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Die große Reform: Vom Recht des Vormunds zu den Rechten des Mündels – die neuen Vorschriften des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts (Bartels, FamRB 2021, 113)

Der Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (BT-Drucks. 19/24445) soll eine grundlegende Modernisierung und Neustrukturierung des Rechts der Vormundschaft über Minderjährige, der Pflegschaft sowie der Betreuung Volljähriger bringen. Zudem ist die Einführung neuer Regelungen zur Stellvertretung unter Ehegatten vorgesehen. Der Beitrag gibt einen Überblick über „die große Reform“, wobei sich der erste Teil auf die Darstellung der Veränderungen im Bereich der Vormundschaft über Minderjährige und der Pflegschaft beschränkt (inkl. Synopse).

I. Vorbemerkung
II. Die Grundidee

III. Die Struktur
IV. Die Änderungen im Einzelnen:

1. Begründung der Vormundschaft
a) Voraussetzungen und Grundbedingungen der Vormundschaft
b) Auswahl des Vormunds
aa) Benennung
bb) Auswahlparameter
cc) Übernahmepflicht
dd) Stärkung des Auswahlprozesses: Bestellung eines vorläufigen Vormunds
ee) Überprüfungsverfahren
c) Die Bestellung
4. Führung der Vormundschaft
a) Bedeutung der Rechte des Mündels
b) Stellvertretung und Haftung
c) Personensorge
d) Vermögenssorge
4. Aufsicht des Familiengerichts
5. Beendigung der Vormundschaft
6. Vergütung und Auslagenersatz
7. Neuregelung der Pflegschaft
IV. Schlussbemerkung
V. Synopse


I. Vorbemerkung

Die Vormundschaft, wie das Bürgerliche Gesetzbuch v. 18.8.1896 (RGBl., 195 ff.) sie vorsah, sollte die rechtliche Vertretung minderjähriger und wegen „Geisteskrankheit entmündigter“ volljähriger Personen sicherstellen. Unbeschadet vielfältiger Gesetzesänderungen blieb die Grundsystematik der ursprünglichen Konzeption über Jahrzehnte hinweg erhalten. Gesellschaftliche Veränderungen und eine veränderte Zieldefinition führten 1990 zu einer bereits recht grundlegenden Reform durch Ausgliederung der rechtlichen Vertretung Volljähriger in das neugeschaffene System des Betreuungsrechts. Dass insbesondere ältere Menschen mitunter der Hilfestellung im Rechtsverkehr und rechtlicher Vertretung bedürfen, ohne dass deswegen ein Verdikt über ihre Unfähigkeit zu eigenverantwortlichen Entscheidungen gesprochen werden müsste, war zwar keine neue Erkenntnis. Neu war allerdings, dass hierfür ein Regelungsbedarf gesehen wurde, was mit einer zunehmenden Zahl hilfsbedürftiger älterer Menschen zusammengehangen haben dürfte, der gegenüber die Bedeutung des sozialen Schutzgefüges der Großfamilie zusehends abnahm. Die neu geschaffenen Regelungen beabsichtigten nicht länger lediglich eine Organisation der vom Betreuten nicht mehr eigenständig wahrnehmbaren Belange, sondern implementierten in vielfältiger Weise Regelungen zur Beachtlichkeit des (soweit vorhanden) freien Willens und der Wünsche des Betreuten in das BGB, nicht ohne in § 1908i BGB in weiten Teilen auf die bewährten Vorschriften des Vormundschaftsrechts zu verweisen. Bereits im Zuge der Beratungen über die Einführung des Betreuungsrechts war über den Reformbedarf auch der Vormundschaft über minderjährige Personen diskutiert worden. Letztlich war es das Interesse an einer zügigen Umsetzung des bereits weit gediehenen Reformvorhabens des Betreuungsrechts, die zu einem Aufschub der grundlegenden Reform des gesamten Vormundschaftsrechts führte.

Rund 30 Jahre später liegt nun ein Gesetzentwurf vor (der zur Zeit des Erscheinens dieses Beitrages voraussichtlich bereits beschlossen und alsbald als Gesetz zustande gekommen sein wird), der eine grundlegende Neuordnung des Rechts der Vormundschaft über Minderjährige, der Pflegschaft sowie der Betreuung Volljähriger beabsichtigt, mit der der Gedanke der Subjektstellung des jeweils Betroffenen nochmals ausgebaut werden soll. Ferner ist die Einführung neuer Regelungen zur Stellvertretung unter Ehegatten vorgesehen. Das Anliegen dieses Beitrags ist es, einen Überblick über die Neuerungen zu geben, wobei sich der vorliegende erste Teil angesichts des Umfangs des Reformwerks auf die Darstellung der Veränderungen im Bereich der Vormundschaft über Minderjährige und der Pflegschaft beschränkt, was freilich nicht ohne den ein oder anderen Ausflug in die Gesamtstruktur des Reformwerks sowie ins Betreuungsrecht gelingen wird. Die Änderungen sind wirklich grundlegender Art und sie sind umfangreich. Dem angesichts des Umfangs der Änderungen anstehenden Umstellungsaufwand wird zumindest dadurch Rechnung getragen, dass ein Inkrafttreten erst zum 1.1.2023 vorgesehen ist.

II. Die Grundidee
Zur Ausgangslage führt die Begründung des Gesetzentwurfs (BR-Drucks. 564/20, 129) zutreffend aus, dass dem historischen Gesetzgeber des BGB das bei Verwandten lebende Waisenkind vor Augen gestanden haben dürfte, wogegen die derzeitige Praxis von in Pflegefamilien und Einrichtungen lebenden Kindern und Jugendlichen unter der Amtsvormundschaft der Jugendämter geprägt ist. Anlass der Vormundschaft ist weit seltener das Versterben der Eltern als der Entzug der elterlichen Sorge wegen Kindeswohlgefährdung. Dahinter stehen nicht selten Konstellationen der Vernachlässigung und der Misshandlung. Obschon seit jeher der Schutz der betroffenen Kinder und Jugendlichen Ziel und Aufgabe des Sorgerechtsentzugs und seiner Umsetzung ist, so sind doch auch Fälle zutage getreten, in denen es gerade die unter Vormundschaft stehenden Kinder und Jugendlichen waren, die in Pflegefamilien der Misshandlung ausgesetzt waren. Zielsetzung des Reformentwurfs ist es eingedenk dieser Entwicklungen, die Verantwortung des Vormunds für die Entwicklung, Pflege und Erziehung stärker herauszustellen und die Person des Mündels u.a. auch dadurch ins Zentrum zu rücken, dass seinem Willen sowie seinen Wünschen und Neigungen stärkeres Gewicht beigemessen wird, um der Rollenzuweisung entgegenzuwirken, bloß schutzwürdiges Objekt der Bemühungen von Vormund und Gericht zu sein. Als gesetzgeberisches Ziel wird demgemäß neben Schaffung größerer Übersichtlichkeit vor allem genannt, das Mündel solle mit seinen Rechten als Subjekt im Zentrum stehen und die Erziehungsverantwortung des Vormunds sowie die Bedeutung der Position der Pflegeperson sollten akzentuiert werden.

III. Die Struktur
Der grobe Aufbau des 3. Abschnitts des Familienrechts bleibt erhalten. Allerdings werden die Regelungen zur Pflegschaft aufgeteilt. Nach dem die Vormundschaft regelnden Titel 1 wird ein Titel 2 „Pflegschaft für Minderjährige“ (insbesondere Ergänzungspflegschaft) eingefügt, wodurch die ...



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.03.2021 11:48
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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