Otto Schmidt Verlag

Schleswig-Holsteinisches FG 20.2.2013, 5 K 217/12

Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung elterlicher Aufwendungen für ein (2009) zur Ausbildung auswärtig untergebrachtes volljähriges Kind verfassungsgemäß

Bei der Frage, ob die steuerliche Entlastung von Eltern mit volljährigen, zu Ausbildungszwecken auswärts untergebrachten Kindern ausreichend sei, ist das gesamte betroffene Normengeflecht zu betrachten; § 33 a Abs. 2 EStG ist mithin insoweit nicht isoliert zu betrachten. Gegen die im Jahr 2009 geltenden gesetzlichen Regelungen der §§ 33 a Abs. 2 S. 1 EStG und § 32 Abs. 6 EStG zur Höhe der steuerlichen Berücksichtigung elterlicher Aufwendungen für ein zu Ausbildungszwecken auswärtig untergebrachtes Kind bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Sachverhalt:
Die Kläger sind Eltern einer gemeinsamen Tochter, die im Veranlagungszeitraum 2009 19 Jahre alt war. Die Tochter nahm im September 2009 außerhalb ihres elterlichen Wohnortes ein Studium auf und bezog an ihrem Studienort eine eigene Wohnung. Aufgrund ihrer eigenen Einkommenssituation und derjenigen ihrer Eltern erhielt die Tochter keine BAföG-Leistungen. Die Eltern kamen für den allgemeinen Lebensunterhalt, Miete und Krankenversicherungsbeiträge ihrer Tochter auf.

Das Finanzamt zog im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 entsprechend den gesetzlichen Regelungen zum einen die doppelten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG i.H.v. insgesamt 6.024 € (Kinderfreibetrag i.H.v. 1932 € sowie Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf i.H.v. 1080 €) vom Einkommen der Eltern ab. Zum anderen berücksichtigte es im Hinblick auf § 33 a Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung einen - bezogen auf den Beginn des Studiums der Tochter im September - anteiligen Ausbildungsfreibetrag i.H.v. 308 €. Nach Ansicht des Finanzamts konnten über diese Freibeträge hinaus keine weiteren Aufwendungen der Eltern steuermindernd berücksichtigt werden.

Die Kläger vertreten demgegenüber die Auffassung, dass Eltern, deren Kinder keine BAföG-Leistungen erhalten, gegenüber denjenigen Eltern, deren Kinder durch BAföG-Leistungen staatlich unterstützt werden, schlechter gestellt würden. Den konkreten Bedarf eines auswärtig untergebrachten Studenten habe der Gesetzgeber im BAföG gewissermaßen als studentisches Existenzminimum definiert. Zumindest in diesem Umfang müsse auch eine steuerliche Entlastung derjenigen Eltern erfolgen, deren Kinder nicht in den Genuss der staatlichen BAföG-Leistungen kämen.

Das FG wies die Klage ab. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Nach den gesetzlichen Regelungen stehen den Klägern lediglich die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und § 33 a Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 EStG in der gewährten Höhe zu. Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Aufwendungen für die Berufsausbildung von Kindern, insbes. auch für deren auswärtige Unterbringung, von Verfassungs wegen nicht genauso zu behandeln wie Aufwendungen für die Sicherung des Existenzminimums. Über die Verschonung der privaten Einkommensverwendung für Ausbildungskosten entscheidet der Gesetzgeber in erweiterter Gestaltungsfreiheit. Wählt er den Weg einkommensteuerlicher Absetzbarkeit, liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz jedenfalls dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber die Absetzbarkeit auf die "Hälfte der üblicherweise anfallenden Kosten" begrenzt. Der Gesetzgeber muss also nicht die Aufwendungen in realitätsgerechter Höhe oder in Höhe der BAföG-Sätze zum Abzug zulassen. Letztere können jedoch Ausgangspunkte für die Bemessung der "Hälfte der üblicherweise anfallenden Kosten" sein.

Nach der jüngeren BFH-Rechtsprechung (Urteile vom 17.12.2009 (VI R 63/08) und vom 25.11.2010 (III R 111/07), ist bei der Frage, ob die steuerliche Entlastung von Eltern mit volljährigen, zu Ausbildungszwecken auswärts untergebrachten Kindern ausreichend sei, das gesamte betroffene Normengeflecht zu betrachten; § 33 a Abs. 2 EStG ist mithin insoweit nicht isoliert zu betrachten. Von diesen Grundsätzen ausgehend bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im Streitjahr geltende Beschränkung des Abzugs. Nimmt man die Summe der doppelten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und des Freibetrags nach § 33 a Abs. 2 EStG übersteigt diese sogar noch den sich aus den mtl. BAföG-Sätzen für den allgemeinen mtl. Bedarf (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG) und den allgemeinen zusätzlichen Unterkunftsbedarf bei auswärtiger Unterkunft (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG) ergebenden Jahresbetrag.

I.Ü. ist die Vorgabe des BVerfG ("Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit zumindest auf die Hälfte der aus Sicht des Gesetzgebers üblicherweise anfallenden Kosten") selbst dann erfüllt, wenn man bei den BAföG-Sätzen auch noch einen erhöhten Bedarf für nachweislich höhere Mietkosten (§ 13 Abs. 3 S. 1 BAföG) und Krankenversicherungsbeträge (§ 13 a Abs. 1 BAföG) mit in die Vergleichsbetrachtung einbezieht. Auch darüber hinaus ist keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung festzustellen. Es liegen keine vergleichbaren Sachverhalte vor. Bei den BAföG-Leistungen handelt es sich um staatliche Sozialleistungen. Deren Zielrichtung stimmt bereits nicht mit der hier in Rede stehenden Zielrichtung der steuerlichen Freibeträge für unterhaltsverpflichtete Eltern überein.

Darüber hinaus ist auch noch zu berücksichtigen, dass auch die BAföG-Leistungen - jedenfalls im Rahmen der hier in Rede stehenden Förderung einer Ausbildung an einer Hochschule - im Streitjahr nicht in vollem Umfang als Zuschuss, sondern grundsätzlich zur Hälfte lediglich als Darlehen gewährt wurden (vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 BAföG) - wenn auch unverzinslich und mit großzügigen Rückzahlungsregelungen.

Linkhinweis:

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.07.2013 11:44
Quelle: Schleswig-Holsteinisches FG NL vom 25.6.2013

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