Otto Schmidt Verlag

BGH v. 10.2.2021 - XII ZB 284/19

Versorgungsausgleich: Pauschalierung von Teilungskosten im Rahmen einer Mischkalkulation

Gegen die im Rahmen einer Mischkalkulation vorgenommene Pauschalierung von Teilungskosten in Form eines Prozentsatzes i.H.v. 2-3 % des ehezeitlichen Kapitalwerts eines Anrechts bestehen auch bei einem 500 € deutlich übersteigenden Höchstbetrag (hier: 4.284 €) keine grundsätzlichen Bedenken, wenn der Versorgungsträger nachweisen kann, dass er sich durch den Abzug von Teilungskosten keine zusätzliche Einnahmequelle verschafft, sondern den Ansatz des Höchstbetrags benötigt, damit seine Mischkalkulation aufgeht.

Der Sachverhalt:
Der 1962 geborene Ehemann und die 1975 geborene Ehefrau schlossen im Dezember 2004 die Ehe. Der Scheidungsantrag wurde im Oktober 2014 zugestellt. In der gesetzlichen Ehezeit von Dezember 2004 bis September 2014 erwarben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Darüber hinaus erwarb der Ehemann in der Ehezeit ein betriebliches Anrecht bei der Beteiligten zu 2) (im Folgenden: Volkswagen). Volkswagen gab den Ehezeitanteil der Versorgung (Grundversorgung) in seiner Auskunft mit einem Kapitalwert von 156.870 € an und schlug bei Teilungskosten i.H.v. 4.284 € einen Ausgleichswert von 76.293 € vor. Der Erhebung dieser Teilungskosten liegt Ziffer 6 Abs. 2 der Teilungsordnung der Volkswagen AG in der Fassung vom 1.4.2014 zugrunde, wonach bei interner Teilung Teilungskosten i.H.v. 3 % des Kapitalwertes des Ehezeitanteils höchstens aber 3 % der zweifachen jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung nach §§ 159, 160 SGB VI (hier zum Ende der Ehezeit: 3 % von 71.400 € * 2 = 4.284 €) zu veranschlagen und vom Ehezeitanteil in Abzug zu bringen sind.

Das AG hat die Ehe rechtskräftig geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei übertrug es zu Lasten des betrieblichen Anrechts des Ehemanns bei Volkswagen unter Berücksichtigung von Teilungskosten i.H.v. lediglich 500 € im Wege interner Teilung zugunsten der Ehefrau ein auf das Ende der Ehezeit bezogenes Anrecht i.H.v. 78.185 €. Der dagegen gerichteten Beschwerde von Volkswagen gab das OLG teilweise statt und übertrug bei Ansatz von Teilungskosten i.H.v. 1.260 € zugunsten der Ehefrau ein auf das Ende der Ehezeit bezogenes Anrecht i.H.v. 77.805 €.

Die Rechtsbeschwerde von Volkswagen mit dem Ziel vollständiger Berücksichtigung der von ihr geltend gemachten Teilungskosten i.H.v. 4.284 €, hatte Erfolg

Die Gründe:
Gegen eine Pauschalierung der Teilungskosten auf der Grundlage pauschaler Kostenabzüge i.H.v. 2-3 % des ehezeitbezogenen Kapitalwerts des auszugleichenden Anrechts hat der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung keine grundlegenden Bedenken erhoben. Mit der Pauschalierung der Teilungskosten geht eine Mischkalkulation des Versorgungsträgers einher, nach der systemimmanent bei bestimmten Anrechten höhere Teilungskosten umgelegt werden als bei einem konsequenten Stückkostenansatz tatsächlich angefallen wären, damit im Gegenzug bei kleineren Anrechten auch niedrigere und den tatsächlichen Aufwand nicht deckende Teilungskosten erhoben werden können; insoweit hat der Senat ausdrücklich anerkannt, dass die Mischkalkulation (auch) eine Komponente des sozialen Ausgleichs enthält.

