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Aktuell im FamRB

Urteil des BVerfG v. 26.5.2020 zu § 17 VersAusglG – Grundlagen und Konsequenzen für die Praxis - Teil 1 (Braun/Siede, FamRB 2021, 160)

Durch Urteil vom 26.5.2020 hat das BVerfG entschieden, dass § 17 VersAusglG verfassungsgemäß sei. Die Familiengerichte müssten – so das BVerfG – die Vorschrift aber so anwenden, dass die Entstehung erheblicher Transferverluste vermieden werde. Dies stellt die Familiengerichte vor die Frage, wie diese zu berechnen sind. Für diese Aufgabe gibt der zweiteilige Beitrag Hilfsmittel an die Hand. Im ersten Teil werden die rechtlichen und versicherungsmathematischen Konsequenzen aus der Entscheidung des BVerfG abgeleitet sowie dem Praktiker Tabellen zur Verfügung gestellt, anhand derer dieser für den Normalfall der Durchführung des Versorgungsausgleichs als Folgesache feststellen kann, ob verfassungswidrige Transferverluste zu besorgen sind.


I. Einleitung

II. Zur Entscheidung des BVerfG

1.Sachverhalt

2. Die Entscheidung des BVerfG

3. Unmittelbare Konsequenzen der Entscheidung

III. Konsequenzen für die Praxis

1. Versorgungsausgleich bei der Scheidung, beide Ehegatten in der Anwartschaftsphase


I. Einleitung

Grundprinzip des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs ist, dass der Ehezeitanteil eines jeden Anrechts auf eine Versorgung wegen Alters oder Invalidität einzeln zwischen den Ehegatten aufzuteilen ist (§ 1 Abs. 1 VersAusglG). Dies hat grundsätzlich im Wege der internen Teilung zu erfolgen, indem auf den Ausgleichsberechtigten ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger, bei dem das zu teilende Anrecht besteht (im Folgenden: Träger der Quellversorgung), übertragen wird (§ 9 Abs. 2, § 10, § 11 VersAusglG). Die Teilungsordnung muss gewährleisten, dass u.a. ein Anrecht mit gleicher Wertentwicklung entsteht (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG). Nur ausnahmsweise ist ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei einem anderen Versorgungsträger (im Folgenden: Zielversorgungsträger) in Höhe des Ausgleichswerts zu begründen (§ 9 Abs. 3, § 14, § 15, § 17 VersAusglG; externe Teilung). Dem Ausgleichsberechtigten steht hierbei das Recht zu, in den Grenzen von § 15 VersAusglG eine Zielversorgung zu bestimmen. Diese Versorgung muss keine gleiche Wertentwicklung garantieren. Es reicht, dass sie angemessen ist (§ 15 Abs. 2 VersAusglG). Der Quellversorgungsträger ist verpflichtet, den dem Ausgleichswert entsprechenden Kapitalbetrag bei Rechtskraft der Entscheidung an den Zielversorgungsträger zu bezahlen (§ 14 Abs. 4 VersAusglG, § 222 Abs. 3 FamFG).

Die externe Teilung ist zulässig, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte und der Träger der Quellversorgung diese vereinbaren (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG) oder bei geringfügigen Anrechten – das sind Anrechte, deren Ausgleichswert als Kapitalwert bei Ehezeitende 240 % der monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB IV nicht übersteigt (derzeit 7.896 €; ist ausnahmsweise ein Rentenwert maßgeblich beträgt der Wert 2 % der monatlichen Bezugsgröße, zuletzt 65,80 €) – auf einseitiges Verlangen des Quellversorgungsträgers (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG).

Handelt es sich bei dem zu teilenden Anrecht um ein Anrecht aus der betrieblichen Altersversorgung in Form einer Direktzusage oder bei einer Unterstützungskasse, ist dieser Grenzwert sehr viel höher. In diesem Fall ist die externe Teilung auf einseitiges Verlangen des Quellversorgungsträgers auch dann durchzuführen, wenn der Ausgleichswert bei Ehezeitende als Kapitalwert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt (§ 17 VersAusglG). Diese liegt derzeit bei 85.200 € p.a. Dies hat zur Folge, dass für viele dieser im unmittelbaren Durchführungsweg oder über eine Unterstützungskasse erteilten Zusagen der betrieblichen Altersversorgung auf einseitiges Verlangen des Arbeitgebers die externe Teilung durchzuführen ist.

Schon früh wurde darauf hingewiesen, dass dies für den Ausgleichsberechtigten sehr nachteilig sein kann, wenn dieser keine Zielversorgung finden kann, die ihre Versorgungsleistungen anhand eines Rechnungszinses kalkuliert, der dem der Quellversorgung nahekommt. Zum Teil wurde deshalb die Bestimmung für verfassungswidrig gehalten. Der Deutsche Anwaltsverein e.V. hat in einer Initiativstellungnahme den Gesetzgeber aufgefordert, die Vorschrift zu ändern. Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat in den Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Abschaffung dieser Bestimmung zum Gegenstand hatte. Dieser wurde durch die Koalitionsmehrheit abgelehnt. Der BGH hat diese Bedenken allerdings nicht geteilt, sondern (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.03.2021 14:23
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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