Otto Schmidt Verlag

BGH 20.8.2014, XII ZB 155/13

Keine Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung bei Antrag beim Familiengericht

Der Verfahrensbevollmächtigte hat dafür zu sorgen, dass ein Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung innerhalb der laufenden Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Eine beim Familiengericht beantragte Firstverlängerung kann nicht wirksam durch einen Abteilungsrichter am Familiengericht gewährt werden, da über die Verlängerung der Begründungsfrist der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet (§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG i.V.m. § 520 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO).

Der Sachverhalt:
Mit Beschluss vom 9.11.2012, der dem Antragsgegner am 21.11.2012 zugestellt wurde, verpflichtete das AG - Familiengericht - ihn zur Zahlung von Kindesunterhalt an den Antragsteller. Hiergegen legte der Antragsgegner rechtzeitig Beschwerde ein. Mit einem am 15.1.2013 nach Dienstschluss beim AG eingegangenen Telefax beantragte der Antragsgegner die Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung. Die Akte lag zu der Zeit dem Rechtspfleger des AG vor. Am 18.1.2013 verfügte die Abteilungsrichterin des AG, den Vertretern der Beteiligten sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8.2.2013 gewährt werde.

Am 21.1.2013 holte die Kanzleiangestellte der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners beim AG die Auskunft ein, dass die beantragte Fristverlängerung gewährt sei. Am selben Tag verfügte das AG die Weiterleitung der Akte an das KG - Beschwerdegericht -, wo sie am 23.1.2013 eingegangen ist. Mit Verfügung des Vorsitzenden des Beschwerdesenats vom 31.1.2013 wurde dem Antragsgegner mitgeteilt, dass seinem Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung nicht stattgegeben werden könne, weil der Antrag erst nach Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist beim KG eingegangen sei. Am 8.2.2013 beantragte der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und holte die Beschwerdebegründung nach.

Das KG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Beschwerde. Die Beschwerdebegründungsfrist sei versäumt, weil das AG sie nicht wirksam habe verlängern können und die Akte mit dem Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist beim KG eingegangen sei. Die Frist sei auch nicht schuldlos versäumt. Die Bevollmächtigte des Antragsgegners habe ihre Kanzleiangestellte, die den Verlängerungsantrag an das AG adressiert und dort eingereicht habe, nicht ausreichend darüber unterrichtet, dass der Fristverlängerungsantrag auch dann beim Beschwerdegericht eingereicht werden müsse, wenn sich die Akte noch beim Familiengericht befinde. Der Anspruch auf ein faires Verfahren sei auch nicht dadurch verletzt, dass der Kanzleiangestellten telefonisch durch die Geschäftsstelle des AG die Fristverlängerung bestätigt worden sei.

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das KG hat zu Recht festgestellt, dass die Frist zur Beschwerdebegründung nicht gewahrt ist, da bis zu deren Ablauf am 21.1.2013 weder die Beschwerdebegründung noch ein Fristverlängerungsantrag beim KG eingegangen war. Die Frist war auch nicht wirksam durch die Abteilungsrichterin des AG verlängert worden, da über die Verlängerung der Begründungsfrist der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet (§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG i.V.m. § 520 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO).

Ebenso zutreffend hat das KG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt, da die Frist nicht schuldlos versäumt ist. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung gehört es zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. In einer Familienstreitsache ist die Begründung der Beschwerde beim Beschwerdegericht einzureichen (§ 117 Abs. 1 S. 2 FamFG). Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung der Frist, über die der Vorsitzende des Beschwerdegerichts entscheidet. Die schuldhafte Verkennung dieser eindeutigen Gesetzeslage ist dem Antragsgegner nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

An einen mit der Beschwerdeeinlegung betrauten Rechtsanwalt sind hinsichtlich der Ermittlung des für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen Gerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen. Die Klärung der Zuständigkeit fällt in seinen Verantwortungsbereich. Das Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten entfällt auch nicht dadurch, dass die Abteilungsrichterin des AG eine Fristverlängerung bewilligt hat und dies der Kanzleiangestellten der Bevollmächtigten auf deren telefonische Nachfrage mitgeteilt worden ist. Der daraus bei der Kanzleiangestellten entstandene Irrtum, welcher sie letztlich zur Streichung der Frist im Fristenkalender veranlasst hat, lässt die Fristversäumung nicht als unverschuldet erscheinen, weil er eine schlichte Folgewirkung der von der Verfahrensbevollmächtigten persönlich zu vertretenden Fehladressierung ist.

Die Entscheidung des KG verstößt auch nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Nach der auf eine Entscheidung des BVerfG zurückgehenden BGH-Rechtsprechung darf ein Rechtsuchender allerdings darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird. Das ist im vorliegenden Fall geschehen.

Der am 15.1.2013 nach Dienstschluss eingegangene Verlängerungsantrag hat der Geschäftsstelle am 16.1.2013 vorgelegen. Dies bewegt sich im Rahmen eines ordentlichen Geschäftsgangs. Dass die Abteilungsrichterin irrtümlich verfügt hat, den Vertretern der Beteiligten sei mitzuteilen, dass Fristverlängerung bis 8.2.2013 gewährt werde, hat den ansonsten ordentlichen Geschäftsgang nur um einen Tag verzögert. Ohne diese Verzögerung wäre die Aktenübersendung am Montag, den 21.1.2013, von der Geschäftsstelle veranlasst worden. Auch in diesem Fall wäre sie nicht mehr rechtzeitig am selben Tag, an dem auch die Frist ablief, beim KG eingegangen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.09.2014 10:07
Quelle: BGH online

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