Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

Einführung der Kindergrundsicherung - Neuerungen und Auswirkungen auf Unterhaltsansprüche (Siede, FamRB 2024, 117)

Die Regelungen des im Entwurf vorliegenden Gesetzes zur Einführung einer Kindergrundsicherung (BKG, BT-Drucks. 20/9092) werden auch mit für das Unterhaltsrecht bedeutsamen inhaltlichen Änderungen verbunden sein. Der Verfasser stellt die geplanten Neuerungen und ihre voraussichtlichen Auswirkungen dar und leitet hieraus erste Handlungsempfehlungen für die Praxis ab.

I. Einleitung
II. Aktuelle Rechtslage
III. Neuregelung durch das BKG

1. Kindergarantiebetrag
2. Kinderzusatzbetrag
3. Ansprüche auf Leistungen für Bildung und Teilhabe
4. Zuschüsse zur privaten Krankenversicherung/Pflegeversicherung
IV. Unterhaltsrechtliche Auswirkungen
1. Kindergarantiebetrag
a) Art. 15 Abs. 11 BKG
b) Anspruchsberechtigung hinsichtlich des Kindergarantiebetrags
2. Kinderzusatzbetrag
a) Berechtigung
b) Höhe
3. Regelung des Verhältnisses der Leistungen des BKG zu bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen
a) Grundsatz: Keine Auswirkungen des Unterhaltsrechts
b) Unterhalt als Einkommen des Kindes
c) Anspruchsübergang – einschränkende Auslegung von § 18 BKG
(1) ad a)
(2) ad b)
(3) ad c)
V. Empfehlungen für die Praxis
VI. Schlussbemerkung


I. Einleitung

Mit Wirkung zum 1.1.2025 soll das Gesetz zur Einführung einer Kindergrundsicherung (BKG) in seinen wesentlichen Teilen in Kraft treten (Art. 16 BKG). Der relativ lange Vorlauf rechtfertigt sich dadurch, dass zur Durchführung des Gesetzes erhebliche Vorarbeiten durch die Verwaltung einschließlich der Schaffung der für die elektronische Datenverarbeitung erforderlichen Struktur erforderlich sind. Durch das Gesetz soll der Zugang der Betroffenen zu den Leistungen der Kindergrundsicherung erleichtert werden. Zu diesem Zweck sollen die Leistungen gebündelt und aktiv im Wege eines „Kindergrundsicherungschecks“ den möglicherweise berechtigten Personen angeboten werden. Tatsächlich ist aber davon auszugehen, dass die Regelungen des BKG auch mit für das Unterhaltsrecht bedeutsamen inhaltlichen Änderungen verbunden sind, die im Folgenden dargestellt werden sollen. Hieraus werden Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet. Der Bundesrat hat durch Beschluss vom 24.11.2023 zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen. Der Gesetzentwurf wurde mit der Stellungnahme des Bundesrats und der Gegenäußerung der Bundesregierung mit Beschluss vom 15.12.2023 an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.

II. Aktuelle Rechtslage
Aufgrund der derzeit noch geltenden Rechtslage wird der Bedarf eines Kindes durch vielfältige und weit verstreute Leistungen, die sich hinsichtlich ihrer Voraussetzungen deutlich unterscheiden, abgedeckt:

Unterhaltsansprüche (§§ 1601 ff. BGB)

Öffentliche Leistungen:

  • Kindergeld (§§ 62 ff. EStG; BKGG)
  • Bürgergeld (Sozialgeld) gem. §§ 19, 20 SGB II; Bedarf: § 28 SGB XII, §§ 6-8 RBEG: subsidiär und Anspruchsübergang gem. § 33 SGB II
  • Kinderzuschlag gem. § 6a BKGG: nicht subsidiär; dient der Vermeidung von Inanspruchnahme von Grundsicherung
  • Leistungen zur Teilhabe und Bildung gem. § 28 SGB II, soweit kein Kinderzuschlag gewährt wird (§ 6b Abs. 2 BKGG)
  • diverse weitere Leistungen wie Wohngeld, BAföG.

Diese Leistungen werden durch unterschiedliche Stellen und nach unterschiedlichen Grundsätzen erbracht. Der Kinderzuschlag wird an Eltern für in deren Haushalt lebende Kinder erbracht, um die Inanspruchnahme von Grundsicherung für diese Bedarfsgemeinschaften zu vermeiden (§§ 6a-6c BKGG). Für Leistungen der Teilhabe nach §§ 28 ff. SGB II sind unterschiedliche Wege der Leistungserbringung vorgesehen (§§ 29, 30 SGB II).

III. Neuregelung durch das BKG
Durch das BKG sollen die Leistungen zur Bedarfsdeckung, zur Teilhabe und Bildung sowie zur Kranken- und Pflegeversicherung zusammengefasst und einheitlich durch die Bundesagentur für Arbeit als „Familienservice“ verwaltet und ausbezahlt werden. Dadurch soll erreicht werden, dass die zur Verfügung gestellten Leistungen auch tatsächlich in Anspruch genommen werden und den Kindern zugutekommen.

Weiterhin ist neu, dass formal der Kinderzusatzbetrag und Leistungen zur Teilhabe und Bildung nunmehr unmittelbar dem Kind und nicht den zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Eltern zustehen sollen (§§ 9, 20 BKG).

Die künftige Kindergrundsicherung setzt sich aus dem Kindergarantiebetrag, dem Kinderzusatzbetrag, Leistungen zur Bildung und Teilhabe sowie Zuschüssen zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung zusammen. Dabei entspricht der Kindergarantiebetrag dem bisherigen Kindergeld, der Kinderzusatzbetrag vereinigt – vereinfacht gesagt – Bürgergeld und Kinderzuschlag, die Leistungen zu Bildung und Teilhabe entsprechen strukturell den bisherigen Leistungen und ein Zuschlag zur Kranken- und Pflegeversicherung kommt für Kinder, die nicht familienversichert sind, in Betracht.

1. Kindergarantiebetrag
Der Kindergarantiebetrag entspricht dem bisherigen Kindergeld. Er wird einkommensunabhängig ausbezahlt (§ 3 BKG). Hinsichtlich des Kindergarantiebetrags ist es nicht gelungen, eine einheitliche Regelung durch das BKG zu schaffen. Wie bisher für das Kindergeld finden sich Regelungen im Abschnitt X des EStG sowie – nunmehr – anstelle des BKGG im ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.02.2024 15:56
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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