Otto Schmidt Verlag

Niedersächsisches FG 28.3.2012, 7 V 4/12

Kein Splitting-Verfahren für Alleinerziehende

Alleinerziehenden steht aus verfassungsrechtlichen Gründen weder das Ehegatten-Splitting noch ein Familien-Splitting zu. Die Höhe der Grund- und Kinderfreibeträge und des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende (2008) sind bei summarischer Prüfung nicht verfassungswidrig.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist verwitwet und hat zwei minderjährige Kinder. Im Hauptsacheverfahren macht sie geltend, ihre Besteuerung als Alleinerziehende sei verfassungswidrig. Gegenüber einem zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehepaar (mit oder ohne Kinder) und gegenüber einem geschiedenen Ehepaar, das ein Real-Splitting in Anspruch nehme, zahle sie bei gleich hohen Einkünften mehrere tausend Euro mehr Einkommensteuer.

Ein Familien-Splitting sei verfassungsrechtlich geboten. Im Übrigen seien die Grund- und Kinderfreibeträge und der Entlastungsbetrag zu niedrig und damit verfassungswidrig. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt die Antragstellerin, die von ihr nach Erhalt des Einkommensteuerbescheides nachgezahlte Einkommensteuer und die von ihr geleisteten Vorauszahlungen an sie zurückzuzahlen, soweit sie eine von ihr nach dem Modell eines Familien-Splittings errechnete Einkommensteuer übersteigen.

Das FG wies den Antrag zurück. Die Beschwerde der Antragstellerin ist beim BFH unter dem Az. III B 68/12 anhängig.

Die Gründe:
Es bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides und an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen der §§ 25 ff. EStG, nach denen die Antragstellerin als nicht verheiratete Alleinerziehende gem. §§ 25, 32a Abs. 1 EStG einzeln (unter Anwendung der Grundtabelle) und nicht gem. §§ 26 ff., 32a Abs. 5 EStG wie Eheleute (unter Anwendung der Splitting-Tabelle) zur Einkommensteuer zu veranlagen ist.

Die derzeitige Besteuerung nach der Grundtabelle ist nicht verfassungswidrig. Auch wenn die von einer Alleinerziehenden erzielten Einkünfte gleich hoch sind wie die zusammengerechneten Einkünfte eines Ehepaares und ein Alleinerziehende(r) mehrere tausend Euro mehr Einkommensteuer als das zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehepaar zu zahlen hat, liegt kein verfassungswidriger Begünstigungsausschluss vor. Es handelt sich um unterschiedliche Sachverhalte, die die steuerliche Ungleichbehandlung rechtfertigten. Auch eine nach neuerer Rechtsprechung der Finanzgerichte denkbare bzw. verfassungsrechtlich gebotene Anwendung des Splitting-Verfahrens auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft führt nicht zu einem vergleichbaren Anspruch eines Alleinerziehenden.

Das Ehegatten-Splitting gewährleistet die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungsfreiheit der Eheleute zur Gestaltung ihrer ehelichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse und ist nach der Rechtsprechung des BVerfG keine beliebig veränderbare Steuervergünstigung, sondern verfassungsrechtlich geboten. Es diskriminiert nicht die Ehefrau bzw. den Partner mit dem niedrigeren Einkommen. Niedrigere Erwerbstätigkeitsquoten und niedrigere Durchschnittseinkommen von Frauen sind nicht Folge des Splitting-Verfahrens, sondern durch die wirtschaftlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt und die individuell aus vielfältigen Gründen getroffenen persönlichen Entscheidungen bedingt.

Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, in systematisch unterschiedlicher Weise die Freiheit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgestaltung einerseits durch das Wahlrecht für die Zusammenveranlagung (mit Splitting-Verfahren) und die Kind bedingten Belastungen andererseits durch die Gewährung von Kindergeld bzw. den Abzug von Kinderfreibeträgen und nicht im Wege eines Familiensplittings zu berücksichtigen. Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung sind nicht die Gerichte, sondern der Gesetzgeber dazu berufen, diese Regelungen zu überprüfen und ggf. zu ändern. Schließlich ist auch die Höhe der Grund- und Kinderfreibeträge und des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende im Jahr 2008 bei summarischer Prüfung nicht evident zu niedrig und damit nicht verfassungswidrig.

Linkhinweis:

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.09.2012 13:43
Quelle: Niedersächsisches FG PM vom 14.9.2012

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