Auch im Rahmen einer solchen Mischkalkulation wäre allerdings ein Kostenabzug unangemessen, der einerseits die Anrechte der Ehegatten empfindlich schmälern würde und andererseits außer Verhältnis zu dem tatsächlichen Aufwand des Versorgungsträgers stünde. Um dies zu vermeiden, ist es daher auch für diese Art der pauschalen Berechnung der Teilungskosten notwendig, die Teilungskosten für ein auszugleichendes Anrecht durch einen Höchstbetrag zu begrenzen. Übersteigt dieser Höchstbetrag 500 € nicht, muss der Versorgungsträger nicht näher zu seiner Mischkalkulation vortragen, sondern es ist regelmäßig von einem angemessenen Kostenansatz auszugehen. Macht der Versorgungsträger demgegenüber geltend, dass ein Höchstbetrag von 500 € für seine Mischkalkulation nicht auskömmlich sei, muss er im Versorgungsausgleichsverfahren nachvollziehbar zu den Grundlagen seiner Kalkulation vortragen. In diesen Fällen hat das Gericht seine Angemessenheitskontrolle im Ausgangspunkt daran zu orientieren, bis zu welchem Höchstbetrag der Versorgungsträger hiernach höherwertige Anrechte belasten muss, damit seine Mischkalkulation gegebenenfalls unter Berücksichtigung eines von ihm erhobenen Mindestbetrags insgesamt aufgeht. Hierzu ist regelmäßig ein konkreter Vortrag zu den tatsächlich zu erwartenden durchschnittlichen Stückkosten für die Einrichtung und Verwaltung eines neuen Anrechts erforderlich, die der Versorgungsträger entweder anhand einer Darlegung seiner internen Kostenstrukturen oder anhand eines Rückgriffs auf Teilungskostentabellen auf der Grundlage von Kostenstrukturen externer Dienstleister ermitteln kann.

Ein vom Versorgungsträger festgesetzter Höchstbetrag steht bei einer Mischkalkulation mit der ihr innewohnenden Komponente des sozialen Ausgleichs jedenfalls dann außer Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand, wenn dadurch bezogen auf die Gesamtheit aller Teilungsfälle die Besorgnis begründet wird, dass sich der Versorgungsträger über die vollständige Kostenumlage hinaus eine zusätzliche Einnahmequelle erschließt. Kann der Versorgungsträger indessen darlegen, dass ein pauschaler Kostenabzug i.H.v. 2-3 % des ehezeitbezogenen Kapitalwerts ggf. unter Berücksichtigung der von ihm festgelegten Mindest- und Höchstbeträge lediglich zu einer vollständigen Umlage der Kosten sämtlicher zu erwartender Teilungsfälle, nicht aber zu einer Bereicherung des Versorgungsträgers führt, bestehen gegen den pauschalierten Kostenansatz keine Bedenken, ohne dass es im Grundsatz darauf ankäme, welchen absoluten Wert der Höchstbetrag erreicht und in welchem Umfang er von den durchschnittlichen Stückkosten der Teilung abweicht. Auch die Umstände des Streitfalls geben dem Senat keine Veranlassung, von dieser Beurteilung abzurücken.

Gegen die im Rahmen einer Mischkalkulation vorgenommene Pauschalierung von Teilungskosten in Form eines Prozentsatzes i.H.v. 2-3 % des ehezeitlichen Kapitalwerts eines Anrechts bestehen danach auch bei einem 500 € deutlich übersteigenden Höchstbetrag (hier: 4.284 €) keine grundsätzlichen Bedenken, wenn der Versorgungsträger nachweisen kann, dass er sich durch den Abzug von Teilungskosten keine zusätzliche Einnahmequelle verschafft, sondern den Ansatz des Höchstbetrags benötigt, damit seine Mischkalkulation aufgeht.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.04.2021 11:22
Quelle: BGH online

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