Otto Schmidt Verlag

BGH 4.8.2010, XII ZR 7/09

Zum Unterhaltsmaßstab bei einer sog. "Altersehe"

Auch im Rahmen des Altersunterhalts bestimmt sich der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs, der regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt, dass der nach § 1578b BGB herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss.

Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten im März 1995 geheiratet. Für den seinerzeit 58-jährigen Antragsteller war es die zweite, für die 54-jährige Antragsgegnerin die dritte Ehe. Die Parteien vereinbarten den Güterstand der Gütertrennung. Der Antragsteller ist seit August 1996 Rentner. Die Antragsgegnerin war während der Ehe nicht berufstätig und bezieht seit September 2000 Altersrente.

Die Parteien trennten sich im Juni 2006 und wurden im Oktober 2008 rechtskräftig geschieden. Gleichzeitig wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt, durch den zu Lasten der vom Antragsteller bezogenen Versorgungen Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin von insgesamt 43,20 € begründet wurden. Das AG hatte den Antragsteller zu nachehelichem Unterhalt von rund 542 € verurteilt und setzte den Unterhalt von Beginn an gem. § 1578b Abs. 1 BGB herab. Das OLG setzte den Unterhalt bis zum 30.9.2010 auf 718 € fest und ab Oktober 2010 auf 443 € herab. Der Antragsteller begehrte in seiner Revision wie schon zuvor die Abweisung der über monatlich 100 € hinausgehenden Klage. Die Antragsgegnerin verfolgte ihren Unterhaltsanspruch i.H.v. monatlich 818 € weiter.

Der BGH hob das Berufungsurteil auf, soweit der Antragsteller zu höherem Unterhalt als monatlich 100 € verurteilt worden war und soweit die Unterhaltsklage der Antragsgegnerin ab dem 1.10.2010 i.H.v. 275 € (718 € - 443 €) abgewiesen worden war. Der Senat wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Hinsichtlich der Rechtsfolgen nach § 1578b BGB, die das OLG aus den von ihm herangezogenen Gesichtspunkten abgeleitet hatte, blieb das Berufungsurteil nicht frei von Beanstandungen.

Bei der Frage, ob ehebedingte Nachteile i.S.d. § 1578b Abs. 1 BGB vorliegen, ist der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden. Das gilt allerdings nicht, wenn die vom Unterhaltsberechtigten aufgrund der ehelichen Rollenverteilung erlittene Einbuße bei seiner Altersvorsorge durch den Versorgungsausgleich nicht vollständig erfasst wird, weil der Unterhaltspflichtige - wie hier - nur für einen geringen Teil der Ehezeit Rentenanwartschaften erworben hat.

Zu Unrecht war das OLG davon ausgegangen, dass der Unterhaltsanspruch stets zu begrenzen sei, wenn keiner der in der Vorschrift angeführten Billigkeitsgründe entgegensteht. Diese Auffassung lässt sich mit der in § 1578b BGB getroffenen gesetzlichen Regelung nicht vereinbaren. Denn zum einen ist die Aufzählung der Billigkeitsgründe in § 1578b Abs. 1 BGB nicht abschließend, sondern es werden dort die - freilich wichtigsten - Gesichtspunkte für die anzustellende Würdigung nur exemplarisch genannt. In die Billigkeitsbetrachtung sind also auch vom Gesetz nicht ausdrücklich aufgeführte Einzelfallumstände für oder gegen eine Herabsetzung oder Befristung einzubeziehen. Zum anderen hatte das OLG das in § 1578b BGB zum Ausdruck kommende Regel-/Ausnahmeverhältnis verkannt.

Durchgreifenden Bedenken begegnete schließlich der vom Berufungsgericht für die Herabsetzung des Unterhalts gewählte Maßstab für den angemessenen Lebensbedarf i.S.v. § 1578b Abs. 1 BGB. Auch im Rahmen des Altersunterhalts bestimmt sich der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs, der regelmäßig die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Dabei ist auf die konkrete Lebenssituation des Unterhaltsberechtigten abzustellen. Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zugleich, dass der nach § 1578b BGB herabgesetzte Unterhaltsbedarf jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss.

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    Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.10.2010 13:46
    Quelle: BGH online

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