Otto Schmidt Verlag

Aktuelle BGH-Rechtsprechung in Leitsätzen

Hier finden Sie die neuesten Entscheidungen aus der Rubrik "Aktuell" des anstehenden FamRB-Heftes, bevor sie von erfahrenen Praktikern für Sie in den folgenden Heften aufbereitet, mit Beraterhinweisen versehen und die Konsequenzen für Ihre Praxis aufgezeigt werden.
 

BGH, Beschl. v. 16.3.2022 – XII ZB 248/21
Wechsel des Berufsbetreuers während laufenden Abrechnungsmonats
Bei einem Wechsel des Berufsbetreuers während eines laufenden Abrechnungsmonats berechnet sich die Vergütung des ausscheidenden Betreuers zeitanteilig nach Tagen bis zur Beendigung der Betreuung. Maßgeblich für die Beendigung ist dabei nicht der Zeitpunkt der Rechtskraft, sondern der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung über den Betreuerwechsel


BGH, Beschl. v. 2.3.2022 – XII ZB 558/21
Betreuungssachen: Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger; Feststellung des objektiven Betreuungsbedarfs
a) Sieht das Betreuungsgericht entsprechend § 288 Abs. 1 FamFG von der Bekanntgabe eines Gutachtens an den Betroffenen ab, kann durch die Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger allenfalls dann ein notwendiges Mindestmaß rechtlichen Gehörs sichergestellt werden, wenn zusätzlich die Erwartung gerechtfertigt ist, dass der Verfahrenspfleger mit dem Betroffenen über das Gutachten spricht. Letzteres setzt in der Regel einen entsprechenden Hinweis des Betreuungsgerichts an den Verfahrenspfleger voraus (im Anschluss an BGH v. 21.10.2020 – XII ZB 153/20, FamRZ 2021, 385).
b) Die Erforderlichkeit einer Betreuung gem. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB kann sich nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können (Betreuungsbedürftigkeit). Hinzutreten muss ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Dabei genügt es, wenn ein Handlungsbedarf in dem betreffenden Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann (im Anschluss an BGH v. 30.6.2021 – XII ZB 73/21, FamRZ 2021, 1737).


BGH, Beschl. v. 16.2.2022 – XII ZB 67/21
Keine einer stationären Einrichtung gleichgestellte ambulant betreute Wohnform bei nur faktischer Bindung an Betreuungsangebot
Besteht für den Betroffenen aufgrund des mit dem Träger der Wohneinrichtung geschlossenen Vertrags rechtlich die Möglichkeit, einen anderen Anbieter pflegerischer Leistungen zu wählen, handelt es sich um keine einer stationären Einrichtung gleichgestellte ambulant betreute Wohnform. Es kommt nicht allein auf eine faktische Bindung an das Betreuungsangebot der Vermieterin, sondern nur auf die rechtliche Möglichkeit an, einen anderen Anbieter zu wählen (Fortführung BGH v. 16.6.2021 – XII ZB 46/21, FamRZ 2021, 1666 [LS] = MDR 2021, 1157).


BGH, Beschl. v. 16.2.2022 – XII ZB 355/21
Richtervorbehalt für Bestellung eines Kontrollbetreuers bei Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf
a) Der Rechtspfleger ist nur dann funktionell für die Bestellung eines Kontrollbetreuers zuständig, wenn sie nicht zugleich eine Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf enthält; wird dem Kontrollbetreuer diese Ermächtigung erteilt, ist das gesamte Geschäft dem Richter vorbehalten (im Anschluss an BGH v. 11.1.2017 – XII ZB 305/16, FamRZ 2017, 549).
b) Die unwirksame Entscheidung des funktionell unzuständigen Rechtspflegers ist im Rechtsbehelfsverfahren ohne Rücksicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit aufzuheben und die Sache ist an den Richter des Ausgangsgerichts zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zurückzuverweisen (im Anschluss an BGH v. 2.6.2005 – IX ZB 287/03, NJW-RR 2005, 1299).
c) Entschließt sich das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht in einem Verfahren auf Einrichtung einer Kontrollbetreuung zur Einholung eines ärztlichen Zeugnisses und will es dieses Zeugnis als Tatsachengrundlage für seine Entscheidung heranziehen, muss es den Betroffenen grundsätzlich auch dann persönlich anhören, wenn es im Ergebnis des Verfahrens von der Bestellung eines Kontrollbetreuers absehen will (Fortführung BGH v. 14.4.2021 – XII ZB 527/20, FamRZ 2021, 1412 = FamRB 2021, 381 [Locher]).


BGH, Beschl. v. 12.1.2022 – XII ZB 442/21
Verfahrenspflegerbestellung im Verfahren auf Aufhebung einer Betreuung
Hält das Betreuungsgericht in einem Verfahren auf Aufhebung einer Betreuung die Bestellung eines Verfahrenspflegers für erforderlich, muss es grundsätzlich durch die rechtzeitige Bestellung des Verfahrenspflegers und dessen Benachrichtigung vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann (im Anschluss an BGH v. 13.5.2020 – XII ZB 541/19, FamRZ 2020, 1305).
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.04.2022 12:24
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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