Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

Bei gerichtlicher Umkehr einer nicht paritätischen Betreuungsregelung zusätzlich Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts erforderlich (Scharl/Schmid, FamRB 2020, 247)

Nach einer Entscheidung des KG (KG v. 18.5.2018 – 3 UF 4/18, FamRZ 2018, 1329 = FamRB 2018, 395) unter Berufung auf die Grundsatzentscheidung des BGH zum Wechselmodell (BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532 = FamRB 2017, 136) kann das Familiengericht bei gemeinsamer elterlicher Sorge im Rahmen einer Umgangsregelung die bislang von den Eltern praktizierten Betreuungsanteile umkehren von bisher 9 : 5 in 5 : 9. Die Verfasser zeigen auf, dass es in diesem Fall regelmäßig zugleich der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den nunmehr schwerpunktmäßig betreuenden Elternteil bedarf.

I. Ausgangslage

1. Die Entscheidung des KG v. 18.5.2018 – 3 UF 4/18, FamRZ 2018, 1329 = FamRB 2018, 395

2. Die Entscheidung des BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532 = FamRB 2017, 136

II. Eigene Lösung

1. Nichtausreichen einer Umgangsregelung bei Änderung des Lebensmittelpunkts

2. Erfordernis der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, nicht nur der Ermächtigung zur Lebensmittelpunktbestimmung

III. Schlussbemerkung
 

I. Ausgangslage
1. Die Entscheidung des KG v. 18.5.2018 – 3 UF 4/18, FamRZ 2018, 1329 = FamRB 2018, 395

Nach dem Sachverhalt dieser Entscheidung waren beide Eltern sorgeberechtigt und hatten vormals zunächst nach einer einstweiligen Anordnung eine 12 : 2-Betreuungsregelung und dann im Anschluss an die erstinstanzliche Entscheidung eine 9 : 5-Betreuungsaufteilung mit Lebensmittelpunkt des älteren Kindes bei der Mutter praktiziert. Im hiergegen gerichteten Beschwerdeverfahren der Mutter kehrte das KG gegen deren Willen die Betreuungsaufteilung auf 5 : 9 mit dem Lebensmittelpunkt des älteren Kindes beim Vater um. Denn die gerichtliche Festlegung des Umfangs des Umgangsrechts habe allein quantitative Bedeutung, bleibe aber auf das grundsätzliche Verhältnis von Sorge- und Umgangsrecht ohne Einfluss, so dass auch die Umkehrung der Betreuungsanteile zulässig sei.

Beraterhinweis
Die Betreuungsumkehr wurde letztendlich wegen eingeschränkter Erziehungsfähigkeit der Mutter angeordnet, weil aufgrund ihrer Unterordnung des Kindes unter den islamischen Glauben dieses nicht lerne, sich in einer multikulturellen Gesellschaft zurechtzufinden.

2. Die Entscheidung des BGH v. 1.2.2017 – XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532 = FamRB 2017, 136
Nach dieser Entscheidung ist es vom Gesetzeswortlaut des § 1684 BGB auch umfasst, durch gerichtliche Festlegung der Umgangszeiten die Betreuung des Kindes hälftig unter den Eltern aufzuteilen. Das Gesetz enthalte nämlich keine Beschränkung des Umgangsrechts dahin gehend, dass vom Gericht angeordnete Umgangskontakte nicht zu hälftigen Betreuungsanteilen der Eltern führen dürfen. Das bedeutet, dass gegenseitige Aufenthaltsbestimmungsrechtsanträge der Eltern zurückzuweisen sind, falls das Gericht eine paritätische Wechselmodellregelung im parallelen Umgangsverfahren beschließt. Ansonsten ist ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes regelmäßig im Rahmen eines sorgerechtlichen Verfahrens und nicht eines Umgangsverfahrens auszutragen.

Beraterhinweis
Ob das Wechselmodell tatsächlich anzuordnen ist, hängt dann aber vom Kindeswohl in Verbindung mit einer bestehenden Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern ab.

II. Eigene Lösung
1. Nichtausreichen einer Umgangsregelung bei Änderung des Lebensmittelpunkts

Die vom KG beschlossene 5 : 9-Regelung war – wie geschehen – im Umgangsverfahren gem. § 1684 BGB zu treffen und notwendig, da eine sorgerechtliche Regelung nach §§ 1671, 1628 BGB noch nichts über die tatsächliche Betreuung aussagt und diese nicht festlegt. Umgangs- und Sorgerecht stehen sich auf der Elternebene als selbständige sich gegenseitig beschränkende Rechte gegenüber. Die mit einer Umgangsregelung verbundene Einschränkung in der Ausübung der elterlichen Sorge ist in der gesetzlichen Systematik von Sorge- und Umgangsrecht mithin angelegt. Das Gesetz enthält auch keine Bestimmung über Zeit, Dauer und Häufigkeit des Umgangs. Jedoch darf der Umgangsberechtigte nicht in das Erziehungsrecht des anderen Elternteils eingreifen. Allerdings kann unseres Erachtens zum einen ...
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.06.2020 11:11
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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