Otto Schmidt Verlag

BGH 20.11.2013, XII ZB 569/12

Zur Bestimmung des zur Mitwirkung in einem die Personensorge betreffenden Verfahren sachlich zuständigen Jugendamts

Die Zuweisung der Inobhutnahme bei unerlaubt eingereisten minderjährigen Ausländern und von Asylbewerbern nach Nr. 6 Abs. 1 bis 3 des Zuständigkeitskatalogs Ordnungsaufgaben zu § 2 Abs. 4 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin (ZustKat Ord) begründet eine sachliche Zuständigkeit der Senatsverwaltung nur für die Inobhutnahme, nicht aber auch für die Mitwirkung am familiengerichtlichen Verfahren. Im Hinblick auf die Mitwirkung am gerichtlichen Verfahren fehlt es an einer gesetzlichen Aufgabenzuweisung.

Der Sachverhalt:
Die nach ihren Angaben 1996 in Gambia geborene Betroffene meldete sich im Februar 2012 in der örtlichen Erstaufnahme- und Clearingstelle in Berlin Steglitz-Zehlendorf und bat, als minderjähriger unbegleitet eingereister Flüchtling in Obhut genommen zu werden. Die Beteiligte zu 3), die Senatsverwaltung, entsprach der Bitte und beantragte im vorliegenden Verfahren, hinsichtlich der nach ihrer Einschätzung noch minderjährigen Betroffenen das Ruhen der elterlichen Sorge der im Ausland lebenden Eltern festzustellen sowie Vormundschaft anzuordnen.

Das AG (Rechtspfleger) stellte das Ruhen der elterlichen Sorge fest. Auf die Beschwerde des Jugendamts (Beteiligter zu 4) ), hob das KG den amtsgerichtlichen Beschluss auf und verwies das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG zurück. Die Rechtsbeschwerde der Senatsverwaltung hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das KG ist zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend gem. § 151 Nr. 1 FamFG das Jugendamt zur Mitwirkung am Verfahren berufen ist. Die Mitwirkung muss allerdings nicht in der (formellen) Beteiligung am Verfahren bestehen. Nach § 162 Abs. 1 S. 1 FamFG ist das Jugendamt in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, vom Gericht zunächst lediglich anzuhören. Es wird allein durch die Anhörung noch nicht zum Verfahrensbeteiligten. Erst auf entsprechenden Antrag ist es vom Gericht nach §§ 7 Abs. 2 Nr. 2, 162 Abs. 2 S. 2 FamFG am Verfahren auch formell zu beteiligen. Das Beschwerderecht nach § 162 Abs. 3 S. 2 FamFG steht nur dem nach § 162 Abs. 1 S. 1 FamFG anzuhörenden zuständigen Jugendamt zu. Im vorliegenden Fall ist indessen nicht die örtliche Zuständigkeit nach §§ 87 b Abs. 1 S. 1, 86 SGB VIII fraglich, sondern die sachliche Zuständigkeit (§ 85 SGB VIII).

Nach § 85 Abs. 1 SGB VIII ist für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer Aufgaben nach dem SGB VIII der örtliche Träger sachlich zuständig, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Örtlicher und überörtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe i.S.d. § 69 Abs. 1 SGB VIII ist nach § 33 Abs. 1 S. 1 des Berliner Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG Berlin) das Land Berlin. Nach § 33 Abs. 1 S. 2 AG KJHG Berlin nehmen die Jugendämter der Bezirke die Aufgaben des örtlichen Trägers nach § 85 Abs. 1 SGB VIII wahr und die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung (Landesjugendamt) die Aufgaben des überörtlichen Trägers nach § 85 Abs. 2 SGB VIII. Demnach ist hier das Jugendamt zuständig.

Eine ausnahmsweise Zuständigkeit des überörtlichen Trägers nach § 85 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII (Anregung und Förderung von Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen sowie deren Schaffung und Betrieb, soweit sie den örtlichen Bedarf übersteigen) ist nicht gegeben. Die Zuweisung der Inobhutnahme bei unerlaubt eingereisten minderjährigen Ausländern und von Asylbewerbern nach Nr. 6 Abs. 1 bis 3 des Zuständigkeitskatalogs Ordnungsaufgaben zu § 2 Abs. 4 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin (ZustKat Ord) begründet eine sachliche Zuständigkeit der Senatsverwaltung nur für die Inobhutnahme, nicht aber auch für die Mitwirkung am familiengerichtlichen Verfahren. Im Hinblick auf die Mitwirkung am gerichtlichen Verfahren fehlt es an einer gesetzlichen Aufgabenzuweisung. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache.

Das KG hat die Ermittlungen des AG zu den Voraussetzungen des Ruhens der elterlichen Sorge als nicht ausreichend angesehen. Es hat vor allem eine nähere Aufklärung des Alters der Betroffenen vermisst. Außerdem hat es für nicht hinreichend festgestellt erachtet, dass die Eltern die elterliche Sorge auf längere Zeit nicht ausüben können, und den von der Betroffenen angegebenen Tod ihrer Mutter nicht für genügend verifiziert gehalten. Die Beurteilung des KG hält sich im Rahmen tatrichterlicher Würdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.01.2014 12:21
Quelle: BGH online

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