlichen Vertretung, verpflichtet aber nicht zur persönlichen Betreuung des Vollmachtgebers. Der Vorsorgebevollmächtigte hat nur die notwendigen tatsächlichen Hilfen zu besorgen, nicht jedoch selbst zu leisten.


BGH, Beschl. v. 16.11.2022 – XII ZB 184/22
Voraussetzungen der weiteren, länger andauernden zivilrechtlichen Unterbringung in geschlossener Einrichtung
a) Auch bei einer bereits länger andauernden Unterbringung setzt die gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgende (weitere) zivilrechtliche Unterbringung eine nach wie vor bestehende ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betroffenen voraus (im Anschluss an BGH v. 14.3.2018 – XII ZB 629/17, BGHZ 218, 111 = FamRZ 2018, 950).
b) Besonderheiten können sich bei einer bereits mehrere Jahre währenden Unterbringung allerdings mit Blick auf die Feststellung der von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorausgesetzten Gefährdung von Leib oder Leben des Betroffenen und die hierfür gebotene Begründungstiefe der gerichtlichen Entscheidung sowie für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung ergeben (im Anschluss an BGH v. 14.3.2018 – XII ZB 629/17, BGHZ 218, 111 = FamRZ 2018, 950).


 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.01.2023 10:14
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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