Otto Schmidt Verlag

FG Berlin-Brandenburg 11.12.2019, 3 K 3210/19

Kein Abzug von Aufwendungen für die ambulante Pflege von nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen lebenden Angehörigen?

Es erscheint – nicht zuletzt wegen der Häufigkeit solcher Sachverhalte – klärungswürdig und klärungsbedürftig, ob Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung von nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern in ihrem eigenen Haushalt lebenden Familienangehörigen im Rahmen von § 35a EStG als haushaltsnahe Dienstleistungen abziehbar sind, und falls ja, ob der Abzug voraussetzt, dass die Rechnung auf den Steuerpflichtigen ausgestellt ist.

Der Sachverhalt:
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2016 zusammen zur ESt veranlagt. Die 1933 geborene Mutter der Klägerin wohnt in einem eigenen Haushalt knapp 100 km vom Wohnort der Kläger entfernt. Sie bedurfte im Streitjahr Hilfe für Einkäufe und Wohnungsreinigung. Sie bezog im Streitjahr eine Rente i.H.v. monatlich etwa 272 € sowie ergänzende Leistungen der Sozialhilfe.

Im Januar 2015 war mit einer Sozialstation am Wohnort der Mutter eine Vereinbarung zur Erbringung von Pflegeleistungen abgeschlossen. Im Eingang des Vertrages ist die Mutter als Leistungsnehmerin aufgeführt, der Vertrag ist jedoch von der Klägerin unterschrieben. Die Rechnungen wiesen die Mutter als Rechnungsempfängerin aus und wurden der Klägerin übersandt. Die Rechnungen wurden von der Klägerin durch Banküberweisung beglichen und beliefen sich im Streitjahr auf insgesamt 1.071 €.

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für 2016 machten die Kläger den Gesamtbetrag ihrer Aufwendungen für die Mutter in geltend. Das Finanzamt lehnte den Abzug allerdings ab und führte aus, dass gem.§ 35a EStG der Steuerpflichtige (selbst) eine Rechnung erhalten haben müsse. Hier habe jedoch die Mutter die Rechnungen erhalten. Die Kläger wiesen darauf hin, es handele sich um einen Vertrag der Klägerin zugunsten der Mutter.

Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Die von der Klägerin für die ambulante Pflege der in ihrem eigenen Haushalt lebenden Mutter gezahlten Beträge sind nicht, insbesondere nicht gem. § 35a EStG, steuerlich abziehbar.

Ein Abzug gem. § 35a EStG scheitert zwar nicht an der Person des Rechnungsempfängers, jedoch gilt § 35a EStG – entgegen der Auffassung auch der Finanzverwaltung – nur für die ambulante Pflege von Angehörigen im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen, nicht für die ambulante Pflege von Angehörigen in deren eigenem (anderen) Haushalt. Aufgrund des Zwecks des Rechnungserfordernisses, nämlich der Verhinderung von Schwarzarbeit, muss sich aus der Rechnung der Leistungserbringer und der Leistungsempfänger ergeben. Dass der Leistungsempfänger und der Zahlende identisch sein müssten, ergibt sich daraus nicht.

Pflege- und Betreuungsleistungen für ambulante Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen sind jedoch gem. § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG nicht abziehbar. Im Ergebnis können daher zwar die Aufwendungen für die ambulante Pflege eines Angehörigen, der im Haushalt des Steuerpflichtigen lebt, nicht aber für die ambulante Pflege eines Angehörigen, der in seinem eigenen Haushalt lebt, abgezogen werden. Inzwischen ist geklärt (BFH-Urt. v. 3.4.2019, VI R 19/17), dass sowohl die Steuerermäßigung für (allgemeine) haushaltsnahe Dienstleistungen gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nur für die Inanspruchnahme von „eigenen“ haushaltsnahen Dienstleistungen beansprucht werden kann, als auch, dass die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG der Steuerpflichtige nur für die Aufwendungen im Zusammenhang mit seiner eigenen Heimunterbringung in Anspruch nehmen kann.

Es wäre ein erheblicher Wertungswiderspruch hierzu, würde man bei Aufwendungen für (ambulante) Pflege- und Betreuungsleistungen gem. § 35a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG die Anwendbarkeit von § 35a EStG nicht auf solche im Haushalt des Steuerpflichtigen (sei es für die eigene ambulante Pflege, sei es für die ambulante Pflege von Haushaltsangehörigen) beschränken, sondern bei ambulanter Pflege auch Aufwendungen für die Pflege Dritter (häufig Verwandter) außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen, im Haushalt des Dritten, mit einbeziehen. Der jetzige Wortlaut des Gesetzes ist allerdings nicht eindeutig, zumal zwar nicht im Zusammenhang des sachlichen, jedoch des räumlichen Anwendungsbereichs in § 35a Abs. 4 EStG vom Haushalt der gepflegten oder betreuten Person die Rede ist. Gleichwohl spricht der Gesamtzusammenhang („haushaltsnahe“ Dienstleistungen) und die Systematik des § 35a EStG insgesamt für die vorgenannte Beschränkung.

Auch die Gesetzesmaterialien sprechen für die Beschränkung. Die Änderung erfolgte ab 1.1.2009 durch das „Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleitungen (Familienleistungsgesetz – FamLeistG)“. Schließlich wäre es auch verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) kaum begründbar, warum rein finanzielle Aufwendungen für Angehörige zur Abdeckung von  Kosten von deren stationärer Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen nicht, solche zur Abdeckung von deren ambulanter Pflege außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen aber doch im Rahmen des § 35a EStG als haushaltsnahe Dienstleistungen abziehbar sein sollten.

Es erscheint jedoch – nicht zuletzt wegen der Häufigkeit solcher Sachverhalte – klärungswürdig und klärungsbedürftig, ob Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung von nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern in ihrem eigenen Haushalt lebenden Familienangehörigen im Rahmen von § 35a EStG als haushaltsnahe Dienstleistungen abziehbar sind, und falls ja, ob der Abzug voraussetzt, dass die Rechnung auf den Steuerpflichtigen ausgestellt ist.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.04.2020 14:31
Quelle: Rechtsprechungsdatenbank Berlin-Brandenburg

zurück zur vorherigen Seite