Otto Schmidt Verlag

BGH 10.10.2018, XII ZB 231/18

Mutter-Mutter-Kind: Ehefrau der Kindesmutter wird nicht aufgrund der Ehe zum rechtlichen Mit-Elternteil

Die Ehefrau einer das Kind gebärenden Mutter ist (allein) aufgrund der bestehenden Ehe nicht als weiterer Elternteil des Kindes in das Geburtenregister einzutragen, da die bei verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren geltende Abstammungsregelung des § 1592 Nr. 1 BGB bei gleichgeschlechtlichen Ehepaaren nicht gilt. Die Ehefrau bleibt jedenfalls bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auf eine Adoption nach § 1741 Abs. 2 S. 3 BGB verwiesen, um in die rechtliche Elternstellung zu gelangen.

Der Sachverhalt:

Die Kindesmutter und die Antragstellerin lebten seit Mai 2014 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Nach Einführung der "Ehe für alle" schlossen sie am 12.10.2017 durch Umwandlung der Lebenspartnerschaft die Ehe. Am 3.11.2017 wurde das Kind geboren, das aufgrund gemeinsamen Entschlusses der beiden Frauen durch medizinisch assistierte künstliche Befruchtung mit Spendersamen einer Samenbank gezeugt worden war.

Im Geburtenregister wurde die Mutter eingetragen. Die Antragstellerin und Ehefrau wurde hingegen nicht als weiterer Elternteil eingetragen. Diese beantragte daraufhin beim Standesamt, den Geburtseintrag dahingehend zu berichtigen, dass sie als weitere Mutter aufgeführt werde, was das Amt allerdings ablehnte.

Das AG hat den Standesbeamten angewiesen, die Antragstellerin "als weiteres Elternteil bzw. als weitere Mutter" einzutragen. Auf die hiergegen vom Standesamt und der Standesamtsaufsicht eingelegten Beschwerden hat das OLG den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:

Die Antragstellerin hat keinen Berichtigungsanspruch. Das Geburtenregister ist nicht unrichtig, weil die Antragstellerin und Ehefrau der Kindesmutter nicht mit der Geburt rechtlicher Elternteil des Kindes geworden ist. Die allein in Betracht zu ziehende Elternstellung gem. oder entsprechend § 1592 Nr. 1 BGB scheidet aus, weil diese Vorschrift weder unmittelbar noch analog auf die Ehe zweier Frauen anwendbar ist.

Mit dem am 1.10.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 (sog. "Ehe für alle") hat der Gesetzgeber zwar die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt, jedoch das Abstammungsrecht (noch) nicht geändert. Die direkte Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Norm nach ihrem klaren Wortlaut allein die Vaterschaft regelt und diese aufgrund einer widerlegbaren Vermutung einem bestimmten Mann zuweist. Denn die Abstammungsregeln der §§ 1591 ff. BGB haben nach wie vor die Eltern-Kind-Zuordnung zu einer Mutter und einem Vater zum Gegenstand. Das Gesetz nimmt ausgehend davon, dass ein Kind einen männlichen und einen weiblichen Elternteil hat, eine Zuordnung des Kindes zu zwei Elternteilen unterschiedlichen Geschlechts vor.

Die Vorschrift ist auch nicht entsprechend anwendbar, weil die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vorliegen. Das Gesetz weist schon keine planwidrige Regelungslücke zu der Frage einer Mit-Elternschaft bei gleichgeschlechtlichen Ehepaaren auf. Zwar ist richtig, dass der Gesetzgeber mit der "Ehe für alle" bestehende Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität beenden und hierzu rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, beseitigen wollte. Er hat aber bislang von einer Reform des Abstammungsrechts bewusst Abstand genommen.

Das belegt etwa der Umstand, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz einen Arbeitskreis eingesetzt hat, der eine umfassende Reform des Abstammungsrechts vorbereiten sollte und sich dabei auch intensiv mit der Frage gleichgeschlechtlicher Elternschaft befasst hat. Dieser hat seinen Abschlussbericht am 4.7.2017 und damit wenige Tage vor Erlass des Gesetzes zur "Ehe für alle" vorgelegt, sodass der Bericht nicht mehr in das Gesetz zur Neuregelung der Ehe vom 20.7.2017 einfließen konnte. Daneben fehlt es auch an der für eine entsprechende Anwendung erforderlichen Vergleichbarkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe zweier Frauen mit der von § 1592 Nr. 1 BGB geregelten Elternschaft des mit der Kindesmutter verheirateten Mannes. Denn die Vaterschaft kraft Ehe beruht darauf, dass diese rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung auch die tatsächliche Abstammung regelmäßig abbildet. Die der gesetzlichen Regelung zugrunde liegende widerlegbare Vermutung der Vaterschaft ist für die mit der Kindesmutter verheiratete Frau dagegen keinesfalls begründet.

Die bestehende Rechtslage verstößt zuletzt nicht gegen das Grundgesetz oder die Europäische Menschenrechtskonvention. Insbesondere stellt es keine Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG dar, dass die Ehefrau der Kindesmutter anders als ein Ehemann nicht allein aufgrund der bei Geburt bestehenden Ehe von Gesetzes wegen rechtlicher Elternteil des Kindes ist. Vielmehr ist die Situation insoweit verschieden, als die Ehefrau rein biologisch nicht leiblicher Elternteil des Kindes sein kann. Dieser Unterschied rechtfertigt die im Rahmen des Abstammungsrechts nach wie vor bestehende abweichende Behandlung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Ehepaare und deren Kinder. Die Ehefrau einer Kindesmutter bleibt daher jedenfalls bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auf eine Adoption nach § 1741 Abs. 2 S. 3 BGB verwiesen, um in die rechtliche Elternstellung zu gelangen.

Linkhinweise:
 

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.10.2018 11:09
Quelle: BGH PM Nr. 172 vom 30.10.2018

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