Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

Aktuelle Aspekte zur Vorsorgevollmacht (Sarres, FamRB 2023, 38)

Die Vorsorgevollmacht als eine der drei wichtigen Vorsorgeverfügungen neben der Betreuungsverfügung und der Patientenverfügung stößt weiterhin auf große Resonanz. Das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer hatte Ende 2021 über 5,3 Mio. Vorsorgeverfügungen registriert, hiervon allein rd. 359.000 Neu-Registrierungen im Jahr 2021. Der Gesetzgeber hat auf diese Entwicklung in der Praxis reagiert. Denn mit der zum 1.1.2023 geltenden Reform zum Vormundschafts- und Betreuungsrecht sind Vorsorgevollmacht und Kontrollbetreuung kompakt in einer Vorschrift neu geregelt und erhalten einen besonderen Stellenwert. Der nachfolgende Beitrag behandelt im Vergleich die alte und neue Gesetzeslage zur Vorsorgevollmacht.

I. Alte Rechtslage: Vorrang der Vorsorgevollmacht vor der Betreuung
II. Reformen ab 1.1.2023: Gegenüberstellung relevanter Normen

1. Synopse
2. Der neue § 1820 BGB: Vorsorgevollmacht und Kontrollbetreuung
a) Unterrichtungspflicht
b) Eindeutige schriftliche Erklärungen
c) Kontrollbetreuung
d) Besondere gerichtliche Anordnungen: Ausübungssperre und Vollmachtherausgabe
e) Ultima Ratio: Der Widerruf
III. Gesundheitssorge: Vertretungsrecht zwischen Ehegatten
IV. Die Praxis der Vorsorgevollmacht: privatautonom und anwendungsstark

1. Beispiele für den Inhalt von Vorsorgevollmachten
2. Freundschaftsdienst oder Auftrag – das sog. Innenverhältnis
a) Reine Gefälligkeiten
b) Pflicht zum Tätigwerden für den Bevollmächtigten?
3. Schadensersatzansprüche gegen passiven Bevollmächtigten?
V. Fazit


I. Alte Rechtslage: Vorrang der Vorsorgevollmacht vor der Betreuung

Die bewährte Abstufung von privatautonomer Vorsorgevollmacht und subsidiärer staatlicher Betreuung wurde bis zum 31.12.2022 durch § 1896 BGB geregelt. Der Vorrang für die Vorsorgevollmacht eines Volljährigen hatte hiernach zwei wesentliche Voraussetzungen:

  • Der Bevollmächtigte musste die Angelegenheiten ebenso gut erledigen wie ein Betreuer.
  • Außerdem durfte der Bevollmächtigte nach § 1897 Abs. 3 BGB nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Heim oder einer Einrichtung stehen, in dem der Volljährige lebte.

Diese Grundsätze haben sich in der Rechtspraxis verfestigt. Daher ist der Frage nachzugehen, ob und wie das neue Recht die alte Rechtslage übernimmt, abändert oder modifiziert.

II. Reformen ab 1.1.2023: Gegenüberstellung relevanter Normen
Mit Wirkung zum 1.1.2023 regelt § 1820 BGB n.F. als auffallend breit angelegte Zentralvorschrift die Vorsorgevollmacht, zudem die Kontrollbetreuung und die Eingriffsbefugnisse für das Betreuungsgericht. Dabei hat der Gesetzgeber zunächst nur einige wenige Neuregelungen getroffen, das Rechtsinstrument soll aber bei Bedarf in den nächsten Jahren fortentwickelt werden; die Vorsorgevollmacht soll jedoch jedenfalls so niedrigschwellig und privatautonom wie möglich bleiben.

Neu ist auch die weitere Ausweitung des Kreises der als Vollmachtnehmer ungeeigneten Personen: Zukünftig sind auch alle Mitarbeiter von Diensten, die in der Versorgung des Vollmachtgebers tätig sind, ausgeschlossen (§ 1814 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BGB n.F. i.V.m. § 1816 Abs. 6 BGB n.F.).

Spezielle Maßnahmen des Bevollmächtigten setzen voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist (Schriftlichkeitsgebot). Es erstreckt sich im Besonderen auf ärztliche Maßnahmen, Zwangsmaßnahmen sowie auf freiheitsentziehende Unterbringungen gem. §§ 1829, 1831, 1832 BGB n.F. Hervorhebung verdient die genannte weitreichende Reformvorschrift des § 1820 BGB n.F., weil sie Vorsorgemaßnahmen und Kontrollbetreuung sowie gerichtliche Eingriffsmöglichkeiten kombiniert.

Die Änderungen sind so umfangreich, dass sich ein Vergleich von wesentlichen neuen und weggefallenen alten Normen aufdrängt.

1. Synopse

Die linke Spalte zitiert die Vorschriften der Reform. Die rechte Spalte erfasst die bis zum 31.12.2022 geltenden Regelungen zur Vorsorgevollmacht:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.01.2023 10:48
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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