Otto Schmidt Verlag

BGH 5.12.2012, XII ZB 652/11

Zur Zuständigkeit der Familiengerichte bei mietrechtlichen Streitigkeiten unter geschiedenen Eheleuten

Mit § 266 FamFG hat der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert ("Großes Familiengericht"). Streitigkeiten aus Mietverträgen (einschließlich gewerblicher Mietverträge), die Eheleute untereinander geschlossen haben, können demzufolge durchaus sonstige Familiensachen i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG sein.

Der Sachverhalt:
Die Parteien waren seit April 2011 rechtskräftig geschiedene Eheleute, die sich bereits 2009 getrennt hatten. Das Zugewinnausgleichsverfahren war während des vorliegenden Verfahrens noch beim Familiengericht  anhängig. Vor der Scheidung hatten die Parteien mit ihrem Sohn das im Eigentum der Klägerin stehende Haus bewohnt. Darin befindet sich eine Einliegerwohnung, die der Beklagte von der Klägerin im Januar 1998 zum Betrieb eines Ingenieurbüros angemietet hatte. Die Klägerin begehrte von dem Beklagten nach der Scheidung Mietzahlungen für die Zeit von September 2009 bis Juli 2011.

Der Beklagte wandte dagegen ein, dass man sich im Zuge der Trennung darauf geeinigt habe, dass der Sohn einen Großteil der von ihm zuvor gewerblich genutzten Einliegerwohnung nutze. Gleichzeitig habe er, der Beklagte, Darlehen, die das Haus beträfen, bedient. Zudem habe die Klägerin nicht mehr zum Familienunterhalt und dem Unterhalt des Kindes beigetragen. Hierdurch und insbesondere durch die Neuverteilung der Räumlichkeiten in dem Haus sei das gewerbliche Mietverhältnis stillschweigend aufgehoben worden.

Das von der Klägerin angerufene LG erklärte sich für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das AG - Familiengericht; das OLG erklärte hingegen den Rechtsweg zu den Gerichten der streitigen Zivilgerichtsbarkeit für zulässig. Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache an das AG.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des OLG war die Streitsache als sonstige Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu qualifizieren. Es kam für die Prüfung, ob der zur Entscheidung anstehende Verfahrensgegenstand eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit oder eine Familiensache darstellt, nicht allein auf den Vortrag der Klägerseite, sondern ebenfalls auf das Verteidigungsvorbringen der Gegenseite an.

Zwar wird auch die Auffassung vertreten, dass es für die Frage der Zuständigkeit ausschließlich auf den Vortrag des Klägers bzw. Antragstellers ankommen soll. Allerdings darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit ("Waffengleichheit") der Parteien und dem Anspruch auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG regelmäßig nicht vereinbar wäre, wenn das Gericht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges den Sachvortrag des Beklagten nicht zur Kenntnis nähme und seine Zuständigkeit allein auf der Grundlage eines schlüssigen, aber bestrittenen und nicht bewiesenen Klägervortrags bejahte. Hinzu kommt, dass sich gem. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht allein aus dem geltend gemachten Anspruch ergibt, sondern erst aus dem Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe.

Mit § 266 FamFG hat der Gesetzgeber den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deutlich erweitert ("Großes Familiengericht"). Damit sollen bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, Familiensachen werden. Dabei hat der Begriff des Zusammenhangs nach der Gesetzesbegründung eine inhaltliche wie eine zeitliche Komponente. Ein inhaltlicher Zusammenhang liegt vor, wenn das Verfahren vor allem die wirtschaftliche Entflechtung der (vormaligen) Ehegatten betrifft. Inwieweit zwischen den (geschiedenen) Ehegatten bestehende Mietstreitigkeiten sonstige Familiensachen sein können, ist zwar streitig. Der Senat folgt aber der überwiegenden Meinung und ist der Ansicht, dass eine pauschale Zuordnung dieser Rechtsverhältnisse zu den allgemeinen Zivilgerichten ausscheidet.

Die Parteien hatten das Mietverhältnis während ihrer Ehe abgeschlossen. Zudem machte die Klägerin die Mietzahlungen für die Zeit ab September 2009 geltend, also dem Jahr, in dem sich die Parteien getrennt haben. Letztlich ist das Zugewinnausgleichsverfahren noch nicht abgeschlossen. Aus alledem ergab sich ein sachlicher Zusammenhang als auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Mietzinsforderung und Trennung bzw. Scheidung der Ehe. Die Geltendmachung der Miete fiel mit der Trennung der Parteien zusammen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.01.2013 11:20
Quelle: BGH online

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