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Strategien des anwaltlichen Vertreters im "vereinfachten Unterhaltsverfahren" (Stockmann, FamRB 2023, 336)
Der Beitrag bezweckt, auf die in der Praxis auftretenden Probleme des „Vereinfachten Verfahrens über den Unterhalt Minderjähriger“ aufmerksam zu machen. Er erhebt nicht den Anspruch einer umfassenden Kommentierung aller Rechtsfragen des vereinfachten Unterhaltsverfahrens. Vielmehr sollen im ersten Teil des Beitrags nach einem generellen Überblick über dieses Institut (I.) dem anwaltlichen Berater des Unterhaltsgläubigers (II.) Hinweise gegeben werden, durch welches Vorgehen er die Interessen seines Mandanten am besten wahrnehmen kann. Die Strategien für den anwaltlichen Berater des Unterhaltsschuldners (III.) folgen in einem zweiten Beitragsteil.
I. Allgemeine Verfahrensgrundsätze des v.V.
1. Keine Anwaltspflicht, aber Familienstreitsache
2. Funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers
3. Verfahrenskostenhilfe (VKH)
4. Kein Gerichtskostenvorschuss
5. Formale Prüfung des Festsetzungsantrags
6. Rechtliches Gehör für den Antragsgegner
7. Verfahrensweise nach der Stellungnahme des Antragsgegners
a) Keine inhaltliche Stellungnahme des Antragsgegners
b) Antragsgegner erhebt unzulässige oder unbegründete Einwendungen
c) Antragsgegner erhebt begründete Einwendungen gegen die Zulässigkeit des v.V.
d) Antragsgegner erhebt zulässige Einwendungen gegen die Begründetheit des Festsetzungsantrags
II. Strategische Überlegungen bei der Interessenvertretung des Unterhaltsgläubigers
1. Gegenstand des v.V.
a) Umfang des durchsetzbaren materiell-rechtlichen Anspruchs
b) Ausschluss der Statthaftigkeit
aa) Bereits bestehende anderweitige Titulierung oder anderweitig anhängiges Verfahren
bb) Von der Standardsituation abweichende Fallgestaltungen
cc) Keine Scheidungsfolgesache
2. Vertretung des Anspruchsinhabers
3. Formelle Voraussetzungen für die Antragstellung
a) Formularzwang
b) Örtliche Zuständigkeit
4. Rechtsbehelf gegen Zurückweisung des Festsetzungsantrags
5. Antragstellung auf Übergang ins streitige Verfahren
a) Zwar formfrei ...
b) ... aber fristgebunden
c) Antragserweiterung
d) Streitiges Verfahren: Neues eigenständiges Verfahren
6. Antrag auf Abänderung des Festsetzungsbeschlusses
7. Zusammenfassung: „Lohnt sich“ das v.V. für den Unterhaltsgläubiger?
I. Allgemeine Verfahrensgrundsätze des v.V.
1. Keine Anwaltspflicht, aber Familienstreitsache
a) Das v.V. ist nicht anwaltspflichtig. Dies ergibt sich aus § 257 Satz 1 FamFG, wonach Anträge und Erklärungen in diesem Verfahren vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden können. Gemäß § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG, der auf § 78 Abs. 3 ZPO Bezug nimmt, in dem Verfahrenshandlungen vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle angesprochen werden, führt dies zu einem Wegfall der durch § 114 Abs. 1 FamFG begründeten Anwaltspflicht.
Dies gilt für alle Verfahrensabschnitte des v.V., also auch für die Einlegung und Durchführung einer Beschwerde oder die Stellung bzw. die Rücknahme eines Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens gem. § 255 Abs. 1 FamFG.
Im streitigen Verfahren selbst ist jedoch eine anwaltliche Vertretung ebenso erforderlich wie bereits für die Anbringung eines Änderungsantrags nach § 240 FamFG.
b) Soweit vereinzelt aus dem fehlenden Anwaltszwang gefolgert wird, das v.V. sei keine Familienstreitsache, wird Ursache und Wirkung miteinander verwechselt: Wegen § 112 Nr. 1 FamFG hat das v.V. den Charakter einer Familienstreitsache, da es die in § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG erwähnte durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betrifft. Der für Familienstreitverfahren gem. § 114 Abs. 1 FamFG grundsätzlich vorgesehene Anwaltszwang entfällt nur deshalb, weil die bereits erwähnte Bestimmung des § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG eingreift.
c) Daraus ergibt sich, dass – abgesehen von der besonders geregelten Postulationsfähigkeit – hinsichtlich der übrigen Verfahrensbestimmungen die Verweisung des § 113 Abs. 1 FamFG auf die dort genannten Verfahrensbestimmungen der ZPO zu beachten ist und nicht die entsprechenden Regelungen des FamFG zur Anwendung gelangen.
Beispiel
Anträge und Erklärungen können gem. § 129a Abs. 1 ZPO vor der Geschäftsstelle eines jeden AG abgegeben werden und nicht nur – was § 25 Abs. 1 FamFG vorsieht – bei der Geschäftsstelle des „zuständigen Gerichts“.
2. Funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers
Nach § 25 Nr. 2 lit. c RPflG ist das v.V. dem Rechtspfleger übertragen. Hieraus folgt nicht, dass gegen dessen Entscheidungen in jedem Fall die Rechtspflegererinnerung nach § 11 RPflG eröffnet wäre. Erforderlich ist eine differenzierte Betrachtungsweise, die berücksichtigt, ob gegen die fragliche Entscheidung nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften ein Rechtsmittel gegeben wäre (hierzu unter III. 3. im zweiten Teil des Beitrags) oder nicht (hierzu unter II. 4.).
Die Zuständigkeit des Rechtspflegers endet mit der Stellung eines Antrags für einen Verfahrensschritt, der in die Zuständigkeit des Richters fällt. Dies kann sein
- ein Antrag auf Übergang in das („normale“) streitige Verfahren gem. § 255 FamFG
- eine Beschwerde gegen einen vom Rechtspfleger erlassenen Festsetzungsbeschluss gem. § 256 FamFG
- ein Antrag auf Abänderung eines vom Rechtspfleger erlassenen Festsetzungsbeschlusses gem. § 240 FamFG.
3. Verfahrenskostenhilfe (VKH)
Nach ganz überwiegender Meinung ist sowohl dem Antragsteller als auch dem Antragsgegner – sofern die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind – für das v.V. VKH zu bewilligen und – obwohl kein Anwaltszwang besteht – ein Rechtsanwalt beizuordnen. Die Verfahrensgestaltung kann von einem Laien nicht beherrscht werden und erfordert daher...
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