Otto Schmidt Verlag

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Überblick über die zum 1.7.2021 in Kraft getretenen Änderungen des § 68 FamFG und ihre Bedeutung für die Praxis (Volke/Kriewald, FamRB 2021, 436)

Durch Art. 5 des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder (BGBl. I 2021, 1810) sind zum 1.7.2021 eine Reihe von Neuregelungen im FamFG in Kraft getreten. Hiervon ist u.a. auch der Gang des Beschwerdeverfahrens in Kindschaftsverfahren betroffen. Der Aufsatz soll einen praxisorientierten Überblick über die Auswirkungen der Neuregelung des § 68 FamFG bieten.

1. Einleitung
2. § 68 Abs. 5 FamFG

a) Grundsätzliches
b) Fallgruppen
(a) (Teilweiser) Sorgerechtsentzug
(b) Umgangsausschluss
(c) Verbleibensanordnungen
3. § 68 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 FamFG
4. Auswirkungen auf Verfahrenskostenhilfe
5. Fazit

 

1. Einleitung
Der Gang des Beschwerdeverfahrens ist für Kindschaftsverfahren durch die Einführung von § 68 Abs. 4 Satz 2 und 3 und Abs. 5 FamFG in wesentlichen Zügen neu geregelt worden.  Politischer Hintergrund hierfür sind die in den Jahren 2017, 2018, 2019 und 2020 bekanntgewordenen Missbrauchsfälle von Staufen, Bergisch-Gladbach, Lügde und Münster.  Als Ziel von Art. 5 des Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder (BGBl. I 2021, 1810) formuliert der Gesetzgeber die verfahrensrechtliche Stärkung der Kinderrechte, insbesondere im Bereich der Kinderschutzverfahren.  Um dies zu erreichen, bedürfe es einer starken Familiengerichtsbarkeit und eines funktionierenden Verfahrensrechts, das den Rechten der Beteiligten Rechnung trägt und dabei besonders schutzbedürftige Personengruppen in besonderer Weise in den Blick nimmt.

§ 68 Abs. 4 und 5 FamFG lauten nunmehr wie folgt:

„(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 ZPO der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. 2Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. 3Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.

(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:

  • 1. die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666, 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
  • 2. der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
  • 3. eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Die Änderungen im Beschwerdeverfahren sollen sicherstellen, dass Entscheidungen der Beschwerdeinstanz in den besonders grundrechtssensiblen Kindschaftsverfahren, insbesondere in Kinderschutzverfahren, stets vom Kollegialorgan in Dreierbesetzung und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Beraterhinweis
Mangels gesetzlicher Übergangsregelung gelten die neuen Verfahrensvorschriften für alle Verfahren, die ab dem 1.7.2021 beim Beschwerdegericht eingegangen sind oder dort bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren.

2. § 68 Abs. 5 FamFG
Da sich die wesentlichen Änderungen in dem neu eingefügten § 68 Abs. 5 FamFG finden, soll dieser zunächst betrachtet werden.

a) Grundsätzliches
§ 68 Abs. 5 FamFG verpflichtet das Beschwerdegericht dazu, in bestimmten Verfahren immer in Dreierbesetzung und nach mündlicher Verhandlung sowie Anhörung der Betroffenen zu entscheiden. Bislang durfte das Beschwerdegericht gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG im schriftlichen Verfahren entscheiden oder von einzelnen Verfahrenshandlungen absehen, soweit diese Verfahrenshandlungen bzw. die mündliche Verhandlung in der ersten Instanz durchgeführt worden und von einer ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.10.2021 15:07
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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