Otto Schmidt Verlag

BGH 30.6.2010, XII ZR 9/09

Unbilligkeitsregelung des § 1578 b BGB ist im Hinblick auf Befristung des Krankheitsunterhalts nicht verfassungswidrig

§ 1578 b BGB ist - auch - im Hinblick auf die Befristung des Krankheitsunterhalts nicht wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig. Eine psychische Erkrankung des unterhaltsbedürftigen Ehegatten stellt auch dann nicht zwangsläufig einen ehebedingten Nachteil dar, wenn sie durch die Ehekrise und Trennung ausgelöst wurde.

Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten 1986 geheiratet. Im November 1997 wurde die kinderlose Ehe wieder geschieden. Fünf Jahre nach Rechtskraft der Scheidung wurde die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber der Beklagten gem. § 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. herabgesetzt und beträgt seitdem etwa 820 €. Der Kläger begehrte die Befristung des Unterhalts und berief sich dabei auf die seit 2008 geänderte Gesetzeslage sowie die Unbilligkeit einer weiteren Unterhaltspflicht.

Die Beklagte leidet an einer paranoiden Psychose. Nach einem im Vorprozess eingeholten psychiatrischen Gutachten hat die Krankheit ihre Wurzeln in der Kindheit (Verhältnis der Beklagten zu ihren Eltern), ist jedoch erst durch die Ehekrise und Trennung der Parteien im Jahr 1996 zu Tage getreten. Mittlerweile steht fest, dass die Beklagte dauerhaft arbeitsunfähig ist.

Das AG befristete den Unterhalt bis einschließlich November 2008; das KG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Klage zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das KG zurück.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat den rechtlichen Rahmen der gem. § 1578 b Abs. 2 BGB in Bezug auf den Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB zu treffenden Billigkeitsbetrachtung verkannt.

Der Unterhalt ist vom Familiengericht zu befristen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. § 1578 b BGB ist hingegen - auch - im Hinblick auf die Befristung des Krankheitsunterhalts nicht wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig.

Unter ehebedingten Nachteilen sind vornehmlich solche Einbußen zu verstehen sind, die sich aus der Rollenverteilung ergeben, nicht aber aus sonstigen persönlichen Umständen, die etwa mit dem Scheitern der Ehe zusammenhängen. Die Erkrankung der Beklagten war bereits vor der Ehe angelegt. Auch wenn ihr Ausbruch schließlich durch die Ehekrise ausgelöst wurde, lag Ursache nicht in der Ehe als solcher oder der mit ihr verbundenen Rollenverteilung, sondern in den persönlichen Umständen der Parteien und ihrer schicksalhaften Entwicklung. Grundsätzlich gilt, dass eine psychische Erkrankung des unterhaltsbedürftigen Ehegatten auch dann keinen ehebedingten Nachteil darstellt, wenn sie durch die Ehekrise und Trennung ausgelöst wurde.

Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung des § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt.

Eine wesentliche Neuerung des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 21.12.2007 besteht darin, dass die Befristungsmöglichkeit über den Unterhalt nach § 1573 BGB hinaus auch auf die weiteren Unterhaltsansprüche, insbesondere also auch auf den Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB, ausgedehnt werden sollte. Insofern kommt es darauf an, welches Vertrauen der Unterhaltsbedürftige angesichts des Verlaufs der Ehe auf den Fortbestand des Unterhalts haben durfte. Wesentliche Aspekte sind dabei die Ehedauer, die Rollenverteilung während der Ehe wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei der Beurteilung der Unbilligkeit sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien sowie Umfang und Dauer der vom Unterhaltspflichtigen bis zur Scheidung erbrachten Trennungsunterhaltsleistungen von Bedeutung. Diese Punkte hatte das Berufungsgericht allerdings nicht fehlerfrei gewürdigt.

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    Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.10.2010 13:35
    Quelle: BGH online

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