Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

Wohngeld-Plus + Unterhalt (Schürmann, FamRB 2023, 468)

Für unterhaltsrechtliche Entscheidungen hat das Wohngeld eine nur untergeordnete Bedeutung. Mit dessen Einfluss auf das Einkommen hat sich die Rechtsprechung nie wirklich anfreunden können. Angesichts der variablen Berechnungsgrößen (§ 4 WoGG) mit einer entsprechend komplexen Berechnungsformel (§ 19 WoGG) ist dies nicht verwunderlich, zumal wechselnde Familiengrößen und der gezahlte sowie empfangene Unterhalt die Höhe des Anspruchs verändern (§ 14 Abs. 2 Nr. 20, § 18 WoGG). Das Wohngeld entzieht sich damit den gängigen Berechnungsmustern (so schon Conradis / Jansen, FamRB 2022, 234).

I. Unterhaltsrechtliche Rechtsprechung zum Wohngeld
II. Veränderungen durch das Wohngeld-Plus-Gesetz
III. Funktion und Bewilligungsvoraussetzung

1. Struktur des Wohngelds
2. Die Grundlagen der Bemessung
3. Ausschluss vom Wohngeld
IV. Wohngeld im Familienrecht
1. Höchstbeträge für Mieten – angemessene Wohnkosten
2. Unterhalt verändert das Gesamteinkommen
3. Wohngeld für mehrere Haushaltsmitglieder
4. Änderungen der Bewilligungsvoraussetzungen
V. Resümee


I. Unterhaltsrechtliche Rechtsprechung zum Wohngeld

Der BGH hatte schon früh entschieden, dass bei der Bemessung des Unterhalts auch das Wohngeld als Einkommen zu berücksichtigen sei. Er hat diese Leistung mit einem oftmals erhöhten Wohnkostenbedarf verknüpft, auf den das Wohngeld vorrangig anzurechnen sei. Lediglich eine verbleibende Differenz sei als Einkommen zu berücksichtigen. Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien haben diese Rechtsprechung zwar mit leicht unterschiedlichen Formulierungen übernommen (Ziff. 2.3); in der Praxis überwiegt indes die Auffassung, dass erhöhte Wohnkosten das Wohngeld vollständig aufzehren.

Andererseits wird eine Anpassung des Selbstbehalts aufgrund erhöhter Wohnkosten oft mit dem Postulat abgewehrt, es obliege dem Unterhaltspflichtigen, diese durch die Inanspruchnahme von Wohngeld zu senken und hierzu fehle entsprechender Sachvortrag. Allerdings handelt es sich bei der Frage, ob überhaupt ein Anspruch auf Wohngeld in Betracht gekommen wäre, um keine klärungsbedürftige Tatsache, sondern um eine anhand der im Unterhaltsverfahren festgestellten Einkommensverhältnisse vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage. Mag die Berechnung im Einzelfall mühsam sein, genügte bis vor kurzem ein Blick in die amtlichen Wohngeldtabellen, um festzustellen, dass die Einkommenshöchstgrenzen für eine Einzelperson so gering waren, dass es einem Unterhaltspflichtigen schlicht nicht möglich war, sein für den Unterhalt einzusetzendes Einkommen durch Wohngeld aufzubessern. Erst recht galt dies, wenn mit der Zurechnung eines fiktiven Nebenverdienstes ein nochmals höheres Gesamteinkommen anzusetzen gewesen wäre.

Beispiel 1a (Rechtslage 2022)
Der Unterhaltspflichtige verfügt über ein Einkommen von brutto 2.000 €; netto rund 1.450 €. Seine für Münster (Mietenstufe V) angemessene Bruttokaltmiete beträgt 500 €. Nach dem pauschalen Abzug von Werbungskosten und Abgaben ergibt sich ein Gesamteinkommen von 1.330 €, bei dem in 2022 kein Anspruch auf Wohngeld besteht. Es müssten 225 € Unterhalt gezahlt werden, um einen Anspruch von 10 € Wohngeld zu erreichen. Im benachbarten Hamm (Mietenstufe II) ergäbe sich aufgrund der niedrigeren Grenzwerte auch dann noch kein Anspruch auf Wohngeld.

II. Veränderungen durch das Wohngeld-Plus-Gesetz
Die vorstehend skizzierten Verhältnisse haben sich durch das zum 1.1.2023 in Kraft getretene „Wohngeld-Plus-Gesetz“ erheblich verändert. Nach einer Mitteilung der Bundesregierung soll sich die Zahl der in 2023 wohngeldberechtigten Haushalte von rund 600.000 auf etwa 2 Millionen Haushalte mehr als verdreifacht haben – und das mit einer im Durchschnitt verdoppelten Leistung.

Das Ziel, Haushalte mit niedrigem Einkommen bei den Wohnkosten nachhaltig zu unterstützen, sollen insbesondere drei Maßnahmen bewirken:

  • 1. Ergänzung um eine dauerhafte Heizkostenkomponente (§ 12 Abs. 6 WoGG)
  • 2. Einführung einer Klimakomponente (§ 12 Abs. 7 WoGG)
  • 3. Anpassung der Wohngeldformel (§ 19 WoGG).

Zusammen mit einer Fortschreibung der Höchstbeträge (Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 WoGG, § 23 WoGV) steigen sowohl die Grenzbeträge für die zu berücksichtigende Miete bzw. Belastung als auch die Einkommensgrenzen erheblich, bis zu denen Wohngeld beansprucht werden kann. Für eine Einzelperson liegen diese nunmehr zwischen 1.370 € (Mietenstufe 1) und 1.540 € (Mietenstufe 7).

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.11.2023 15:47
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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